Sharing Economy:Teile und herrsche

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Taxifahrer wehren sich gegen die billige Konkurrenz von Uber: Protest-Stau auf der Kettenbrücke in Budapest. (Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Eine Wohnung bei Airbnb mieten oder Uber fahren: In Europa verbieten Städte diese Angebote. Die EU-Kommission fordert nun gleiche Regeln für alle.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Vor einem Monat verhängte die Stadt Berlin ein Verbot, über das man in Brüssel den Kopf schüttelte. Seit Mai gilt in der deutschen Hauptstadt, dass Wohnungen nur zum dauerhaften Wohnen da sind. Sie dürfen nicht immer wieder für ein paar Tage an Gäste vermietet werden. In der Behördensprache heißt das "Zweckentfremdungsverbot". Wer also seine Wohnung zweckentfremdet und auf einer Übernachtungsplattform wie Airbnb oder Wimdu anbietet, muss mit einem Bußgeld von bis zu 100 000 Euro rechnen. Ausnahme: Ein Zimmer in einer selbstgenutzten Wohnung darf weiter untervermietet werden.

Wie gesagt, die Reaktion in Brüssel: Verwunderung. Denn die Europäische Kommission hält nichts von solchen Verboten. Im Gegenteil. Die Behörde will die Angebote von Airbnb oder dem Fahrdienstvermittler und Taxischreck Uber stärker fördern. An diesem Donnerstag wollen Vizepräsident Jyrki Katainen und Binnenmarkt-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska Leitlinien für die sogenannte Gemeinschaftswirtschaft ("Collaborative Economy" oder "Sharing Economy") vorstellen. Im Entwurf der Kommission ist von Orientierungshilfen die Rede, die eine einheitliche Rechtsbasis für die Dienste schaffen sollen. Denn das Problem ist wie so oft in Europa: In Berlin sind dauerhafte Airbnb- und Wimdu-Wohnungen nun verboten, in Paris wiederum auf bis zu vier Monate begrenzt, und anderswo gibt es überhaupt keine Einschränkungen. Ziel der Brüsseler Behörde ist es, Rechtssicherheit zu schaffen, sodass sich die Anbieter nicht in jedem EU-Staat (oder gar jeder EU-Stadt) mit anderen Regeln herumschlagen müssen.

Brüssel ist überzeugt: "Es gibt ein beträchtliches Wachstums- und Job-Potenzial."

Aus Sicht der EU-Kommission schaffen die Plattformen vor allem drei Dinge: mehr Wettbewerb, mehr Innovation und mehr Transparenz. In dem Entwurf heißt es, dass dieser Wirtschaftszweig zwar noch klein, aber schnell wachsend sei. Das Fazit der Behörde lautet: "Es gibt ein beträchtliches Wachstums- und Job-Potenzial für die EU." Verbote wie jenes in Berlin sollten, so heißt es in dem Papier, nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden.

Im Grundsatz stellt sich also Frage, wie Europa mit dem Phänomen der Sharing Economy umgeht, und dabei vor allem mit Unternehmen, die aus dieser Idee ein Geschäft gemacht haben. Firmen wie Uber oder der Zimmer- und Wohnungsdienst Airbnb vermitteln ihren Kunden über Onlineplattformen eine sofort verfügbare Dienstleistung. Im Fall Uber ist es eine Taxifahrt, bei Airbnb eine Übernachtung. Und damit die Kunden dabei auch ein gutes Gefühl haben, verweisen die Anbieter gerne auf den verheißungsvollen Begriff der Sharing Economy. Sie sehen sich als Vorreiter einer "Bewegung des Teilens von persönlichen Gegenständen mit anderen Leuten über das Internet". Das Ziel, so heißt es bei Airbnb, sei "die Wandlung zu einer Gesellschaft, die sich nicht länger durch Besitz, sondern durch Zugang definiert".

In Wahrheit aber haben die Firmen daraus ein Geschäft gemacht, das die Gesellschaft polarisiert. Kein Wunder, dass Eigentümer ihre Wohnung lieber über Airbnb vermieten, denn das bringt oft mehr Geld. Kein Wunder, dass der Arbeitsvertrag eines Uber-Fahrers nicht den Anforderungen einer deutschen Gewerkschaft entspricht. Es würde zu viel kosten.

Manche Ökonomen sehen das nüchtern und sprechen von Plattform-Kapitalismus, weil die Unternehmen im Internet Plattformen betreiben, auf denen Dienstleistungen gehandelt werden. Wie es aussieht, werden solche Anbieter den Wettbewerb künftig bestimmen. Uber macht keinen Hehl daraus, dass die Firma zur ganzheitlichen Plattform der Sharing-Economy werden will. Spätestens dann werden die Behörden Antworten auf die Klagen und Proteste der Old Economy, der traditionellen Wirtschaftszweige, finden müssen, die sich von Uber und anderen angegriffen fühlen.

Die EU-Kommission will nun genau das tun. In Brüssel heißt es, dass es eine marktfreundliche Regulierung geben müsse, bei der soziale Mindeststandards gelten sollen. Den Weg dorthin will die Kommission ebnen, sie will die Ökonomie des Teilens in Europa voranbringen. Neben den wirtschaftlichen Weichenstellungen müssten aber vor allem auch soziale Fragen berücksichtigt werden, so die Haltung der Kommission. Es wird etwa darum gehen, welche Rechte die Fahrer von Uber haben. So steht in den Brüsseler Leitlinien, dass Uber nicht als Vermittler von Fahrdiensten, sondern als Arbeitgeber zu behandeln sei, weil das Unternehmen seinen Fahrern vorgibt, wie die Preisgestaltung auszusehen habe. Demnach müsste Uber seine Angestellten auch sozialversichern. Was der Fahrdienst-Anbieter aber nicht will. Wäre ja zu teuer.

Uber wehrte sich bislang auf seine Art und hat bei der EU-Kommission mehrere Beschwerden eingebracht, darunter gegen Deutschland, Spanien und Frankreich. Im deutschen Fall kritisiert Uber das Personenbeförderungsgesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb - und deren Anwendung durch deutsche Gerichte und Behörden. Das Unternehmen sieht sich im Nachteil gegenüber Taxi-Anbietern. "Obwohl wir eine digitale Vermittlungsplattform sind, fallen wir unter Gesetze, die noch aus den Fünfzigerjahren stammen", beklagt ein Sprecher.

Die Europäische Kommission jedenfalls will mit ihren Leitlinien mehr Klarheit schaffen. Allerdings sind die EU-Staaten nicht an diese gebunden, sie sind eher ein Vorschlag, wie man es machen sollte. Wobei nun auch deutlich wird, wie die Kommission das EU-Recht auslegt. Den Mitgliedsstaaten droht also durchaus ein Vertragsverletzungsverfahren, wenn sie die Leitlinien aus Brüssel künftig ignorieren sollten.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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