Senkung der Unternehmenssteuern:Steinbrücks Signal

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Bei der Reform der Unternehmenssteuern handelt es sich nicht um ein Milliardengeschenk an Unternehmer, sondern um die notwendige Voraussetzung, damit im Zeitalter der Globalisierung Unternehmen in Deutschland bleiben.

Marc Beise

Erstaunlich viele Führungskräfte loben neuerdings den deutschen Sozialstaat. Wurden bei entsprechenden Umfragen früher gerne ,,üppige'' Wohlfahrtsleistungen kritisiert, so erkennt die Mehrheit der Unternehmer heute auffällig den Wert des Sozialstaats an, an dessen Ausgestaltung sie immer weniger auszusetzen haben.

Finanzminister Peer Steinbrück muss Weitblick erst noch beweisen. Nicht auf ewig wird die Wirtschaft laufen wie von selbst. (Foto: Foto: dpa)

Die Forderung, im Sozialen zu kürzen, kommt fast nur noch von den Vertretern der Wirtschaftsverbände. Dies kann daran liegen, dass es unter den Kanzlern Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) gravierende Leistungsverschlechterungen gegeben hat, die im allgemeinen Interesse notwendig, für die Betroffenen jedoch schmerzhaft waren.

Es gibt aber auch einen zweiten Grund: Es wächst bei der Einkommenselite das Unbehagen über eine Zweiteilung der Gesellschaft und das Entstehen einer Unterschicht, deren Folgen ungewiss sind.

Die Ungleichheit wächst

Niemand muss Hunger leiden in Deutschland, das ist wahr, aber der Abstand wächst zwischen den Besserverdienenden und jenen, die am Existenzminimum herumkrebsen.

Erst recht öffnet sich die Schere zwischen denen, die Arbeit haben oder Gewinne machen, und denen, die ohne Hoffnung sind. Dank der derzeit vorzüglichen Konjunktur sinkt die Zahl der Arbeitslosen überraschend stark, das Heer der Langzeitarbeitslosen aber wird kaum kleiner.

Und als ob das nicht reicht, könnte man meinen, wird nun denen auf der Habenseite des Lebens schon wieder Gutes getan: Die Große Koalition hat ihr letztes großes Projekt über den Kabinettstisch geschoben und an Bundestag und Bundesrat versandt: die Unternehmenssteuerreform 2008.

Steuerlast für Unternehmen soll unter 30 Prozent sinken

Die Gesamtsteuerlast der Unternehmen soll danach von knapp 39 auf unter 30 Prozent sinken. Zwar wird ein Großteil des Geldes durch die Streichung von Steuervergünstigungen erwirtschaftet, doch bleibt beim Staat ein jährliches Minus von fünf Milliarden Euro hängen - muss das wirklich sein?

Nein, meint Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine und will das Geld lieber für Kindergärten und Krippen verwenden. Dem applaudieren nicht nur die eigenen Leute, sondern auch die Linken in der SPD.

Die großen Konzerne melden einen Rekordgewinn nach dem anderen, bauen Zehntausende Stellen ab und werden von der Regierung auch noch belohnt. Das Argument ist so eingängig, dass man sich fragen kann, warum es nicht zum ganz großen Protest reicht wie weiland bei der Hartz-IV-Gesetzgebung.

Mit der Großen Koalition hat sich wie Mehltau eine eigenartige Gleichgültigkeit übers Land gelegt. Diese Mir-doch-egal-Stimmung wird vom warmen Wetter einerseits und der boomenden Wirtschaft andererseits genährt: Lass die in Berlin mal machen, heißt das, läuft ja ohnehin alles wie geschmiert.

Dass die Bundesregierung bisher den Bürgern vor allem weitere Lasten zugemutet hat, von der Mehrwertsteuererhöhung bis zu steigenden Abgaben, wird achselzuckend hingenommen. Würde die Regierung Merkel die Mehrwertsteuer gleich noch mal erhöhen, tät's ihr vermutlich auch nicht schaden.

Allerdings hat diese einer mündigen Demokratie unwürdige Gleichgültigkeit einen Vorteil: Sie verhindert ökonomischen Unsinn, weil sich die Apostel schlichter Positionen kein Gehör verschaffen können.

Freiraum für Merkel, Steinbrück und Glos

Das gibt den Wirtschaftspolitikern Merkel, Steinbrück und Glos einen Freiraum, den ihre Vorgänger Schröder, Clement und Eichel nie hatten - einen Freiraum, mit dem sie freilich verantwortungsvoll und engagiert umgehen sollten.

Beispiel Steuerreform: Es handelt sich eben nicht um ein Milliardengeschenk an Unternehmer, sondern um die notwendige Voraussetzung, damit im Zeitalter der Globalisierung Unternehmen in Deutschland erfolgreich sein können und nicht abwandern.

Davon profitieren dann nicht nur Manager mit üppigen Einkünften, sondern auch jeder Mitarbeiter, der trotz härtesten internationalen Wettbewerbs seinen Arbeitsplatz behält.

Ein Signal nach drinnen und draußen

Unter 30 Prozent: Dieser Steuersatz ist ein Signal für Investitionen nach drinnen und draußen - nachdem zuletzt immer mehr deutsche Unternehmen aufgegeben haben oder ihre Produktion und damit Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben. Mit den neuen Tarifen ist Deutschland im internationalen Steuerwettbewerb wieder im Rennen - vorerst, denn die Welt dreht sich weiter, das mag Lafontaine gefallen oder nicht.

Was fehlt, ist die Ausweitung der Reform auf andere Steuerzahler - und eine wirkliche Vereinfachung des deutschen Steuerrechts. Steinbrücks Gesetz macht manches komplizierter und ungerechter: Der größte Teil der Gesellschaft bleibt außen vor.

Die dreistufige Einkommenssteuerreform der Ära Schröder ist längst durch steigende Belastungen anderswo kompensiert. Wirtschaft aber sind nicht nur Konzerne und Großunternehmen, sondern auch der kleinere Mittelstand, die Selbständigen und jeder Arbeitnehmer.

Nur wenn die Leistungsbereitschaft insgesamt gestärkt wird, ist Deutschland zukunftstauglich, und nur dann erhalten auch die Schwächeren eine neue Chance. Merkel und ihre Minister müssen erst noch beweisen, dass sie diesen Weitblick haben. Nicht auf ewig wird die Wirtschaft laufen wie von selbst.

© SZ vom 15.03.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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