Schweiz:Zum Wohle des Franken

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Blick in eine Ladenkasse gefüllt mit Schweizer Franken. (Foto: Thomas Hodel/Reuters)

Die Schweiz will mit Minuszinsen Druck vom Franken nehmen. Für die Schweizer Pensionskassen sind die Negativzinsen besonders bitter, sie müssen schon jetzt mit Verlusten von einigen Hundert Millionen Franken pro Jahr rechnen.

Von Charlotte Theile, Zürich

Es ist eine Idee, die der Ökonomie der Schweiz ganz und gar zu widersprechen scheint: Wer Geld auf der Bank lagert, kann sich nicht freuen, dass es ohne sein Zutun stetig mehr und mehr wird, sondern - er muss Strafzinsen zahlen.

Im Dezember des vergangenen Jahres hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) diese Maßnahme angekündigt, um der Aufwertung des Franken etwas entgegenzusetzen. Die Schweizer Währung, die im Zuge der Eurokrise für Anleger immer interessanter geworden war, sollte nicht noch attraktiver werden. Aus diesem Grund, so kündigte es die SNB kurz vor Weihnachten an, sollte vom 22. Januar 2015 an ein Zins von minus 0,25 Prozent gelten. Doch bei dieser Position blieb es nicht lange. Schon am 15. Januar, als die SNB den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro aufhob, korrigierte sie auch den Negativzins, minus 0,75 Prozent sollte nun gelten. Unterstützt von den Aktivitäten der Nationalbank auf den Devisenmärkten, soll dieser Zins dazu führen, dass der Druck auf den Schweizer Franken langsam abnimmt - was sich in den vergangenen Monaten tatsächlich beobachten ließ. Lagen Euro und Franken nach der Aufhebung des Mindestkurses Anfang des Jahres wochenlang gleichauf, hat sich der Kurs nun bei 1,10 Franken pro Euro eingependelt. Die Unabhängigkeit der Nationalbank, die diesen Schritt weitgehend im Alleingang geplant und weder mit der Politik noch mit der Wirtschaft abgestimmt hatte, ist seither immer wieder Thema im Land.

Denn die Schweiz ist weiter unter Druck. Bei einem Strafzins von 0,75 Prozent könnte es nicht bleiben, vermuten inzwischen viele: Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Negativzinsen erhöht, könnten die Schweizer dazu gezwungen sein nachzuziehen. Schließlich ist es besonders der Euro, an dem sich der Franken misst und gegenüber dem er oftmals als sicherer Hafen erscheint.

Für die Schweizer Pensionskassen sind die Negativzinsen besonders bitter, sie müssen schon bei dem jetzigen Wert mit Verlusten von einigen Hundert Millionen Franken pro Jahr rechnen. Dass es gerade diejenigen sind, die fürs Alter sparen, die von den Maßnahmen der SNB getroffen werden, sorgt für einige Diskussionen.

Die Schweizer Banken haben die Strafzinsen derweil noch nicht an ihre Kunden weitergegeben - wie lang sie diese Politik noch durchhalten können, ist offen. Als erstes hat die kleine Alternative Bank angekündigt, die Strafzinsen von 2016 an ihren Kunden weiterzugeben.

Fritz Zurbrügg, Mitglied des dreiköpfigen Direktoriums der SNB, erklärte am vergangenen Wochenende in der Zentralschweiz am Sonntag: "Die Negativzinsen wirken. Das Zinsniveau in der Schweiz ist schnell gesunken, und die Differenz zu den Euroraum-Zinsen war wiederhergestellt." Dennoch könne er nicht abschließend beurteilen, wie groß der Effekt der Negativzinsen auf den Frankenkurs tatsächlich gewesen ist. Und: Er sei sich auch der Risiken dieser Politik bewusst. Anleger hätten nun Anreiz, ihr Geld bar anzulegen. Noch Anfang Oktober stellte Zurbrügg in einem Vortrag fest, Negativzinsen seien "nicht der Normalzustand". Nun, einige Wochen später, sieht er die Abkehr von den Strafzinsen in weite Ferne gerückt. Die Schweiz als "kleine offene Volkswirtschaft" werde in ihrer Geldpolitik maßgeblich von anderen Marktteilnehmern beeinflusst und müsse dann reagieren. Und solange die Zinsen überall sonst niedrig wären, blieben sie das wohl auch in der Schweiz.

Aus diesem Grund blickt die Nationalbank mit besonderem Interesse in die USA. Wenn die dortige Zentralbank Federal Reserve die Zinsen "in Richtung Normalität" anhebt, werde das die Attraktivität des Dollar steigern und "uns sicher helfen", vermutet Zurbrügg. Auf diese Weise würde ein bisschen Druck vom Franken genommen werden, an den er jeden Tag, "auch am Wochenende" denke. Letztlich könne er, das Direktionsmitglied einer kleinen, aber sehr beweglichen Nationalbank mitten in Europa, nur eines sagen: "Wir warten es ab."

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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