Schweiz:Ein besonderer Schatzfund

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Zum Vermögen gehörte auch einmal eine Villa im mondänen Schweizer Wintersportort St.Moritz. (Foto: Christian Hartmann/Reuters)

Der Verantwortliche im Milliardenbetrug bei der Firma Flowtex hat seine Strafe abgesessen. Nun muss er erneut vor Gericht: In der Schweiz sollen veruntreute Gelder aufgetaucht sein.

Von Uwe Ritzer und Oliver Zihlmann, München/Bern

Fünfhundert Gäste ließen Manfred S. an seinem 50. Geburtstag hochleben, darunter der Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, Bankdirektoren, Kommunalpolitiker. Die Laudatio auf den Gastgeber hielt der frühere Ministerpräsident des Landes, Lothar Späth: "Solche Männer braucht das Land", sagte er. Acht Monate später wurde der vorbildliche Gastgeber festgenommen und einer der größten Betrugsfälle der deutschen Wirtschaftsgeschichte flog auf: Der Flowtex-Skandal.

Gut anderthalb Jahrzehnte später kocht er überraschend noch einmal auf: Vor einem Schweizer Gericht. In Frauenfeld im Kanton Thurgau müssen sich ab nächster Woche fünf Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Geldwäsche, Urkundenfälschung und Steuerbetrug verantworten. Darunter ist auch der Gastgeber von damals und Architekt des Flowtex-Betruges: Manfred S., 66, genannt "Big Manni".

In Deutschland saß er bereits mehrere Jahre wegen Betruges in 145 Fällen und gewerbsmäßigem Betrug in 97 Fällen im Gefängnis. Von den elfeinhalb Jahren Haft, zu denen ihn das Landgericht Mannheim verurteilt hatte, saß er bis 2007 zwei Drittel ab; der Rest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Seither resozialisiert er gewissermaßen. Der Spiegel machte "Big Manni" 2011 auf Mallorca aus, wo er "im nachtblauen Range Rover" umherkutschierte, angeblich auf schicken Yachten oder am Pool eines Luxusanwesens entspannte und in eleganten Restaurants speiste. Ein neues Leben, das sich von seinem alten kaum unterscheidet, als er noch als Liebling der politisch-wirtschaftlichen Elite Baden-Württembergs hofiert wurde. Dabei gründete sich der Reichtum von Manfred S. auf einen Milliardenbetrug. Seine Firma Flowtex verkaufte von 1991 bis 2001 insgesamt mehr als 3100 Spezialbohrgeräte (Stückpreis etwa 750 000 Euro), von denen die meisten gar nicht existierten. Gesamtschaden: 2,6 Milliarden Euro. Der Vorsitzende Richter am Mannheimer Landgericht sprach später in der Urteilsbegründung von einem "Schneeballsystem betrügerischen Ausmaßes", wie es von Umfang und Schaden her einmalig sei.

Dutzende Beschuldigte mussten sich strafrechtlich verantworten. Der Landtag in Stuttgart richtete einen Untersuchungsausschuss ein. Und weil er dort nicht die Wahrheit gesagt hatte, wurde ein Landesminister per Strafbefehl zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verdonnert. Strafrechtlich ist der Flowtex-Skandal hierzulande wohl aufgearbeitet, doch ein großer Teil des von "Big Manni" und seinen Komplizen ergaunerten Geldes blieb verschwunden.

Es geht um einen Edelstein, so groß wie ein Kronjuwel, vier Bilder von Chagall und mehr

Die Staatsanwaltschaft in Thurgau ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung und der Schweizer Sonntagszeitung überzeugt, zumindest einen Teil der Flowtex-Millionen gefunden zu haben. Sie klagt Manfred S., seine Ex-Frau, zwei weitere Familienmitglieder und einen Anwalt unter anderem wegen gewerbsmäßiger, Geldwäsche, Urkundenfälschung und Steuerbetrug an. Sie sollen einen wertvollen Schatz aus Kunstgegenständen, Schmuck und Immobilien angehäuft, in der Schweiz verkauft und so ein Millionenvermögen gewaschen haben. Darunter einen 51-Karat-Edelstein so groß wie ein Kronjuwel, vier Bilder von Marc Chagall, eine Yacht, eine Villa im Wert von 21 Millionen Schweizer Franken in St. Moritz, Goldringe und Colliers, besetzt mit Rubinen und Brillanten.

Es war wohl ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland, im Zuge dessen die Schweizer Behörden darauf stießen, dass die Ex-Frau des Flowtex-Architekten inzwischen in dem Land lebt, dort mit viel Geld hantiert und ein Teil des Betrugsvermögens bis heute fehlt. Am 22. Juni 2009 schlug die Schweizer Meldestelle für Geldwäsche (MROS) Alarm. Sie hatte die Verdachtsmeldung einer Großbank erhalten. Auf einem Konto der Ex-Frau von Manfred S. und der gemeinsamen Tochter habe es verdächtige Aktivitäten gegeben.

MROS beurteilte den Fall als schwerwiegend und leitete ihn an die Staatsanwaltschaft weiter. Diese eröffnete das Strafverfahren gegen die Familie S. Insgesamt sechs Jahre dauern die Ermittlungen, im Zuge derer die Staatsanwaltschaft in einer Bank Schmuck und Kunstwerke im Wert von weit über zehn Millionen Schweizer Franken beschlagnahmte.

Die Verteidigung setzt beim anstehenden Prozess unter anderem auf ein Teilurteil eines Schweizer Bezirksgerichtes in Meilen von vergangenem Juni. Dort kamen die Richter zum Schluss, dass die Frau zumindest die Villa in St. Moritz gar nicht an die deutschen Gläubiger hätte abtreten müssen, weil die deutschen Vertreter der Flowtex-Gläubiger mit dieser Forderung die Schweizer Souveränität verletzt hätten. Ob das schon ausreicht für einen Freispruch im Strafprozess, ist ungewiss. Entscheidend wird sein, ob die Richter den Schatz von Familie S. als illegale Mittel beurteilen. Dann würde deren Verkauf zur Geldwäsche - und die Familie hätte ein Problem.

Lebt Manfred S. immer noch von kriminellen Geldern? Vor dem Gericht in Meilen bestritt seine Ex-Frau, dass sie vermögend sei. Sie habe "keinerlei Erwerbseinkommen", gab ihr Anwalt zu Protokoll, sie habe teils nicht einmal Medikamente für ihre Kinder bezahlen können. Für den Prozess engagierten Manfred S. und seine Ex-Frau Anwälte aus besten Schweizer Kanzleien sowie einen ausgewiesenen Schadensersatz-Experten aus Deutschland. Der verhandelte bereits mit Gaddafi über die Wiedergutmachung von Terroranschlägen.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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