Siemens:Ein Obstkorb für den Präsidenten

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Nach dem Korruptionsskandal hat Siemens neue Regeln für Geschenke und Einladungen aufgestellt. Doch die sorgen im Unternehmen für reichlich Wirbel.

Markus Balser

Als der neue Siemens-Chef Peter Löscher im August zu seiner Antrittsreise quer durch Asien aufbrach, dürfte der vornehme Siemens-Tross manches Gastgeschenk im Gepäck gehabt haben. Bei Politiker-Empfängen oder Treffen mit Vorstandschefs großer Kunden gehören die schließlich zum guten Ton.

Was Löscher verschenkt, blieb bislang ihm überlassen. Vorbei, denn aufgeschreckt vom Schmiergeldskandal macht die Antikorruptionsabteilung Compliance bei Siemens nun Schluss mit der Geschenke-Grauzone. Ein neuer Leitfaden zur Korruptionsbekämpfung legt fest: "Zulässige Geschenke sind etwa Obstkörbe, Blumen, Bücher oder Werbegeschenke" wie Kugelschreiber und Notizblöcke - allerdings nur, sofern "die das Konzernlogo an prominenter Stelle tragen".

Siemens-Kulis und frische Früchte als Mitbringsel für Staatsempfänge? Nicht nur Konzern-Granden in der Zentrale und Statthalter der internationalen Landesgesellschaften schlagen ob solcher Vorgaben des Antikorruptionsbüros die Hände über dem Kopf zusammen. Die neue zehnseitige Richtlinie zum Schenken und Einladen sorge derzeit für großen Ärger, heißt es auch in der Konzernspitze.

Der Gesamtbetriebsrat prüft gar rechtliche Schritte gegen das Papier, das weltweit für alle 470.000 Beschäftigten des Unternehmens gelten soll. "Die Verunsicherung in der Belegschaft ist groß", weiß Lothar Adler, Stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Siemens - "vor allem bei den Mitarbeitern im Vertrieb".

Zwar sind ausnahmsweise auch mal größere Geschenke drin, doch die müssen in aufwändigen Verfahren genehmigt werden - sonst drohen Konflikte mit den Korruptionsermittlern des Konzerns.

Wein und Kavier? - Beim Geschäftsessen nicht mehr

Mitarbeitern stößt auf, dass sich die Verwaltung mit dem brisanten Papier selbst in alltägliche Geschäftspraktiken einmischt - bis hin zur einfachen Essenseinladung im Restaurant: Die sei zwar ohne vorherige schriftliche Genehmigung erlaubt, heißt es in dem Schreiben - allerdings nur wenn Ehemann oder Ehefrau des Eingeladenen nicht am Essen teilnehmen.

Zudem mahnt Punkt acht, keine "außergewöhnlich teuren Weine oder Delikatessen" auf den Tisch zu bringen. Schließlich "könnten sie den Anschein von Unredlichkeit wecken".

Unbedingt lesen sollten Siemensianer auch Punkt 13, denn: "Jede schriftliche Einladung sollte einen Textbaustein enthalten, dass der Empfänger mit der Annahme bestätigt, dass die Einladung sämtlichen für den Eingeladenen gesetzlichen Erfordernissen sowie den Richtlinien der Organisation des Eingeladenen entspricht. Falls möglich sollte erwogen werden, den Eingeladenen zu bitten, zur Steigerung der Transparenz vor Annahme einer Einladung oder eines Geschenks die Genehmigung seines Vorgesetzten einzuholen."

Natürlich spreche nichts gegen strenge Vorgaben zum Schutz vor Korruption, stellt Gesamtbetriebsrat Adler klar. Aber die Korruptionsbekämpfer im Konzern dürften mit grotesken Vorgaben nicht so weit gehen, dass sie legale Geschäfte behindern. Die Richtlinie drohe schließlich Gepflogenheiten der Höflichkeit zum bürokratischen Staatsakt zu machen. Das Papier müsse dringend überarbeitet werden, fordert Adler.

Weil der Konzern die Richtlinie zwar für alle Mitarbeiter verbindlich vorschreiben will, aber keine Zustimmung des Gesamtbetriebsrats eingeholt hat, lässt der nun prüfen, ob er die Richtlinie juristisch anfechten kann. Siemens äußerte sich am Mittwoch nicht zur Auseinandersetzung um die neue Richtlinie. Doch der Streit könnte sich hinziehen. In der nächsten Woche will der Gesamtbetriebsrat über weitere Schritte entscheiden.

© SZ vom 13.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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