Siemens:Der verschleppte Imageschaden

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Ein knappes Jahr sah es so aus, als habe sich Siemens besonders elegant von seiner defizitären Handysparte getrennt. Doch plötzlich gilt nun: Je später der Imageschaden, desto gravierender.

Paul Katzenberger

Siemens scheint es darauf angelegt zu haben, künftig als Paradebeispiel für die mitunter hässlichen Seiten der Marktwirtschaft herhalten zu müssen. Noch immer ist die Wut groß darüber, dass sich der Vorstand vom Aufsichtsrat in Zeiten von Massenentlassungen eine satte Gehaltserhöhung von 30 Prozent genehmigen ließ. Doch nun riecht die Öffentlichkeit einen noch unappetitlicheren Deal: Die als Verkauf nach Taiwan getarnte Schließung der Siemens-Handysparte.

Demonstranten am Freitag vor der Siemens-Hauptverwaltung in München. (Foto: Foto: AP)

Ob es wirklich derartig zynisch abgelaufen ist, darf zu Gunsten der Akteure bezweifelt werden. Siemens verkaufte die defizitäre Sparte vor einem knappen Jahr an den taiwanesischen Computerkonzern BenQ wahrscheinlich auch deswegen, weil dieser für die Handyfertigung wahrscheinlich mehr Kompetenz mitbringt als der riesige Gemischtwarenladen aus München.

Grund zur Hoffnung

Für die Mitarbeiter bestand damals also durchaus Grund zur Hoffnung - umso mehr als sie damals mit beeindruckenden Gehaltskürzungen zum künftigen Erfolg beitragen wollten. Wenn Siemens-Kommunikationschef Janos Gönczöl am Freitag nun betonte, dass die Manager aus München und Taipeh damals eine gewisse Chance für das Überleben der früheren Siemens-Handysparte unter dem Dach von BenQ sahen, so darf man ihm das vermutlich sogar abnehmen.

Doch das dürfte nur ein Teil der Wahrheit sein: Einiges spricht dafür, dass es die Manager nicht nur beim Prinzip Hoffnung beließen, sondern schon damals auch eben jenes Worst-Case-Szenario einplanten, das jetzt eingetreten ist.

Sogar noch Geld draufgelegt

Das bestritt BenQ am Freitag zwar vehement: "Wir haben niemals geplant, so etwas zu tun", sagte Finanzchef Eric Yu in Taipeh. Doch die auf der Hand liegenden Fragen beantwortete er nicht: Etwa, warum Siemens seine nach Marktanteilen ja nicht ganz unbedeutende Sparte nicht nur umsonst abgab, sondern sogar noch 350 Millionen Euro oben drauflegte?

Es kommt durchaus vor, dass notleidende Unternehmen verschenkt werden, wie etwa der Fall Deutsche BA belegt. Dass einem Übernehmer aber noch ein dreistelliger Millionenbetrag hinterhergeworfen wird - das übersteigt die übliche Großzügigkeit krisengeschüttelter Unternehmen doch bei weitem.

Siemens betonte am Freitag zwar, dass die Gelder in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit von BenQ stärken sollten: Das in Deutschland recht unbekannte Unternehmen habe ein eigenes Patent-Portfolio aufbauen müssen. Die dreingegebenen 350 Millionen Euro belegten daher nur den guten Willen von Siemens, die BenQ-Handy-Fertigung langfristig in Deutschland zu halten.

Für ein gewinnorientiertes Unternehmen wie Siemens ist dieser Ansatz allerdings bemerkenswert mildtätig. Schließlich ist BenQ für die Münchner zunächst nichts anderes als eines der vielen weltweit agierenden IT-Unternehmen. Ob dieses in Deutschland langfristig erfolgreich ist, dürfte für Siemens von untergeordneter Bedeutung sein. Es bleibt daher der fade Nachgeschmack, dass Siemens seine Handysparte unbedingt loswerden wollte - koste es was es wolle.

Ominöse Aufteilung

Warum teilte BenQ seine neue Tochter außerdem derartig ominös auf? Aus eins wurde drei, nämlich eine Management GmbH, eine Asset GmbH, und die eigentliche - jetzt von der Insolvenz bedrohte BenQ Mobile GmbH & Co OHG, in der die rund 3000 deutschen Mitarbeiter zusammengefasst wurden.

Dass Manager gegen Unsicherheiten besser abgesichert sind als die Belegschaft, ist an sich zunächst mal ja überhaupt nichts Ungewöhnliches. Aber braucht man deswegen gleich eine eigene Management GmbH? Wohl nur dann, wenn man mit dem Schlimmsten rechnet. Auch die Abtrennung so gut wie aller Vermögenswerte in der Asset GmbH spricht dafür, dass es die von BenQ jetzt so nachdrücklich in Abrede gestellte Kannibalisierung eben doch gab.

Auch wenn jetzt Siemens-Chef Klaus Kleinfeld mit dem Säbel rasselt und BenQ sogar eine Klage androht - die wirklich interessanten Fragen liegen noch immer unbeantwortet auf dem Tisch. Es gibt es daher kaum Anlass zur Hoffnung, dass die ganze Wahrheit dieses seltsamen Deals kurzfristig ans Licht kommen wird.

Zweifel bleiben

Zweifel werden daher bestehen bleiben, worunter in erster Linie Siemens leiden dürfte. Denn der Verdacht bleibt im Raum, dass sich Siemens auf BenQ vor allem deswegen eingelassen hat, um den Imageverlust zu vermeiden, der sich mit der Abwicklung der Handy-Sparte unweigerlich ergeben hätte. Ganz so geräuschlos geht die Sache nun aber eben doch nicht ab.

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