Sachsen:Tonstörung

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Die Sanierung der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meissen kostet das Land viel Geld. Ein interner Bericht belastet nun den Finanzminister schwer.

Von Steffen Uhlmann, Meißen

Sachsens Finanzminister Georg Unland,62, tut sich schwer mit der Öffentlichkeit. Bei offiziellen Gruppenfotos stellt sich der gebürtige Münsterländer gern in die letzte Reihe. Und auch privat ist er lieber abseits der Trampelpfade unterwegs. Urlaub mit der Familie mache er am liebsten in Regionen, wo andere kaum hinfahren würden - um dort in aller Stille nach seltenen Mineralien zu suchen, wie er einmal verriet. Dass Unland darüber überhaupt gesprochen hat, gilt als kleine Sensation im Freistaat. Der CDU-Politiker ist Journalisten gegenüber sonst eher verschlossen, Interviewwünsche lehnt er meist ab, weshalb ihm die sächsische Landespressekonferenz Anfang des Jahres denn auch den Preis "Tonstörung 2016" verlieh: Unland sei der "unkommunikativste Minister" im Freistaat.

Dabei würde man ihn gern befragen, etwa zu den Vorgängen bei der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meissen (SPM). Dort hat das ehrgeizige Expansionskonzept des damaligen Geschäftsführers Christian Kurtzke - er verließ das Unternehmen Anfang 2015 - den Freistaat viel Geld gekostet. Nun aber kommt ein interner Bericht an den Aufsichtsrat, der der SZ vorliegt, zu dem Schluss, dass nicht etwa Kurtzke, sondern vor allem das Agieren des für die Manufaktur zuständigen Ministers das wirtschaftliche Desaster heraufbeschworen habe. So habe Unland dem Bericht zufolge eine bremsende "Salami-Taktik" betrieben. Finanzierungsmittel seien nur nach langem Zögern und auch dann nur scheibchenweise ausgereicht worden. Schlimmer noch: Das Finanzministerium habe auf diese Weise den nötigen Kurswechsel der Manufaktur verhindert.

Fertigung von Porzellanfiguren: Meissen ist nicht nur die älteste, sondern auch mit Abstand die größte Porzellanmanufaktur in Deutschland. (Foto: PA/Keystone)

Der Plan, Meissen zur Luxusmarke auszubauen, scheiterte grandios

"Gott sei Dank", sagen jene, die Kurtzkes Expansionskurs mit Argwohn beobachtet hatten. Sie verweisen dabei auf die desaströse Manufaktur-Bilanz der letzten beiden Jahre. Anfang Juli wurde bekannt, dass das Unternehmen auch 2015, dem ersten Jahr unter der Regentschaft des neuen Geschäftsführers Tillmann Blaschke, einen Verlust von gut zwölf Millionen Euro auswies. Und das bei einem Umsatz von 40 Millionen Euro. Aus Blaschkes Sicht dennoch ein Erfolg, schließlich hatte ihm Vorgänger Kurtzke für das Jahr zuvor bei kaum größerem Umsatz noch ein Minus von fast 20 Millionen Euro hinterlassen. Blaschke sieht jetzt für Meissen eine sichere Zukunft - wenn sich die Manufaktur wieder auf ihr Kerngeschäft konzentriere.

Das könnte schwierig werden: Denn gerade das Porzellangeschäft kriselt seit Jahren. Nicht nur Meissen, sondern auch alle anderen namhaften Manufakturen schreiben deshalb Verluste. Nur: Bei Meissen sind die Dimensionen etwas größer. Sie ist mit ihrer über 300-jährigen Tradition nicht nur die Älteste, sondern mit mehr als 600 Beschäftigten auch die mit Abstand größte deutsche Porzellanmanufaktur.

Als Kurtzke 2008 bei Meissen anheuerte, wollte er nicht kleckern, sondern klotzen. Mit einen Konzept, das manche in Kultur und Politik in Sachsen in Aufregung versetzte. Kurtzke wollte aus der Porzellanmanufaktur ein weltweit agierendes Luxusunternehmen machen, das unter der Dachmarke Meissen Couture neben Porzellan auch Mode, Schmuck und Möbel vertreibt. Zahlen machten die Runde: 300 Millionen Euro würden in Summe gebraucht, um Meissen bis 2020 in den Kosmos von Gucci, Escada oder Bulgari zu befördern.

Viel Geld, viel Risiko - es ist anzunehmen, dass Finanzminister Unland von dieser Strategie nicht begeistert war. Erst konsolidieren, dann expandieren, das wäre mehr seine Linie gewesen. Schließlich hatte er das Drama rund um die SachsenLB erlebt, deren Notverkauf den Freistaat bisher 1,5 Milliarden Euro gekostet hat - weitere Zahlungen nicht ausgeschlossen.

Und doch erhielt Kurtzkes Wachstumsstrategie für die Manufaktur zunächst die Zustimmung der Gesellschaftervertreter aus dem sächsischen Finanzministerium. Auch, weil der Manager mit Kurt Biedenkopf einen einflussstarken Förderer an seiner Seite hatte. Der frühere Ministerpräsident des Landes, Spitzname "König Kurt", war auch nach dem Ende seiner Politikerkarriere Aufsichtsratsvorsitzender der Staatlichen Manufaktur geblieben - im September 2015 trat er zurück.

Kritiker machen Kurtzke und Biedenkopf für das SPM-Desaster verantwortlich. Sie hätten den teuren Ausflug in die Luxuswelt gestartet und darüber das traditionelle Kerngeschäft vernachlässigt, so der Vorwurf, der von den beiden Beschuldigten vehement zurückgewiesen wird. Richtig aber ist, dass der Kurs immer wieder frisches Geld erforderlich machte. So hatte der Freistaat 2014, dem letzten vollen Kurtzke-Jahr, Kredite in Höhe von knapp zehn Millionen Euro ausreichen müssen. Schon im Jahr zuvor war für den Fortgang bei Meissen ein Darlehen von 12,2 Millionen Euro fällig geworden.

Georg Unland, 62, ist seit 2008 Finanzminister in Sachsen. Der CDU-Politiker und promovierte Maschinenbauer hat zunächst in Wirtschaft und Wissenschaft Karriere gemacht. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Dass Unland die Wachstumsstrategie nicht passte, zeigte sich zum Jahreswechsel 2013/2014. Damals kam es zum Eklat, der sich in den Folgemonaten weiter verschärfen sollte. Das nach intensiven Verhandlungen unterschriftsreifes Joint Venture mit einem chinesischen Importhaus für Luxusgüter, das der SPM ab 2014 zunächst über sieben Jahre hinweg Millioneneinnahmen garantiert und den Zugang zu absatzträchtigen Märkten eröffnet hätte, ließ der Minister platzen.

Die neue Strategie: Konzentration auf das Kerngeschäft

Ähnlich ging es weiter: Am 7. Februar 2014 fand unter dem Codewort "Apollo" im Finanzministerium unter Leitung von Unlands Staatssekretär Hansjörg König eine Sitzung zur SPM-Strategie statt, von der weder Kurtzke noch Biedenkopf informiert wurden. Das Treffen, an dem zwei Mitarbeiter aus dem Finanzministerium, drei externe Wirtschaftsberater sowie Klaus Hipp, der kaufmännische Geschäftsführer von Meissen, teilnahmen, kam laut Protokoll zu dem Fazit: Es sollte keine weiteren Beihilfen zur Expansion mehr geben. Das Geld solle stattdessen für eine Restrukturierung verwendet werden. Die Basis für diese Gegenstrategie bildete eine von Hipp erstellte Risikoanalyse, in der er notwendige Rückstellungen von bis zu 50 Millionen Euro und mehr prognostizierte.

Für Unland war dies eine willkommenen Argumentationshilfe. Er weigere sich, "gutes Geld, schlechtem Geld nachzuwerfen", ließ er Biedenkopf wissen und machte klar, dass er Meissen ab sofort nicht mehr als Expansions-, sondern als einen von der Insolvenz bedrohten Sanierungsfall behandeln wolle. Statt um Darlehen ging es fortan um "Überbrückungshilfen". Statt von Wachstum war von der aus dem Insolvenzrecht entliehenen "Fortführungsprognose" die Rede.

Aber auch die Konzentration auf das Kerngeschäft Porzellan, die der neue Geschäftsführer Blaschke vorantreibt, kostet den Finanzminister Geld. So wurde eine mit einem zweistelligen Millionenbetrag dotierte Stiftung gegründet, mit deren Hilfe der Staatsbetrieb unter neuer Führung endlich auf solide finanzielle Füße gestellt werden soll. Unter anderem kauft die Stiftung nun der Manufaktur deren alte Formen, Dekore und Museumsstücke ab. Die Gelder aus der Stiftung dürften nach internen Berechnungen bis Ende 2018 ausreichen, weiter auflaufende Defizite auszugleichen und den Kurswechsel der Manufaktur zurück zu ihren Wurzeln finanziell sicherzustellen - Ausgang offen.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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