Schröder attackiert Karstadt-Manager:"Versagen in seiner krassesten Form"

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Angesichts des drohenden Verlustes tausender Arbeitsplätze bei Karstadt wird der Ruf nach staatlichen Hilfen immer lauter. Derartige Forderungen wies Kanzler Schröder zurück und machte dem Handelskonzern stattdessen deutliche Vorwürfe.

Von Nina Bovensiepen, Elisabeth Dostert und Stefan Weber

Man könne die Verantwortung nicht bei der Politik abladen, die Sanierung des Konzerns müsse das Management leisten. Schröder sagte am Donnerstag in Berlin: "Es handelt sich um Managementversagen in seiner krassesten Form." Er sicherte aber die Hilfe der Bundesregierung bei der Abmilderung sozialer Folgen für die Beschäftigten zu.

Wegen Krisen-Sitzungen geschlossen: Karstadt-Kaufhaus. (Foto: Foto: dpa)

Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bekräftigte sein Engagement für die Rettung der von Auslagerung oder Streichung bedrohten Arbeitsplätze. Ein "Notpaket" für den Einzelhandel, wie es etwa FDP-Vize Rainer Brüderle gefordert hatte, werde es jedoch nicht geben.

Radikales Sanierungskonzept

Karstadt-Quelle hatte am Dienstag ein radikales Sanierungskonzept präsentiert, das unter anderem den Verkauf oder die Auslagerung von 77 der 181 Warenhäuser sowie der gut 300 Mode- und Sport-Fachgeschäfte vorsieht.

Nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi sind bis zu 28.000 Stellen durch Personalabbau, Auslagerung oder Verkäufe von Filialen betroffen. In Berlin hieß es, die Regierung sei von dem Ausmaß der geplanten Einschnitte überrascht worden.

Darüber herrsche eine gewisse Verärgerung, da dem Aufsichtsratschef des Konzerns, Thomas Middelhoff, gute Kontakte zur Regierung nachgesagt werden.

Clement: "Notpaket nicht seriös"

Wirtschaftsminister Clement hatte am Mittwoch Hilfen für eine arbeitnehmerfreundliche Sanierung des mit hohen Verlusten kämpfenden Unternehmens zugesagt. Forderungen nach einem Notpaket für die ganze Branche bezeichnete der Minister jedoch als nicht seriös.

Auch eine finanzielle Unterstützung von Karstadt-Quelle mit öffentlichen Mitteln komme nicht in Frage. Er wolle jedoch informiert werden, bevor womöglich tausende Mitarbeiter entlassen würden. Dann werde man prüfen, inwieweit die Möglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit genutzt werden könnten, um den Stellenabbau schonend zu gestalten.

Das Management des angeschlagenen Konzerns will am Montag mit den Arbeitnehmervertretern Gespräche über eine Umsetzung der Sanierung führen. Bis Ende Oktober soll eine Lösung erzielt werden. "Es muss jetzt schnell gehen", sagte ein Sprecher. Kündigungen sollen möglichst noch in diesem Jahr ausgesprochen werden.

Der deutsche Einzelhandel leide unter erheblichen Überkapazitäten, sagte James Bacos, Handelsexperte der Unternehmensberatung Mercer Management Consulting der Süddeutschen Zeitung.

Große Probleme haben vor allem traditionelle Anbieter wie Karstadt-Quelle, "die den Durchschnittsdeutschen als Zielkunden haben und ein durchschnittliches Angebot zu einem durchschnittlichen Preis mit einem durchschnittlichen Einkaufserlebnis bieten. All zu viele Händler sind nur Durchschnitt." Der Verbraucher wolle aber nicht als Durchschnitt behandelt werden, erläutert Bacos die Misere.

"..,weil die Einkommen nicht wachsen."

Der Umsatz im deutschen Einzelhandel sei in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr gewachsen, "weil die Einkommen nicht wachsen", sagt Ulrich Eggert, Geschäftsführer der Kölner Unternehmensberatung BBE.

Besonders schlecht laufen Textilien. Auch in den nächsten fünf Jahren sei nicht mit höheren Umsätzen im Einzelhandel zu rechnen. Wirtschaftskrise und die öffentliche Diskussion um die künftige Altersvorsorge hätten die Verbraucher tief verunsichert. Sie möchten möglichst preiswert einkaufen, um sparen zu können.

Dinge des täglichen Bedarfs werden beim Discounter besorgt. "Der Mensch ist in sich gespalten", beobachtet Eggert: "Einkaufen bei Aldi und abends ins Sterne-Restaurant." Das gelte insbesondere für Bezieher mittlerer Einkommen.

Weder preiswert noch luxuriös

Zu Warenhauskonzernen wie Karstadt-Quelle, aber auch Kaufhof führe kein Weg mehr, denn die böten weder besonders preiswerte noch luxuriöse Waren. "Die Mitte will der Verbraucher nicht mehr. Die großen Konsumtempel sind out.", sagt Eggert.

Das alte Konzept, ein breites Warensortiment unter einem Dach in einer mittleren Preislage zu bieten, funktioniere nicht mehr. "Karstadt-Quelle sitzt auf dem falschen Topf."

Das Problem, wie Karstadt sich gegen die Vielzahl fokussierter Anbieter profilieren könne, sei mit dem vorgelegten Sanierungsplan nicht gelöst, urteilt Bacos. "Die Antwort auf die Frage, ob und wie man mit einem solchen Handelsformat erfolgreich sein kann, bleibt offen."

© SZ vom 01.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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