Reden wir über Geld (11): 50 Cent:"Ich dealte, weil ich Geld brauchte"

Lesezeit: 6 Min.

Der New Yorker Rapper 50 Cent über seine Vergangenheit als Drogenhändler, das Protzen der Hip-Hop-Stars - und warum sein größtes Problem die Steuern sind.

Interview: Alexander Mühlauer

Draußen vor der Konzerthalle warten junge Hip-Hop-Fans, auf den Boden spuckend, Goldschmuck an Hals, Armen, Ohren. Ihr Star sitzt, in Strümpfen, allein in einem kleinen Raum auf einer Ledercouch. Neben ihm: zwei Paar Sneakers seiner eigenen Modefirma. In aller Ruhe fädelt 50 Cent, 32, die Schuhbänder der Turnschuhe ein. Sein Manager Barry Williams gibt uns 20 Minuten. Also los.

Düstere Vergangenheit: Seine ersten eigenen Dollars verdiente sich 50 Cent als Drogendealer. (Foto: Foto: AP)

SZ: 50 Cent, reden wir über Geld.

50 Cent: Geld? Okay, nur zu.

SZ: Der Film über Ihr Leben heißt "Get Rich Or Die Tryin'" ("Werde reich, oder stirb' bei dem Versuch"). Warum wollten Sie schon immer reich werden?

50 Cent: Dort, wo ich aufgewachsen bin, hatten wir nichts. Geld war in meiner Familie ein Riesenproblem. Ich war niedergeschlagen, weil wir keines hatten, und träumte von einem besseren Leben.

SZ: Inwieweit spürten Sie, dass das Geld knapp war?

50 Cent: Schon meine Großeltern hatten neun Kinder zu versorgen. Als meine Mutter ermordet wurde, wuchs ich bei ihnen auf. Für mich war schnell klar: Ich muss das Geldproblem selbst lösen.

SZ: Wie?

50 Cent: Meine Großeltern haben ihre Kinder erzogen, als man für ein Paar Turnschuhe zehn Dollar zahlte. Als ich jung war, kosteten die neuen Basketball-Schuhe von Michael Jordan gut das Zehnfache. Um mir die Schuhe kaufen zu können, musste ich eben Geld verdienen. Deshalb ging ich auf die Straße.

SZ: Dort dealten Sie mit Drogen.

50 Cent: Schon meine Mutter dealte, weil sie ihr Leben nicht mehr so weiter leben wollte. Sie war Teenager, schwanger und sehr arm. Mit dem Geld vom Dealen konnte sie sich und mir Sachen kaufen. Mir ging es genauso: Ich dealte, weil ich Geld brauchte.

SZ: Für Turnschuhe.

50 Cent: Nicht nur. Ich füllte auch den Kühlschrank meiner Großeltern.

SZ: Wie viel verdienten Sie als Dealer?

50 Cent: Das war unterschiedlich. Haben Sie schon einmal mit Crack gedealt? So wie ich, im großen Stil? Pro Tag 5000 Dollar Gewinn? Mit 16 einen dicken Mercedes gekauft?

SZ: Nein. Aber warum versuchten Sie nicht, Ihr Geld legal zu verdienen?

50 Cent: Weil ich mit Drogen schneller reich werden konnte als mit irgendeinem anderen Job. Wissen Sie, Kinder und Jugendliche sind nicht verantwortlich für das, was sie tun, sondern ihre Eltern und ihr Umfeld. Ich machte das Richtige - aber in die falsche Richtung.

SZ: Geld war also der Grund, warum Sie anfingen, kriminell zu werden...

50 Cent: Geld ist immer der Grund!

SZ: Löst Geld Probleme?

50 Cent: Nein, es bringt neue.

SZ: Welche?

50 Cent: Das Finanzamt! Irgendwann hatte ich einigermaßen viel Kohle - und dann wird einem das hart erarbeitete Geld einfach wieder weggenommen. Diese verdammten Steuern! Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie viel die einem abziehen. Das hört wohl nie auf. ( 50 Cent lacht laut: The taxes!) Wissen Sie, was ich interessant finde? Viele Menschen nehmen bei Hip-Hop-Künstlern immer nur eines wahr: die Prahlerei mit Geld, Gewalt und Schmuck.

SZ: Sie protzen doch auch.

50 Cent: Yeah.

Lesen Sie weiter, wie 50 Cent vom Musiker zum Unternehmer geworden ist und warum seine Konzerte 50 Euro Eintritt kosten.

50 Cent grinst. Stolz präsentiert er seine mit Diamanten besetzte Uhr, die er am linken Handgelenk trägt.

SZ: Warum ist es für Rapper so wichtig, ihren Reichtum zur Schau zu stellen?

50 Cent: Ich denke nicht, dass das nur Rapper machen. Vor allem Menschen, die wie ich aus einem ärmlichen Umfeld kommen, tun das. Man erschafft sich einen Superhelden im Kopf, den coolsten Typen überhaupt. Und dann fragt man sich: Welches Auto fährt er? Was zieht er an? Wie sieht er aus? Das ist genau das, was sich viele Rapper vorstellen.

SZ: Sie stellen sich selbst als unverwundbaren Superhelden dar.

50 Cent: Ja, aber das ist Inszenierung. Eigentlich ist es mein Job, gute Musik zu machen und nicht ein Bild einer Traumwelt zu kreieren. Ich jedenfalls konnte nicht viel träumen, ich musste selbst meine Erfahrungen auf der Straße machen, die ich jetzt in meinen Texten verarbeite. Andererseits gibt es natürlich die Rapper, die sich einen Superhelden im Kopf erschaffen und auch so werden wollen. Sie wollen ein schönes Auto fahren und teure Juwelen tragen. Aber ich sagen Ihnen eines: Viele der Dinge, mit denen sich Rapper schmücken, sind unecht und die Autos geleast. Viele schaffen es einfach nicht, so viel Geld mit ihrer Musik zu verdienen, dass sie sich fettes Bling-bling leisten könnten.

50 Cent schon: Er nimmt sein großes Diamantkreuz, das er um den Hals hängen hat, in die Hand und wartet auf einen anerkennenden Blick.

SZ: Verstehen Sie sich eher als Künstler oder Geschäftsmann?

50 Cent: Ich werde immer mehr zum Geschäftsmann. Wenn ich auf meinen Kontostand schaue, fühle ich mich gut.

SZ: Wie wird ein Musiker zum Unternehmer?

50 Cent: Als meine erste Platte draußen war und ein Erfolg wurde, musste ich mich plötzlich um Geldgeschäfte kümmern. Irgendwann ist man so erfolgreich und muss sich etwas Neues aufbauen. Die meisten Künstler verharren im Moment des ersten Erfolgs und wollen, dass dieser nie aufhört. Man muss sich aber fragen: Was kommt als Nächstes?

SZ: Ihre Antwort?

50 Cent: Ich wollte immer meine eigenen Entscheidungen treffen können - unabhängig von anderen. So gründete ich mein Unternehmen G-Unit und fördere andere Künstler mit meinem Geld.

SZ: Warum wollen Sie überhaupt weiter Musik machen?

50 Cent: Ganz einfach: Es gibt nichts Geileres, als zu rappen.

SZ: Für was geben Sie gerne Geld aus?

50 Cent: Ich besitze sechs Anwesen mit großen Häusern, Autos, jede Menge Schmuck. Und ich investiere mein Geld in Dinge, in die ich eingebunden bin.

SZ: Ein Beispiel bitte.

50 Cent: Wenn ich bei einem Musik- oder Modeprojekt mitmache, investiere ich gerne. Dann sehe ich, wohin mein Geld fließt. Die Mehrheit der Geschäftsleute investiert ja nicht ihr eigenes Geld. Die meisten nehmen das anderer Leute. Zum Beispiel stecken sie deren Geld in Projekte, und keiner weiß genau, was damit passiert. So wie die Banken, die Kredite ihrer Kunden einfach weiterverkaufen, ohne dass es jemand mitbekommt. Es gibt leider viel zu viele Menschen da draußen, die ihr Geld einfach irgendjemandem geben und glauben, dass es sich von alleine vermehrt. Unglaublich.

SZ: Wird unsere Gesellschaft immer gieriger nach Geld?

50 Cent: Sieht so aus. Wissen Sie, wer die besten Ideen hat, wie man investiert?

SZ: Verraten Sie es mir.

50 Cent: Menschen, die kein Geld haben. Sie verbringen viel Zeit damit, darüber nachzudenken, was man alles mit viel Geld machen könnte. Mir fehlt dazu einfach die Zeit.

SZ: Wie stark beeinflusst Geld unsere Gesellschaft?

50 Cent: Geld hat uns zu dem gemacht, was wir sind. ( Langsam wiederholt er diesen Satz: Money made us.) Geld ist Freiheit. Geld erlaubt einem, den Lebensstil zu führen, den man möchte.

SZ: Was wollen Sie noch erreichen?

50 Cent: Als ich an dem Punkt war, an dem ich sagen konnte "Ich fühle mich frei", habe ich alle Ziele zurück auf null gesetzt. Man muss sich immer neu motivieren, um sich Ziele setzen zu können. Und dann muss man es einfach machen.

Es klopft an der Tür, eine junge Frau mit weißer Schürze kommt herein und sagt: "Kann ich Sie kurz stören, ich bin vom Catering. War alles..."

50 Cent: Es war großartig. Wir sind hier mitten in einem Interview, Babe!

Die junge Frau wird rot, will die Tür schließen, dabei bleibt sie mit ihrer Schürze am Türgriff hängen. 50 Cent lacht kurz. Dann ist er wieder voll konzentriert.

SZ: Welchen Rat geben Sie Jugendlichen, die so werden wollen wie 50 Cent?

50 Cent: Geschenkt bekommt man nichts. Strengt euch an, gebt einfach euer Bestes!

SZ: Und handelt mit Drogen?

50 Cent: Wenn man kein Geld hat, ist die Verlockung verdammt groß, mit Drogen viel Geld zu verdienen. Aber die Frage ist: Was willst du mit deinem Leben anfangen? Als Drogendealer landet man früher oder später im Knast - oder wird, wie ich, angeschossen. Vielleicht stirbt man. Dann bringt einem das viele Geld auch nichts mehr. Übrigens, wie steht es eigentlich mit Ihnen und Geld?

SZ: Nie genug.

50 Cent: Nie genug? Das sagen doch alle. Vielleicht sollte ich jetzt auf der Bühne Geldscheine ins Publikum werfen.

SZ: Gute Idee.

50 Cent: Finden Sie?

SZ: Die Eintrittskarte kostet schließlich 50 Euro.

50 Cent: Ich muss doch auch von etwas leben!

50 Cent wird am 6. Juli 1975 in Queens, New York, als Curtis James Jackson III. geboren. Als er acht Jahre alt ist, wird seine Mutter ermordet. In den achtziger Jahren verdient Jackson sein Geld als Drogendealer. Den Namen "50 Cent" klaut er sich von einem Gangsterboss. Im Mai 2000 treffen ihn neun Kugeln. Er überlebt. Als der Hip-Hop-Star Eminem den New Yorker rappen hört, nimmt er ihn unter Vertrag und macht 50Cent zu einem der weltweit erfolgreichsten Musiker. Mit seiner Firma G-Unit vermarktet 50 Cent Mode, Klingeltöne und Computerspiele. Außerdem wirbt er für ein Vitamingetränk des US-Unternehmens Glaceau, das 2007 von Coca-Cola gekauft wurde. 50 Cent brachte die Übernahme etwa 400 Millionen Dollar Gewinn - der Rapper hält zehn Prozent der Aktien an Glaceau.

© SZ vom 4.4.2008/jkf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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