Sche­kel:Starkes Stück

Lesezeit: 3 min

Blick auf Tel Aviv: Die Nachfrage im Land schwächelt. (Foto: Oded Balilty/AP)

Die Landeswährung belastet Israels Industrie. Der teure Schekel macht Produkte aus Israel für das Ausland weniger attraktiv.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Angela Merkel ist ihr Vorbild: Der Verband der israelischen Industrie hat Plakate mit dem Porträtbild der deutschen Bundeskanzlerin entlang der Tel Aviver Stadtautobahn Ayalon aufgestellt. Es tauchen auch der französische Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump auf. Die Botschaft dazu: Diese Politiker setzen sich für die Industrien ihrer Länder ein. Das verlangen die Unternehmer auch von den israelischen Politikern, die sich mitten im Wahlkampf vor der Parlamentswahl am 17. September befinden. Ihre Botschaft richtet sich aber auch an die israelische Zentralbank und ihren noch neuen Chef, Amir Yaron. Die Vertreter der Industrie fordern eine Intervention der Zentralbank. Denn die israelische Wirtschaft leidet unter der Stärke des Schekels, der in diesem Sommer neue Höhen erklimmt.

Der Euro hat gegenüber dem Schekel seit Jahresbeginn 7,5 Prozent an Wert eingebüßt, der US-Dollar 5,5 Prozent und der Schweizer Franken sechs Prozent. Das britische Pfund ist sogar auf 25-Jahres-Tief gefallen. Die Stärke der eigenen Währung macht die ohnehin schon schwierige Lage der israelischen Produzenten nicht gerade einfacher. Denn auch die Landsleute halten sich mit Käufen zurück. Touristen aus Israel kehren mit vollen Taschen von ihren Urlaubsreisen zurück, die meisten Produkte sind im Ausland billiger. Damit schwächelte auch die Nachfrage im Land. Wie zu Wochenbeginn veröffentlichte Zahlen des Statistikbüros zeigen, ist der private Konsum im zweiten Quartal im Vergleich zum Jahresbeginn um 1,3 Prozent zurückgegangen.

Außer den Währungsentwicklungen und der geringen Kauflaune ihrer Landsleute machen den exportabhängigen Unternehmen in Israel auch die jüngsten Spannungen zwischen den USA und China zu schaffen. Die beiden Staaten sind Israels wichtigste Handelspartner. Als kleines Land mit neun Millionen Einwohner und einer offenen Wirtschaft ist Israel besonders anfällig für globale Turbulenzen.

In den vergangenen Jahren hatte Israel robuste Wachstumsraten, im vergangenen Jahr lag der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts bei 3,3 Prozent. Im ersten Quartal gab es sogar noch einen Sprung auf 4,7 Prozent, dem nun die Ernüchterung folgt. Deutlich stärker als von Experten erwartet schwächte sich das Wachstum im zweiten Quartal auf ein Prozent ab. Die Exporte von Gütern und Dienstleistungen sind von 9,9 im ersten auf 2,8 Prozent im zweiten Quartal zurückgegangen. Experten sehen noch keinen Grund für eine Alarmstimmung, aber Warnzeichen. Denn die erwartete Hängepartie nach der Wahl im September bis zur Bildung einer neuen Regierung dürfte ebenfalls das Konjunkturklima verschlechtern.

Die Vertreter von Industrie und produzierendem Gewerbe sehen sich schon seit Längerem von der heimischen Politik vernachlässigt und auf der Schattenseite einer Entwicklung, in dessen Glanz sich auch Israels Politik sonnt. Das kleine Land hat es geschafft, mit seiner höchst lebendigen Start-up-Szene als Konkurrenz zum Silicon Valley in den USA wahrgenommen zu werden. Dahinter steckt aber auch die Politik, die auf diese neuen Technologien setzt, statt traditionelle Industriebetriebe zu fördern. Der Stellenwert der Industrie nimmt seit Jahren ab. Der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt beträgt noch 13,4 Prozent. Vor zwanzig Jahren war es 20 Prozent.

Programmieren, forschen, entwickeln: Das ist nun wichtiger für die Wirtschaftsleistung

Der Paradigmenwechsel zeigt sich auch in der Exportstatistik. Erstmals übersteigen in diesem Jahr die Ausfuhren von Dienstleistungen jene von Gütern. Bisher wurden vor allem pharmazeutische Produkte, Medizintechnik und elektronische Geräte exportiert. Zu den Dienstleistungen zählen Produkte aus dem Hightech-Bereich wie Software und Leistungen im Bereich Forschung und Entwicklung. Ihre Ausfuhr ist im Regelfall einfacher, weil sie nicht das in Israel komplizierte Procedere im Zollbereich und Sicherheitschecks in Häfen oder Airports durchlaufen müssen. Jede Verzögerung wirkt sich auf die Produktions- und Lieferkette aus. Außerdem ist der Servicesektor nicht auf den Import von Rohstoffen angewiesen, weil vor allem Programmierarbeit in ihren Produkten steckt.

Es drängen auch immer mehr Arbeitskräfte in den Hightechsektor, weil dort höhere Löhne gezahlt werden. Im Vergleich zum Jahr 2003 sind die Gehälter im Techbereich in Israel um durchschnittlich 57 Prozent gestiegen, während der durchschnittliche Verdienst lediglich um 40 Prozent zugelegt hat. Im Servicebereich ist auch die Produktivität höher.

Auch wenn Wahlkampf herrscht: Israels Politik will Forderungen nach Importquoten und Wechselkursinterventionen nicht nachgeben und setzt weiter auf Hightech statt auf klassische Industrieprodukte. Die Plakatkampagne wird daran nichts ändern.

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: