Schmiergeldskandal bei Siemens:Manager boykottieren Aufklärung

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Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme will durchgreifen: Wenn es um die Aufklärung des Schmiergeldskandals geht, halten sich viele Manager nicht an das Motto des neuen Konzernchefs Peter Löscher. Das lautet: "Tempo, Tempo, Tempo"

Klaus Ott

Kaum hat der neue Vorstandschef Peter Löscher begonnen, Siemens umzubauen und für die Zukunft fit zu machen, wird der Technologie-Konzern von der Vergangenheit eingeholt.

Zahlreiche Manager halten sich ausgerechnet bei der Aufklärung des Skandals um schwarze Kassen und weltweite Schmiergeldzahlungen nicht an Löschers Motto "Tempo, Tempo, Tempo".

Die vom Konzern mit internen Ermittlungen beauftragte US-Kanzlei Debevoise & Plimpton berichtete dem Aufsichtsrat, Führungskräfte in zahlreichen Landesgesellschaften von Siemens blockierten die Untersuchungen. Diese Manager erklärten beispielsweise, sie hätten keine Zeit für die von Debevoise geplanten Befragungen.

Nach Angaben aus dem Kontrollgremium nannten die Debevoise-Anwälte bei der Sitzung am Mittwoch in München jedes einzelne Land, in dem die Aufklärung erschwert werde.

Österreich und Griechenland unter den kritisierten Ländern

Aus Europa seien Österreich, Griechenland und Belgien dabei gewesen. Hinzu kämen zahlreiche Länder aus Afrika und Asien. Das sei eine lange Liste gewesen.

Ein Aufsichtsrat nannte es besonders bestürzend, dass Führungskräfte in Österreich und Griechenland die Vergehen vertuschen wollten. Das seien "Drehscheiben" für die illegalen Aktionen gewesen.

Aufsichtsratschef Cromme sagte nach Angaben von Sitzungsteilnehmern sinngemäß, er werde dieses Verhalten nicht hinnehmen, sondern durchgreifen.

Mehrere Mitglieder des Kontrollgremiums sagten der Süddeutschen Zeitung, auch der neue Konzernchef Löscher sei nun gefordert. Er müsse die Widerstände gegen die Untersuchungen brechen und dafür sorgen, dass der Skandal so rasch und so umfassend wie möglich aufgeklärt werde.

Siemens: "An voller Transparenz interessiert"

Siemens äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Details aus der Aufsichtsratssitzung. Ein Konzernsprecher erklärte, man sei an einer "vollen Transparenz" interessiert. Darauf hätten Cromme und Löscher wiederholt hingewiesen.

Im Aufsichtsrat wird befürchtet, die US-Börsenaufsicht SEC könnte besonders drastische Strafen gegen Siemens verhängen, falls die Arbeit von Debevoise weiter blockiert werde. Dann könnten "dramatische Geldbußen" in Höhe von mehreren Milliarden Euro fällig sein. Der Konzern ist mit seinen Aktien an der New Yorker Börse notiert und unterliegt deshalb auch den Regeln der SEC.

Mit der Einschaltung von Debevoise wollte Siemens beweisen, dass man die vor einem dreiviertel Jahr bekannt gewordenen Korruptionsdelikte selbst aufklären könne.

Die Debevoise-Ermittler berichten der SEC über ihre Erkenntnisse. "Wenn Debevoise nicht vorankommt, dann schicken uns die SEC und das US-Justizministerium amerikanische Staatsanwälte ins Haus", verlautete aus dem Aufsichtsrat. Im schlimmsten Fall könne Siemens in der USA von staatlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Ernst der Lage noch nicht erkannt

Dann werde man dort auch kaum noch Aufträge mehr von privaten Unternehmen bekommen. In etlichen Landesgesellschaften von Siemens habe man offenbar den Ernst der Lage noch nicht erkannt.

Trotz der Blockade ist Debevoise offenbar nun auch in der Kraftwerkssparte auf schwarze Kassen gestoßen. Nach Angaben aus dem Aufsichtsrat berichteten die US-Juristen von Konten in Liechtenstein, über die deutlich mehr als 100 Millionen Euro geschleust worden sein sollen.

Bislang waren Schwarzgeldkonten in einer solchen Größenordnung nur in den früheren Sparte Telekommunikation bekannt geworden.

© SZ vom 27.07.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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