Sicherheit im Netz:Angriff aus Fernost

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Binärcode auf dem Bildschirm eines Laptops: Immer wieder dringen Kriminelle in die Netzwerke von Unternehmen und Behörden ein. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Deutsche Geheimdienste und Firmen warnen vor Cyberattacken aus Ländern wie China. Doch sie sorgen sich auch wegen des Vorgehens der US-Regierung

Von Markus Balser, Potsdam

Hu Houkon lässt sich am Donnerstag Morgen hinter dem Uni-Campus von Potsdam erst mal die Stelle zeigen, an der die Berliner Mauer verlief. Der Vizechef des chinesischen Telekomkonzerns Huawei spürt gerade am eigenen Unternehmen, was es bedeutet, von einem Teil der Welt abgeschnitten zu sein. "Wir wollen keine neue Mauer", sagt Hu wenig später zum Start der Cybersicherheits-Konferenz des Hasso-Plattner-Instituts. "Auch keine technologische."

Doch der Wunsch geht nicht auf. Fast zur gleichen Zeit wird klar, dass der Konzern durch die laufenden US-Sanktionen noch härter getroffen wird. Das Unternehmen verliert nun auch Zugang zu Technologien aus anderen Ländern. Japans Elektronikriese Panasonic stoppte am Donnerstag die Lieferung wichtiger Bauteile für den Hersteller von Netzen und Handys. Und so verschärft sich auch der internationale Streit über den Umgang mit dem umstrittenen Konzern, der von den USA gerade isoliert wird. Hu warnte, es gehe um einen "gefährlichen Präzedenzfall". Die Sanktionen stünden im Widerspruch zu den Werten der Geschäftswelt. "Die US-Regierung erlegt Huawei sehr unfaire Einschränkungen auf, auf der Grundlage unbegründeter Anschuldigungen", sagte Hu. Niemand wisse, was als nächstes komme. Heute gehe es gegen Huawei, "morgen könnten es Ihre Branche, Ihr Unternehmen und Ihre Verbraucher sein."

Die Regierung in Washington hatte Huawei vergangene Woche auf eine schwarze Liste von Unternehmen gesetzt, deren Geschäftsbeziehungen zu US-Partnern strengen Kontrollen unterliegen. Präsident Donald Trump begründete seine Schritte mit Sicherheitsbedenken gegen Technik aus China. Außenminister Mike Pompeo hat Huawei-Chef Ren Zhengfei am Donnerstag vorgeworfen, über die Verbindungen des Konzerns zur chinesischen Regierung zu lügen. "Das Unternehmen ist nicht nur eng mit China, sondern auch mit der chinesischen Kommunistischen Partei verbunden."

Es geht vor allem um den Verdacht, Huaweis Technik könne China als Mittel der Spionage oder gar Sabotage dienen. Die USA hatten zuletzt auch Ländern gedroht, die Huawei weiter einsetzen. Die USA würden etwa den Ausschluss von Geheimdienst-Informationen prüfen, sollte der chinesische Anbieter in einem Land beim Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G zum Zug kommen. Washington mache dabei keinen Unterschied, ob Huawei Ausrüstung für Kern- oder Randbereiche des Netzes liefere, sagte Robert Strayer, der Cybersicherheitsbeauftragte des Außenministeriums. Das galt auch als Warnung an Deutschland. Die Bundesregierung hat einen völligen Ausschluss von Huawei bislang strikt abgelehnt. Sicherheitsanforderungen der Bundesregierung sollen zwar nicht vertrauenswürdige Anbieter von den Netzen fernhalten - allerdings nur von Kernbereichen. Ähnlich will sich die britische Regierung vorgehen.

Auf Druck der US-Regierung hatte bereits Google kürzlich alle Geschäftsbeziehungen zu Huawei gekappt. Für den Konzern ein ernstes Problem, denn damit kann Huawei auch das Google-Betriebssystem Android nicht mehr nutzen. Allein im ersten Quartal dieses Jahres verkaufte Huawei 60 Millionen Smartphones. Nun drohen vielen Käufern erhebliche Probleme.

Deutsche Geheimdienste und Unternehmen machen China als Urheber vieler Cyberangriffe aus. So lassen sich laut Deutscher Telekom die meisten Cyberangriffe auf Unternehmen, Behörden oder Netze vier Ländern zuordnen: Russland, Nordkorea, Iran - und China. Der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Werner Sczesny, erklärte, bei Cyberangriffen lasse sich feststellen: "Die Wucht der Angriffe nimmt weiter zu." Auch der Grad der Automatisierung und Professionalisierung wachse.

Sorgen lösen in den Sicherheitskreisen allerdings nicht nur die Cyberaktivitäten Chinas, sondern auch die Ächtung des Konzerns durch die USA aus. Der Präsident der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Zitis), Wilfried Karl, verwies darauf, dass viele Technologieunternehmen, deren Produkte auch deutsche Behörden nutzen, im Ausland sitzen. "Woher kommt die Fähigkeit unserer Sicherheitsbehörden in einem Krisenfall?", fragte Karl. Es müsse gar nicht erst ein Konflikt ausbrechen - es genüge schon, wenn ein Land Exportbeschränkungen verhänge. Zitis ist der Cyberdienstleister der deutschen Sicherheitsbehörden.

Auch der Verfassungsschutz warnte vor neuen Risiken. Durch die Manipulation von Bildern und Videos mit Hilfe neuer technischer Möglichkeiten entstünden fatale neue Formen von "Fake News". Beim Kampf gegen Cyberangriffe müssten auch die Behörden dazu lernen. Deutschland habe bei neuen Technologien wie 5G Nachholbedarf. Das gleiche gelte auch für die Sicherheitsbehörden.

Im Streit zwischen den USA und China kam am Donnerstag derweil die nächste Drohung aus Peking. "Die beste Reaktion auf das Mobbing der USA sei es, wenn chinesische Unternehmen weiter wachsen und sich entwickeln", sagte ein Sprecher des Handelsministeriums.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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