Schwan-Stabilo:Farben für Brasilien

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Bekannt ist Stabilo zwar für Schreibbedarf, verdient aber sein Geld längst auch mit anderen Produkten. (Foto: oh)

Der Stiftehersteller hat ein Problem: Produkte müssen schneller entwickelt, produziert und vermarktet werden. Dabei hilft dem Unternehmen ausgerechnet ein Klassiker.

Von Uwe Ritzer, Heroldsberg

Jeden Morgen informiert sich Sebastian Schwanhäußer über eine spezielle App auf seinem Smartphone, was Kunden über Produkte des Familienunternehmens geschrieben haben. "Wir wissen heute viel früher, was den Kunden gefällt und was für ihn relevant ist", sagt er. Die Schwan-Stabilo-Gruppe stellt Schreibgeräte her, beliefert die Kosmetikindustrie mit Kosmetikstiften und produziert Outdoor-Ausrüstung von der Wanderhose über Allwetterjacken bis zum Rucksack. Sich auf dieses verschärfte Tempo und zum Teil radikal veränderte Absatzmärkte einzustellen, bereitet dem Unternehmen schon länger Schwierigkeiten. Weshalb Sebastian Schwanhäußer den Antreiber gibt: "Wir müssen schneller werden."

Die Firmengruppe mit Sitz in Heroldsberg bei Nürnberg, die knapp 5000 Menschen beschäftigt, steckt in einem Umbau. In den vergangenen zwei Geschäftsjahren sank ihr Umsatz von 713,5 auf 662,5 Millionen Euro. "Damit sind wir natürlich nicht zufrieden", sagt Schwanhäußer, auch wenn man profitabel arbeite. Während sich die Outdoor-Sparte zuletzt einigermaßen stabil zeigte und der Umsatz mit Schreibgeräten im Ende Juni abgelaufenen Geschäftsjahr leicht um 0,9 Prozent wuchs, meldete ausgerechnet der mit Abstand größte Teilkonzern Kosmetik ein Minus von 7,4 Prozent. Binnen zwei Jahren sackten die Geschäfte dort um ein Fünftel ab. Auch für das laufende Jahr rechnet Schwanhäußer mit Rückgängen im Kosmetikgeschäft. Insgesamt allerdings soll die Firmengruppe wachsen, "was schon ein Erfolg wäre", sagte er. Auf genauere Prognose wollte er sich nicht festlegen.

Zu komplex und zu vielfältig sind die Schwierigkeiten, die Schwan-Stabilo plagen. Schwanhäußer hatte sich im Sommer aus dem operativen Geschäft auf den Posten des Vorstandschefs der übergeordneten Schwanhäußer Industrie Holding zurückgezogen. Nun übernahm er kürzlich in Personalunion die Leitung der Kosmetiksparte. Interimsweise, denn deren regulärer Geschäftsführer Jörg Karas gibt seinen Posten nach 20 Jahren im Unternehmen auf; der Manager wurde bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt und wolle sich ganz auf seine Genesung konzentrieren, hieß es. Bereits im Sommer gab Schwan-Stabilo bekannt, dass 200 Stellen in der Kosmetiksparte am Firmensitz Heroldsberg gestrichen werden, wo zuletzt auch einige Monate lang kurzgearbeitet wurde.

Anders als bei Schreibgeräten oder Outdoor-Ausrüstung verkauft Schwan-Stabilo im Kosmetikbereich keine eigenen Markenprodukte, sondern liefert Kosmetikkonzernen wie L'Oreal oder Chanel zu. Diese plagen sich mit radikalen Marktveränderungen, von denen Schwanhäußer eingesteht, dass auch sein Unternehmen sie "zu spät mitbekommen hat, weil man sich ein Stück weit zu sehr auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht hat". Gekennzeichnet sind diese Veränderungen durch drastisch kürzere Produktzyklen, ständig neuen Kosmetikherstellern, eine immer stärkere Individualisierung und Instagram-Influencern, also Menschen, die im sozialen Netzwerk sehr viele Follower haben und für Marken werben. Dauerte es bis vor nicht allzu langer Zeit Monate, bis ein neuer Farbstift für die Gesichtspflege auf den Markt kam, sei dies heute eine Sache weniger Wochen. Eine Konsequenz daraus: Schwan-Cosmetics weitet seine Produktpalette aus. Um den wichtigen US-Markt schneller beliefern zu können, wird Produktion von Heroldsberg in eine bereits bestehende Schwan-Kosmetikfabrik im US-Bundesstaat Tennessee verlagert.

Der Textmarker leuchtet nicht in Neon, sondern Pastell und ist ein Exportschlager

Entspannter ist für Schwan-Stabilo das Geschäft mit Schreibgeräten, das gut 195 Millionen Euro Umsatz einfuhr. Was Horst Brinkmann, Geschäftsführer des entsprechenden Teilkonzerns, auf cleveres Marketing und viele neue Produkte zurückführt. 20 Prozent des Sortiments ist neu; Renner sind vor allem die Textmarker "Boss" in Pastellfarben. Sie erweisen sich auch als Exportschlager, weshalb sich allein in Brasilien der Schreibgeräteabsatz verdoppelte. Brinkmanns Leute arbeiten bereits seit längerem eng mit Influencern zusammen, seinen Angaben zufolge werden bei Instagram wöchentlich 50 000 Fotos mit dem Hashtag #Stabilo hochgeladen.

Tempo aufgenommen habe auch die Outdoor-Sparte. Schwanhäußer sagte: "Das Sortiment alle drei Jahre einmal überarbeiten reicht nicht mehr aus." Mit dem Kauf der Ruck- und Schlafsackherstellers Deuter 2006 begann Schwan-Stabilo, sich neben Schreib- und Kosmetikstiften ein drittes, gänzlich anderes Standbein aufzubauen. Nach Deuter kauften die Franken die Bergsportmarke Ortovox, sowie die Hosenhersteller Maier Sports und Gonso hinzu. Insgesamt erwirtschaftete die Outdoor-Sparte im abgelaufenen Geschäftsjahr 168,3 Millionen Euro Umsatz. Auch dieser Markt verändert sich. Im vergangenen Jahr ist er erstmals seit vielen Jahren leicht geschrumpft, nachdem das Geschäft mit Ausrüstung und Allwetterbekleidung innerhalb der Sportartikelindustrie mit die höchsten Zuwächse aufwies. Besonders China ist interessant für Schwan-Stabilo: Der Outdoor-Markt dort boome und die olympischen Winterspiele 2022 in Peking würden diesen Trend noch verstärken.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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