Ringen um Euronext:Deutsche Börse bringt große Opfer

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Um die New York Stock Exchange im Fusionspoker um die Vierländerbörse Euronext doch noch auszustechen, bessert die Deutsche Börse ihr bisheriges Angebot kräftig auf. Sogar zur Aufgabe des Hauptsitzes Frankfurt und des Handelssystems Xetra ist sie bereit.

Helga Einecke und Martin Hesse

Im Fusionspoker um die Vierländerbörse Euronext hat die Deutsche Börse ein neues Angebot vorgelegt. Darin verzichtet sie auf Frankfurt als alleinigen Hauptsitz, das Aktiensystem Xetra und räumt den Plätzen Paris und Amsterdam dominierende Positionen ein. Mehr Geld bietet sie jedoch nicht an.

Im Gerangel um Euronext legt die Deutsche Börse jetzt nach. (Foto: Foto: AFP)

Der veränderte Fusionsvorschlag wurde am Montagabend im Anschluss an eine Sitzung des Aufsichtsrats unterbreitet. "Die einmalige Chance auf eine europäische Lösung darf nicht vergeben werden, ohne alles versucht zu haben", sagte Vorstandschef Reto Francioni.

Nach der Entscheidung des Euronext-Managements für eine Fusion mit der New York Stock Exchange (Nyse) habe die Deutsche Börse den Kontakt zu Anteilseignern und Kunden der Euronext sowie zur Politik gesucht.

"Gezielte Korrekturen"

"Wir haben dann gezielt in den Punkten Korrekturen vorgenommen, die diesen verschiedenen Stakeholdern wichtig waren", sagte Francioni. Mit dem Management um Euronext-Chef Jean-Francois Théodore habe man dagegen keine weiteren Gespräche geführt.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Kurt Viermetz sagte im Anschluss an die Sitzung: "Wir sind davon überzeugt, dass unser Vorschlag die Stakeholder von Euronext sowie weitere künftige Partner in europäischen Ländern überzeugt, zum Beispiel Italien."

Bei den Veränderungen geht die Deutsche Börse vor allem auf den Wunsch der Euronext-Partner nach einer föderalen Struktur ein. Sollte die operative Führung der Börse bislang in Frankfurt konzentriert sein, würden die Zentralfunktionen nach dem neuen Vorschlag auf Frankfurt, Paris und Amsterdam verteilt, wobei Vorstandschef und Finanzvorstand in Frankfurt sitzen würden.

In Paris wäre unter anderem das Risikomanagement angesiedelt, in Amsterdam das Generalsekretariat.

Lokale Standorte blieben erhalten

Das Management der Geschäftsbereiche soll sich wie folgt auf die Finanzzentren verteilen: Informationsdienste sollen in Amsterdam, der Aktienhandel in Paris, der Derivatehandel in Frankfurt und London, die Informationstechnologie (IT) in Frankfurt und Paris sowie Clearstream in Luxemburg angesiedelt sein. Betrieben würden die Aktienbörsen jedoch an ihren jeweiligen lokalen Standorten in Übereinstimmung mit der lokalen Regulierung.

Francioni sagte, er erwarte keine kartellrechtlichen Probleme, auch nicht bei der Abwicklungsgesellschaft Clearstream. Beim Aktienclearing sei die Börse bereit, weit reichende Zugeständnisse zu machen, um kartellrechtlichen Bedenken entgegenzutreten.

Weitere Zugeständnisse macht die Deutsche Börse mit Blick auf die Informationstechnologie und das Handelssystem: Die Börse würde das Aktienhandelssystem Xetra zugunsten des französischen Systems NSC aufgeben.

Der Terminhandel, auch bei der Euronext-Tochter Liffe, würde dagegen auf der deutschen Eurex-Plattform abgewickelt. Außerdem ist die Börse bereit, die IT in ein Joint Venture mit der zur Euronext gehörigen Atos einzubringen. Bisher hatte sie den Standpunkt vertreten, die IT sei zu sensibel, um sie auszulagern.

Sozialverträglich

Zu einem möglichen Stellenabbau in Frankfurt sagte Francioni, er könne sozialverträglich gelöst worden. Wie viele Stellen gefährdet sind, sagte er nicht.

Anders als im bisherigen Vorschlag beansprucht die Deutsche Börse den Vorstandsvorsitz für sich und bietet Euronext den Aufsichtsratsvorsitz an. Das würde bedeuten, dass Euronext-Chef Theodore nicht die Führung des Unternehmens übernehmen könnte.

Die Deutsche Börse veränderte die finanziellen Rahmendaten der Offerte nicht, sie stockte auch nicht den Baranteil auf, was Analysten zuvor für möglich gehalten hatten.

Kursentwicklung wertet deutsches Angebot auf

Francioni rechnete aber vor, durch die Kursentwicklung der vergangenen Wochen habe sich das deutsche Angebot im Vergleich zu dem amerikanischen verbessert. Beide wollen den Zusammenschluss zum Teil in Aktien bezahlen, der Nyse-Kurs war aber zuletzt stärker gefallen als die Notierung der Deutschen Börse.

Im Wettstreit um Euronext hatte Nyse-Chef John Thain am Sonntag mit einem Interview für Verwirrung gesorgt. Er präsentierte mehrere strategische Optionen für die Nyse. Vor allem brachte er eine Expansion nach London ins Spiel.

Man könne dort eine Konkurrenzbörse zur LSE aufbauen oder diese doch noch übernehmen sagte er und sorgte damit für Irritationen im Umfeld der Euronext. Zu der neuen Offerte der Deutschen Börse sagte Thain, aus Sicht der New Yorker gebe es keine Notwendigkeit für ein neues Angebot. Offenbar hätten die Deutschen ihre Offerte kaum verändert.

© SZ vom 20.06.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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