Wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt, gibt es im deutschen Fernsehen eine Konstante. André Rieu, 68, versammelt zu Weihnachten und Neujahr Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen, wenn er in ausverkauften Hallen seine Spektakel aufführt, die Geige schwingt und mit seinen riesigen Walzer-Inszenierungen das Publikum verzückt. Um die 100 Konzerte spielt er im Jahr, auf jedem Kontinent ist er erfolgreich und meistens sind die Hallen ausverkauft.
So groß seine Konzerte nach all den Jahren des Ruhms sind, so klein hat er mal angefangen: Ende der Siebzigerjahre, mit einem Salonorchester in der Schule seiner Söhne oder auf Hochzeiten. "Das änderte sich schlagartig, als ich das Johann-Strauss-Orchester gegründet habe", erzählt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er wollte die "herrlichen Walzer" aufführen, aber sein Orchester sei zu klein gewesen. "Da habe ich gelernt: Aha, man muss es größer und schöner machen, dann sind die Einnahmen auch größer."
Anfangs noch ein Wagnis, wurde sein Johann-Strauss-Orchester mit den Jahren das Größte und Bunteste, was die Klassik-Szene je gesehen hatte. Er habe nie verstehen können, warum klassische Darbietungen so ernst sein müssen, so humorlos. Bei Rieu ist alles bunt, die Bühnenshows sind bombastisch und teuer, das Publikum tanzt, klatscht, singt und lacht. "Ich habe das größte Privatorchester der Welt, ich bin der einzige Verrückte, der so etwas macht", sagt der Walzer-Enthusiast.
Er organisierte sechs Millionen Euro - in zehn Minuten
Dabei stand er vor einigen Jahren einmal fast vor dem Aus. Nach einem großen kommerziellen Erfolg in Australien ging er dort auf Tournee, mit 500 Leuten, ließ dreimal das Wiener Schloss Schönbrunn in Originalgröße nachbauen - und hatte sich komplett verhoben: Mit 34 Millionen Euro Schulden stand er vor der Pleite. Als die Verantwortlichen der Bank ihm in seinem Schloss in Maastricht gegenüber saßen, habe er gedacht, jetzt sei alles vorbei. Doch er konnte ihr Vertrauen gewinn - indem er mit zwei Anrufen innerhalb von zehn Minuten sechs Millionen Euro auftrieb. "Eine Woche lang habe ich nicht gewusst, ob mir mein eigenes Zuhause oder meine Stradivari morgen noch gehören. Das will ich nie mehr", sagt er über diese Zeit.
Jetzt spricht Rieu erstmals darüber, wie er es schaffte, im Jahr darauf wieder mit 20 Millionen Euro im Plus zu sein und mehr Tickets zu verkaufen als Madonna. Und er verrät das Geheimnis seines Erfolgs: Nachdem er zu Hause immer um Anerkennung hatte kämpfen müssen, weckte seine Frau Marjorie sein Selbstvertrauen. "Meine Frau hatte auch eine sehr strenge Erziehung, wir haben zu zweit unsere Pubertät nachgeholt", erzählt Rieu.