Reform des Finanzsystems:Kontrolle für Hedgefonds

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Banker an die Kandare: Die G-20-Staaten verständigen sich auf eine Reform des Finanzsystems. Große Geldinstitute sollen künftig schärfer beaufsichtigt werden.

Claus Hulverscheidt

Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich auf eine schärfere Beaufsichtigung großer Banken und Beteiligungsgesellschaften verständigt. Vor allem für hoch spekulative Hedgefonds brechen damit neue Zeiten an. Sie werden erstmals seit ihrer Entstehung vor 60 Jahren direkter staatlicher Kontrolle unterworfen.

In der Bundesrepublik fallen nur die Deutsche Bank und der Versicherer Allianz unter die neue Regelung - alle anderen Finanzinstitute sind zu unbedeutend. (Foto: Foto: dpa)

Nach Angaben aus G-20-Kreisen sieht der jetzt vereinbarte Kompromiss vor, dass zunächst alle "systemrelevanten" Beteiligungsgesellschaften staatlicher Kontrolle unterworfen werden. Diese Beschreibung träfe dem Vernehmen nach auf etwa 100 der insgesamt 9000 Hedge-Fonds weltweit zu. Sie werden den Aufsichtsämtern demnächst regelmäßig Einblick in ihre Bücher gewähren müssen.

Damit ziehen die Regierungen die ersten Konsequenzen aus der globalen Wirtschaftskrise, die durch massive Fehlspekulationen auf den Finanzmärkten ausgelöst worden war. Zwar waren an den misslungenen Geschäften vor allem normale Geschäftsbanken beteiligt, viele Hedgefonds fachten den Brand durch Aktien-Leerverkäufe aber zusätzlich an.

Staatlichen Überwachung für alle

Um künftig früher reagieren zu können, wollen die Finanzminister der G20 an diesem Samstag in London einen konkreten Maßnahmenkatalog zur Reform des Finanzsystems ausarbeiten, dessen erster Teil Anfang April beim zweiten Weltfinanzgipfel der Staats- und Regierungschefs formell beschlossen werden soll. Für die Bundesregierung steht dabei das Ziel im Mittelpunkt, dass sich künftig kein Land, kein Akteur und kein Finanzmarktprodukt mehr der staatlichen Überwachung entziehen kann.

Die USA und Großbritannien hatten sich trotz aller anderslautenden Lippenbekenntnisse lange Zeit gegen zu scharfe Regeln für Hedgefonds gewehrt. Vor allem die britische Regierung fürchtete, dass der Finanzplatz London, von wo aus viele Fonds ihre Geschäfte steuern, deutlich geschwächt werden könnte. Mit dem Abgang von US-Präsident George W. Bush und dem Amtsantritt von dessen Nachfolger Barack Obama kam Premierminister Gordon Brown jedoch der wichtigste Verbündete abhanden.

Auch die Großbanken in aller Welt müssen sich auf strengere und umfassendere Kontrollen einstellen. So sind sich die G-20-Staaten auf Arbeitsebene einig, dass die Institute nicht länger nur von ihren nationalen Aufsichtsämtern, sondern von einem international besetzten Aufsichtskollegium kontrolliert werden sollen. Diesem Kollegium gehören Vertreter aller Länder an, in denen die Bank in größerem Stil tätig ist.

Verhandlungen über neues Welthandelsabkommen stocken

Den Vorsitz hat die jeweilige "Heimatbehörde", im Falle Deutschlands also die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Allerdings fallen in der Bundesrepublik mit der Deutschen Bank und dem Versicherer Allianz nur zwei Finanzinstitute unter die neue Regelung, alle anderen sind zu unbedeutend.

Einigkeit herrscht zudem darüber, dass alle G-20-Staaten sowie Spanien Mitglied im Forum für Finanzstabilität (FSF) werden sollen. In dem Gremium arbeiten bislang die Finanzministerien, die Notenbanken sowie die Aufsichtsbehörden aus den großen Industriestaaten zusammen. Die Erweiterung ist eher ein symbolischer Akt, der den Schwellenländern signalisieren soll, dass sie in den wichtigen internationalen Foren nicht nur angehört werden, sondern auch mitentscheiden dürfen.

Darüber hinaus wollen die G-20-Staaten die Finanzausstattung des Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie mehrerer regionaler Entwicklungsbanken verbessern. Angesichts der Finanzprobleme in Ländern wie Ungarn und Rumänien könnte dem Vernehmen nach auch die Osteuropabank in London mehr Geld erhalten.

Erhebliche Schwierigkeiten gibt es dagegen bei den Bemühungen, die seit Jahren stockenden Verhandlungen über ein neues Welthandelsabkommen wieder in Gang zu bringen. Zudem haben gleich mehrere G-20-Mitglieder ihre Zusage gebrochen, im Zuge der Wirtschaftskrise auf Protektionismus zu verzichten. Stattdessen führten beispielsweise Indien und die Europäische Union neue Zölle oder Exportsubventionen ein. "Hier gibt es keine Fortschritte, sondern sogar Rückschritte", hieß es in den Kreisen der G-20-Mitglieder.

© SZ vom 14./15.03.2009/af/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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