Reichen-Liste:Das Land, in dem 594 Milliardäre wohnen

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Zeigen, was man hat - im Hafen der chinesischen Stadt Dalian. (Foto: Johannes Eisele/AFP)
  • Chinas Reiche werden zunehmend reicher - trotz der Unsicherheiten, wohin die Wirtschaft der Volksrepublik steuert.
  • Weltweit sind die Vermögen der Milliardäre 2015 hingegen um 300 Milliarden Dollar zurückgegangen.

Von Christoph Giesen, Peking

Angefangen hat alles ganz klein, vor knapp 20 Jahren in einer Bibliothek in Shanghai. Zusammen mit zwei Studenten trug der britische Wirtschaftsprüfer Rupert Hoogewerf damals Chinas erste Reichenliste zusammen. Auf 50 Namen kam er. Seitdem gibt Hoogewerf, der in China unter dem Namen Hu Run bekannt ist, jedes Jahr eine neue Liste heraus, den Hurun-Report.

Längst ist er ein Kompass für Chinas Reiche und ein Gradmesser, wie es um die Wirtschaft der Volksrepublik bestellt ist. Die Quintessenz: Chinas Reiche werden immer reicher - trotz der Unsicherheiten, wohin die chinesische Wirtschaft steuert. 594 Milliardäre leben der neuesten Rangliste zufolge in der Volksrepublik, so viele wie in keinem anderen Land der Erde. Und das, obwohl weltweit die Vermögen der Zehnstelligen zurückgegangen sind. "Der Anstieg des Gesamtvermögens der Milliardäre setzte sich 2015 nicht fort, vielmehr sank dieses um 300 Milliarden Dollar auf 5,1 Billionen Dollar", heißt es im "Billionaires Report", den die Schweizer Großbank UBS gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC ebenfalls am Donnerstag veröffentlicht hat. "Asien brachte insgesamt nahezu jeden dritten Tag einen neuen Milliardär hervor", sagt UBS-Mann Josef Stadler, der den wunderbaren Titel Head Global Ultra High Net Worth trägt.

Angeführt wird der Hurun-Report wie im vergangenen Jahr vom Immobilienzar und Entertainment-Unternehmer Wang Jianlin, er bringt es auf 32,1 Milliarden Dollar. Wangs Firma Wanda kauft sich gerade in Hollywood ein.

"Die Vermögen stammen mehrheitlich aus drei Bereichen", sagt Hoogewerf. "Der Immobilienmarkt, der durch Chinas Urbanisierung befeuert wird, IT-Unternehmen, die von der Digitalisierung des Landes profitieren und die Massenproduktion, Chinas altes Export-Modell." Vor allem die IT-Branche hat etliche Männer reich gemacht. Da ist natürlich Jack Ma mit seinem Unternehmen Alibaba, das chinesische Pendant zu Amazon und Ebay. 60 Prozent aller Paketsendungen in China gehen auf eine der Firmen-Webseiten zurück. Vor zwei Jahren brachte Ma sein Unternehmen in New York an die Börse. Nie zuvor hat es ein größeres Debüt in den Vereinigten Staaten gegeben. Mit einem Vermögen von 30,6 Milliarden Dollar ist Ma der zweitreichste Chinese.

800 Millionen Mal Wechat

Auf Jack Ma folgt mit 24,6 Milliarden Dollar Ma Huateng. Sie tragen zwar denselben Familiennamen, verwandt sind sie jedoch nicht. Nach seinem Informatikstudium und einem trostlosen ersten Job gründete Ma Huateng 1998 gemeinsam mit einem Studienfreund die Firma Tencent. Sie programmierten einen Instant-Messenger und nannten ihn OICQ. Das Kürzel stand für Open ICQ. Prompt wurden sie von AOL verklagt, weil der Name zu sehr an ICQ, den damals populären Dienst der Amerikaner erinnerte. Aus OICQ wurde QQ, und ein großer Erfolg mit Millionen Nutzern in China. Anfang 2011 gelang Mas Truppe noch ein größerer Wurf, sie brachten die App Wechat auf den Markt. Etwa 800 Millionen haben diesen Dienst auf ihren Smartphones installiert, und inzwischen kommuniziert das ganze Land nur noch auf diese Weise. Statt nach der Telefonnummer wird man heute in China nach seinem Wechat-Namen gefragt. Im Supermarkt bezahlt man per Wechat und den Tisch im Restaurant bucht man ebenfalls über diese App.

Vor einigen Monaten machte Ma auf sich aufmerksam, als er ankündigte, zehn Prozent seines Vermögens in eine Stiftung einzubringen.

Bemerkenswert ist, dass die Firmenanteile, die er spendet, gar nicht in der Volksrepublik registriert sind, sondern auf den Cayman-Inseln. Der Vorteil: Gewinne, die in China erwirtschaftet werden, können einfacher ins Ausland transferiert werden. Zudem muss Ma nicht fürchten, dass seine Anteile eingefroren werden, falls er einmal bei der Führung in Peking in Ungnade fallen sollte. Viele reiche Chinesen haben für ihre Firmen ähnliche Konstrukte aufsetzen lassen.

"Das erste Geld in China ist vor 20 Jahren durch den Handel verdient worden, gefolgt von der Massenproduktion und dem Export", sagt Hoogewerf. "Dann kam der Immobilienboom und schließlich die IT-Unternehmer. Heute sind immer mehr Investoren am Kapitalmarkt unterwegs und stemmen Finanztransaktionen."

Das beste Beispiel ist Yao Zhenhua. 17,2 Milliarden Dollar ist er inzwischen schwer, die Nummer vier auf Hoogewerfs Liste. Innerhalb eines Jahres hat Yao sein Vermögen um geschätzte 820 Prozent gesteigert. Auch er macht sein Geld mit Immobilien, ist in den vergangenen Monaten vor allem aber als Raider aufgefallen, der gegen den Widerstand des Managements Firmen kauft. Die feindliche Übernahme der Immobilienfirma China Vanke hat sich für ihn gelohnt. "Yaos Finanzinvestitionen stehen für eine neue Form von Reichtum", sagt Hoogewerf. Auch in Europa kann man das bald zu spüren bekommen.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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