Schmiergeld-Skandal:Siemens im Zwielicht

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Schwarze Kassen, verhaftete Manager: Die Finanzaffäre wird für den Konzern zum Offenbarungseid.

Markus Balser

Die jüngsten Vorwürfe in der Korruptionsaffäre um den Technologiekonzern Siemens verleihen dem Fall eine neue Dimension. "Halte dich an Recht und Gesetz!", so lautet die Botschaft der Unternehmensrichtlinien, auf die Siemens jeden Mitarbeiter verpflichtet. Soweit die Theorie.

Ein internationales Finanzsystem schwarzer Kassen, durch das Hunderte Millionen Euro geflossen sein sollen, Konten in der Schweiz, inhaftierte Spitzenmanager und Verdacht auf Bestechung. Das scheint in den vergangenen Jahren die Praxis gewesen zu sein. Und nun gibt es auch noch Hinweise darauf, dass selbst ein Mitglied des inneren Machtzentrums, des Zentralvorstands, in die Affäre verstrickt sein könnte.

Für das Unternehmen und seine Führung wird der Fall zum Offenbarungseid. Das deutsche Vorzeigeunternehmen steht plötzlich als Hort fragwürdiger Geschäfte da. Die Frage stellt sich, wie eine ganze Gruppe hochrangiger Manager jahrelang anscheinend unbehelligt ihr Unwesen treiben konnte. Der defensive Umgang des Unternehmens mit der Affäre gibt viele Rätsel auf. So wusste Siemens früh von den Ermittlungen der schweizerischen Staatsanwaltschaft.

Doch der Konzern hielt es trotz eigener Nachforschungen nicht für nötig, deutsche Strafverfolger einzuschalten. Stattdessen trennte er sich in diesem Frühjahr geräuschlos von einer Führungskraft, die in die Sache verstrickt war. Der Verdacht drängt sich nun auf, dass der Fall unter den Teppich gekehrt werden sollte.

Korruption wird immer noch als Kavaliersdelikt gesehen

Einer der größten deutschen Konzerne wird von einem Skandal erschüttert, der seinesgleichen sucht. Die Konzernführung unter Vorstandschef Klaus Kleinfeld bringt das in große Erklärungsnot. Wer wusste alles von den dubiosen Machenschaften? Wurden wohlfeile ethische Grundsätze formuliert, obwohl die Unternehmenskultur eine ganz andere war?

Die Folgen des Falls reichen indes weit über Siemens hinaus. Denn die Enthüllungen in der Affäre machen ein gravierendes Problem nicht nur in der deutschen Wirtschaft deutlich: In Firmen gilt Korruption im Ausland offenbar noch immer als Kavaliersdelikt oder notwendiges Übel. Auch andere Unternehmen, die Exporterfolge haben, kämpfen gegen ähnliche Vorwürfe.

Vor allem jene Konzerne tauchen in der Schmiergeldstatistik weit oben auf, die an Großprojekten wie Kraftwerken, Staudämmen oder Flughäfen beteiligt sind. Bis 1999 war Bestechung außerhalb der Landesgrenze nicht einmal strafbar. Die Zahlungen konnten Konzerne hierzulande als "Betriebsausgabe" von der Steuer absetzen.

Die Affäre wird Siemens über Jahre beschäftigen

Aus gutem Grund sagen die Staatsanwaltschaften der Korruption derzeit verstärkt den Kampf an. Schmiergelder mögen die Geschäfte mancher Multis ölen, für die zumeist betroffenen Volkswirtschaften in Afrika, Asien, Osteuropa und Lateinamerika haben sie jedoch verheerende Konsequenzen. Bestechung und Bakschisch sind Sand im Getriebe beim Versuch, der Armut zu entkommen. Korruption fördert die organisierte Kriminalität, unterminiert die Demokratie und behindert wirtschaftliches Wachstum.

In afrikanischen Staaten hat sie schon zu einer massiven Kapitalflucht geführt. Nach Angaben der Vereinten Nationen kommen Investitionen in korrupten Staaten um 20 Prozent teurer.

Die Großrazzia der Strafverfolger in der vergangenen Woche an verschiedenen Siemens-Standorten macht deutlich, dass die Staatsanwaltschaft in München im Fall Siemens eine härtere Gangart gegen Korruption an den Tag legt als Strafverfolger in vergleichbaren Fällen zuvor. Schon jetzt ist absehbar, dass die Affäre das Unternehmen noch über Jahre beschäftigen wird.

Die Ermittlungen in München zeigen aber auch klar: Deutsche Firmen werden sich bei Geschäften im Ausland grundlegend umstellen müssen. Die neue Aufmerksamkeit der Behörden wird manchen Auftrag im Ausland kosten.

© SZ vom 25.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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