Reiseveranstalter:Pauschalreisen im Trend

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Erstmals steigt die Zahl der Reisebüros wieder - und die Buchung von Pauschalreisen. In unsicheren Zeiten suchen Urlauber den direkten Kontakt.

Von Michael Kuntz, München

Die erste Pauschalreise fand am 5. Juli 1846 statt. Thomas Cook organisierte für britische Arbeiter eine Zugreise von Leicester nach Loughborough, bei der die Verpflegung im Fahrpreis inbegriffen war, alles inklusive sozusagen. So avancierte der baptistische Geistliche ganz nebenbei zum Erfinder der Pauschalreise.

In Deutschland war der Pionier dieser Reiseform, bei der verschiedene Dienstleistungen gebündelt angeboten werden, der Versandhändler Josef Neckermann mit seinen erschwinglichen Flugreisen. Er brachte im Frühjahr 1963 von Frankfurt aus mit einer viermotorigen Propellermaschine die ersten Urlauber auf die Balearen. Zwei Wochen Mallorca mit Vollpension gab es schon für 338 Mark. Im Prospekt versprochen wurde ein Paradies aus Sonne und Strand mit unberührten Badebuchten und "mit reichlichen Hauptmahlzeiten und einer kleinen Bar, in der Sie viel für wenig Geld erhalten".

Das im Versandhandel bewährte Prinzip der großen Menge zum kleinen Preis setzte sich auch im Urlaubsgeschäft durch. Neckermann Reisen ist heute eine Marke des britischen Konzerns Thomas Cook, des nach der Tui zweitgrößten Urlaubsveranstalters in Europa. Heute werden mehr als 40 Prozent aller knapp 70 Millionen Urlaubsreisen pro Jahr mit Hilfe von Reiseveranstaltern organisiert. Vor allem bei der klassischen Ferienreise zu einem der Ziele am Mittelmeer ist das der Fall, aber auch bei entfernteren Ländern, die im Rahmen eines Urlaubs nur mit dem Flugzeug erreichbar sind.

Flug, Transfers und Hotel - als Paket alles aus einer Hand gekauft, was passionierten Individualreisenden eher ein Graus ist, erlebt in den anhaltend unsicheren Zeiten eine Renaissance. Viele Menschen wollen wieder von Menschen beraten werden, wenn sie eine der höchsten Ausgaben in einem Jahr tätigen. Die Zahl der Reisebüros sinkt nicht mehr, im Gegenteil, es eröffnen neue. Jede Störung des Reiseverkehrs ist, so zynisch es klingt, eine Werbung für die Pauschalreise, die verkauft wird mit dem Versprechen, dass sich zwischen Abreise und Rückkehr immer jemand um den Kunden kümmert. Die Reiseindustrie wirbt inzwischen sogar mit ihrem ausgeklügelten Sicherheitsmanagement, dass zwar Naturkatastrophen und terroristische Anschläge nicht verhindert werden können, wohl aber könne man mit den Folgen professionell umgehen und die Urlauber in Notsituationen betreuen.

Gespannt warten Verbraucher und Reiseveranstalter auf die Umsetzung der Pauschalreise-Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht. Der Deutsche Reiseverband befürchtet neue bürokratische und finanzielle Lasten durch Auskunfts- und Informationspflichten, die Kundengeldabsicherung für verbundene Reisearrangements und die Unterstützung der Reisenden in Fällen höherer Gewalt. Änderungen könnte es auch bei der Haftung geben: Bisher haften Reisebüros nur als Vermittler für einzelne Leistungen, aber nicht für die gesamte Reise. Das könnte sich ändern. Verpasst also beispielsweise ein Passagier den Flug, weil der gebuchte Transfer verspätet ist, könnte das Reisebüro künftig dafür in Haftung genommen werden. Bisher gibt es diese Art der Veranstalterhaftung nur bei Pauschalreisen. Die Mitgliedstaaten haben nun bis Ende 2017 Zeit, die Richtlinie umzusetzen.

Mitte Juli begeht Thomas Cook sein 175-jähriges Bestehen mit einer großen Gala in London. Mit dabei sein in One Marylebone dürften auch ein paar Menschen, die eher keine typischen Pauschalreisenden sind: Mitglieder des Königlichen Hauses. Vor 25 Jahren jedenfalls zählte Lady Di zu den Festgästen.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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