Schnäppchenparadiese:Outlet ante portas

Lesezeit: 4 min

Flaniermeile des Ingolstadt Village: In dem Center gibt es mehr als 100 Geschäfte und zahlreiche Restaurants. Nicht überall finden die Bürger so etwas gut, wie die Stimmung in Duisburg zeigt. (Foto: Johannes Simon)

In Outlet-Centern am Stadtrand gibt es trendige Marken zu günstigen Preisen. Einzelhändler sehen sie als Bedrohung, Kommunen wollen damit ihre Innenstädte retten. Doch das klappt nicht überall.

Von Nikola Noske, München

Vor den Toren deutscher Städte schießen sie aus dem Boden: 14 Outlet-Center gibt es bisher in Deutschland, weitere 16 sind in Planung. Viele Kommunen hoffen, dass die Schnäppchenparadiese mit trendigen Marken am Ortsrand auch die Innenstädte wieder beleben, indem sie den Standort für Touristen attraktiver machen. Doch die Auswirkungen der Outlets sind umstritten. Der Einzelhandel sorgt sich um sein Geschäft. In Duisburg stimmen an diesem Wochenende sogar die Bürger darüber ab, ob am Rande der Stadt ein neues Outlet-Center entstehen soll . Solche Befürchtungen gibt es nicht nur in Duisburg. Viele Bürger glauben, dass ein Outlet das Aussterben der Innenstadt noch beschleunigen könnte.

Dass das nicht passieren muss, zeigt die Kleinstadt Bad Münstereifel in Nordrhein-Westfalen: Das Outlet-Center ist dort in die Altstadt integriert. Alte Traditionscafés reihen sich an moderne Geschäfte, auf deren Sonnensegeln das Logo des Outlets prangt. Obwohl das Outlet 14 000 Quadratmeter der Altstadt einnimmt, fällt es kaum auf. Das mittelalterliche Flair der Stadt dominiert. Die malerische Mischung scheint bei den Kunden anzukommen: Allein am vergangenen Sonntag, einem verkaufsoffenen, besuchten das Outlet 15 000 Gäste.

Ein Outlet strahlt weit über den Ort hinaus. Bis zu 90 Minuten Fahrzeit Kunden Gäste in Kauf

Vor wenigen Jahren wären solche Besucherzahlen für Bad Münstereifel noch undenkbar gewesen. Seit der Gesundheitsreform von 2003 bezahlen die Krankenkassen die Kuraufenthalte in den Kneipp-Heilbädern nicht mehr, für die die Stadt bekannt ist. Der Tourismus brach zusammen. Die Zahl der Besucher sank von drei Millionen auf unter eine Million pro Jahr. Immer mehr Läden mussten schließen, irgendwann standen 80 Prozent der Geschäfte leer. Das änderte sich mit der Eröffnung des City Outlets im August 2014. Drei Investoren aus der Region kauften die leer stehenden Läden auf und ließen Stores einbauen. 2016 kamen wieder 2,4 Millionen Besucher nach Bad Münstereifel.

Doch auch dort stößt das Outlet nicht nur auf Zuspruch. "Was viele stört: Als das Center bereits geplant war, hat die Stadt die Bürger zwar darüber in Kenntnis gesetzt, sie aber nicht in die Planung einbezogen", sagt Thomas Mütter, der eine Buchhandlung in der Altstadt betreibt. Viele Bürger hätten zwar versucht, Vorschläge für die Umsetzung einzubringen. Diese seien von der Stadt aber nicht beherzigt worden.

Hendrik Schröder, Professor am Lehrstuhl für Marketing und Handel an der Universität Duisburg-Essen, sieht den Outlet-Hype ebenfalls kritisch. Dass Outlet-Center eine Gefahr für den Einzelhandel darstellten, sei selbstverständlich. Es gehe immerhin um Wettbewerb. "Der Kunde entscheidet, wo er einkauft, und da stellen Outlet-Center eine Konkurrenz für den übrigen Einzelhandel dar." Ob ein Outlet-Center für eine Stadt von Vorteil sei, hänge von vielen Faktoren ab. Letztlich sei die Kaufkraft des Standorts ausschlaggebend und auch, ob es in der Umgebung konkurrierende Outlets gebe. Zudem lockten die Outlet-Center die Kunden nicht automatisch in die nahe gelegenen Städte. Die meisten Zentren hätten ein so großes Angebot an Geschäften und Gastronomie, dass es sich für die Touristen nicht lohne, anschließend noch in die Stadt zu fahren. Liegt das Outlet-Center dagegen in der Innenstadt, können traditionelle Geschäfte eher davon profitieren.

Viele Städte versuchen daher, das Prinzip von Bad Münstereifel nachzuahmen. Doch damit ein solches Outlet funktioniert, müssen viele Voraussetzungen erfüllt sein. Die Stadt muss gut erreichbar und auch sonst für Touristen attraktiv sein. Zudem muss es genug leer stehende Geschäfte geben, in die Stores einziehen könnten. Und nicht zuletzt müssen sich Investoren mit regionaler Verwurzelung finden, um das Outlet zu finanzieren. Institutionellen Investoren und großen Banken sind solche Projekte meist zu riskant.

"Bad Münstereifel liegt direkt an der Autobahn, da funktioniert ein solches Outlet, aber das ist nicht auf jede Stadt übertragbar", erklärt Joachim Will, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Ecostra. Doch auch Outlet-Center vor den Toren der Stadt könnten für ihren Standort von Vorteil sein. Will beruft sich auf Erfahrungswerte. Bisher habe ein Outlet nirgendwo die negativen Auswirkungen gehabt, die der Einzelhandel befürchtet habe. Dass wegen eines Outlets Geschäfte schließen mussten, habe es bisher nur in Zweibrücken gegeben. Die saarländische Stadt liege nicht gerade in einem wirtschaftlich prosperierenden Raum und habe schon davor mit dem demografischen Wandel zu kämpfen gehabt. "Dementsprechend stand es um den Einzelhandel", sagt Will. Nachdem das Outlet gebaut war, schloss das Sportschuhgeschäft der Stadt. Denn in dem Center waren große Sportmarken wie Adidas und Nike mit Shops vertreten. "Der Betreiber hat dann aber selbst einen Store im Outlet eröffnet", sagt Heinz Braun von der Stadt Zweibrücken.

Outlet und Innenstadt können sich auch gegenseitig befruchten. In Neumünster in Schleswig-Holstein wurde sogar ein Einkaufszentrum eröffnet, während vor der Stadt ein Outlet entstand. Die Outlet-Kunden seien anders als die Kunden in der Stadt, erklärt ECE, der Betreiber des Einkaufszentrums. Und da das Outlet ein größeres Einzugsgebiet habe, bringe es mehr Kunden als vorher in die Stadt.

Ein Outlet könne seinen Standort bekannter machen, bekräftigt Marktforscher Will. Als Beispiel nennt er das Outlet Parndorf in Österreich. "Der Ort hat nicht mal 5000 Einwohner, wegen des Outlets kennt ihn in Österreich aber jedes Kind." Auch seien Outlet-Center wahre Magneten für Kunden. Bis zu 90 Minuten Fahrzeit nehmen sie für einen Besuch auf sich.

Aber nicht nur der Tourismus kann Geld in die Kassen der Städte spülen: Durch die Center entstehen neue Arbeitsplätze. Der Zuzug von Beschäftigten bringe dem Einzelhandel in den Städten wiederum höhere Umsätze, sagt Marktforscher Will. Auch die Steuereinnahmen stiegen: Die Umsätze der Stores würden zwar am Sitz der Unternehmen versteuert, doch ein Teil der Grunderwerbsteuer gehe an die Stadt.

Der deutsche Markt biete für Outlets großes Potenzial, sagt Will. "Deutsche Kunden haben eine hohe Kaufkraft und kaufen gerne Marken, sie legen aber auch Wert auf günstige Produkte." In anderen Ländern Europas seien Outlets schon weiter verbreitet. Das liege an der starken Position des Einzelhandels in Deutschland und dem strengen Planungsrecht. Doch der aktuelle Outlet-Trend in Deutschland stoße irgendwann auch an Grenzen. Ecostra geht davon aus, dass der Markt mit maximal 30 Centern gesättigt ist.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: