Reform der Währungsunion:In der Endlosschleife

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Die Euro-Finanzminister schaffen es erneut nicht, sich auf ein Budget für die Währungsunion zu einigen. Geplante Reformen kommen nur schleppend voran.

Von Alexander Mühlauer, Luxemburg

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (links) und Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire geben eine Pressekonferenz nach dem Euro-Gruppen-Treffen. Dort wurden Fortschritte beim Euro-Zonen-Budget erzielt. (Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa)

Wenn die Staats- und Regierungschefs in der nächsten Woche zum EU-Gipfel kommen, dürften sie ein Déjà-vu-Erlebnis haben. Bereits bei ihrem Treffen im Dezember mussten sie sich mit einem Papier auseinandersetzen, das die Euro-Finanzminister vorbereitet hatten. Es sollte um eine grundlegende Reform der Wirtschafts- und Währungsunion gehen - inklusive eines Euro-Zonen-Budgets. Da es aber auch im Kreis der Chefs keine Einigung gab, delegierten sie die Sache zurück an die Finanzminister. Nun gibt es wieder ein Papier - und die Chancen stehen gut, dass die Minister erneut den Auftrag bekommen, dieses ein weiteres Mal zu überarbeiten.

Wie es aussieht, befindet sich die Euro-Reform in einer Endlosschleife. Ganze 15 Stunden haben die Euro-Finanzminister in Luxemburg verhandelt. Am frühen Freitagmorgen mussten sie dann feststellen, dass sie in entscheidenden Fragen nicht weiter kommen. Euro-Gruppen-Präsident Mário Centeno fasste die verfahrene Lage so zusammen: "Wir haben eine Reihe kleiner Schritte unternommen, es ist aber noch mehr Arbeit nötig." Als nächstes müssten die Staats- und Regierungschefs neue Anweisungen geben, wie es weitergehen solle. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sprach trotzdem von einem "Durchbruch". Und Bundesfinanzminister Olaf Scholz von "Fortschritt in ganz wichtigen Fragen".

Im Mittelpunkt des Finanzminister-Treffens in Luxemburg standen vor allem drei Themen: das Euro-Zonen-Budget, die Reform des Euro-Rettungsfonds ESM und die Finanztransaktionsteuer. Die Ergebnisse im Überblick.

Euro-Zonen-Budget

Der Auftrag der Staats- und Regierungschefs vom Dezember war eindeutig: Die Finanzminister sollten bis zum Juni-Gipfel ein umfassendes Konzept für ein Euro-Zonen-Budget ausarbeiten. Das Haushaltsinstrument geht auf einen Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zurück. Doch von dessen ursprünglichen Forderungen hat sich die Debatte weit entfernt. Macron hatte einen Beitrag von mehreren Prozentpunkten der Wirtschaftsleistung vorgeschlagen. Dagegen gab es jedoch großen Widerstand.

Mittlerweile wurden die Vorstellungen über das Volumen des Haushalts ziemlich zurechtgestutzt. Auch das Ziel, Länder zu stabilisieren, die von wirtschaftlichen Schocks getroffen werden, wurde aufgegeben. Das Budget soll lediglich dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die wirtschaftlichen Verhältnisse anzugleichen.

Scholz erklärte, weitere Arbeit sei im Zuge der Verhandlungen über den EU-Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027 nötig. Dabei soll auch die Größe des Budgets festgelegt werden. In der Diskussion standen zuletzt 17 Milliarden Euro, verteilt auf sieben Jahre. Le Maire zeigte sich dennoch zufrieden: "Zum ersten Mal beginnen wir, als ein kohärenter Block über die Zukunft nachzudenken und unsere Wirtschaftspolitik zu koordinieren." Er schränkte aber ein: "Es ist noch ein weiter Weg, vor allem in der Frage, wie wir das Budget finanzieren." Mehrere Staaten sperrten sich gegen den deutsch-französischen Vorschlag, neben herkömmlichen Beiträgen weitere Einnahmequellen in Betracht zu ziehen, etwa eine Finanztransaktionsteuer.

Euro-Rettungsfonds

Bislang kann der Euro-Rettungsfonds ESM vor allem pleitebedrohten Staaten mit Krediten im Gegenzug für Spar- und Reformauflagen beispringen - wie zuletzt Griechenland. Sollte künftig ein Euro-Staat vor der Pleite stehen, spielt der ESM eine stärkere Rolle beim Entwurf und der Überwachung von Kreditprogrammen. Da sich der Internationale Währungsfonds wohl kaum mehr an europäischen Krisenprogrammen beteiligen dürfte, soll der ESM die Schuldentragfähigkeit von Staaten selbst bewerten, um sicherzustellen, dass Kredite langfristig zurückgezahlt werden können. Außerdem soll der Zugang zu einer sogenannten "vorsorglichen Kreditlinie" klarer geregelt werden, die ein Land abrufen kann, wenn es unverschuldet in wirtschaftliche Turbulenzen gerät. Als Beispiel wird Irland genannt, das von einem Brexit-Schock getroffen werden könnte. Die Hürden, eine solche Kreditlinie auch in Anspruch nehmen zu können, sind aber hoch. Das betroffene Land muss alle Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes einhalten.

Der ESM soll auch bei der Abwicklung von maroden Kreditinstituten eine wichtigere Rolle spielen. Beim ESM wird die sogenannte Letztsicherung (Backstop) für den Bankenabwicklungsfonds SRF angedockt. Dieser soll bis zum Jahr 2024 von den Banken selbst mit gut 60 Milliarden Euro befüllt werden. Damit soll verhindert werden, dass Steuerzahler für Bankenpleiten haften müssen. Reicht der Topf nicht aus, greift der Backstop, für den die Euro-Staaten weitere 60 Milliarden Euro bereit stellen. Spätestens bis zum EU-Gipfel im Dezember soll der ESM-Vertrag entsprechend angepasst werden.

Finanztransaktionssteuer

Bundesfinanzminister Scholz versuchte, sein Versprechen einzulösen, noch in diesem Monat eine Einigung bei der umstrittenen Finanztransaktionssteuer zu erreichen. Doch nicht nur angesichts der Tatsache, dass in Österreich derzeit eine entscheidungsunfähige Expertenregierung amtiert, kam es dazu am Freitag nicht. In den kommenden Wochen gebe es noch "letzte Dinge" zu besprechen, erklärte Scholz. Immerhin habe man in Luxemburg einen "Konkretisierungsgrad" erreicht. Er sei zuversichtlich, "noch in diesem Jahr" zu einer Lösung zu kommen. Die Steuer werde, so der Minister, von 2021 an erhoben werden. Und könnte eine Finanzierungsquelle für das Euro-Zonen-Budget sein.

© SZ vom 15.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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