Reaktionen:Ruf nach Reformen

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"Schwache Verfolgung": Elizabeth Warren fordert mehr Anstrengung der Behörden. (Foto: Drew Angerer/AFP, Bearbeitung: SZ)

Politiker reagieren auf die FinCEN-Files und fordern mehr Einsatz im Kampf gegen Geldwäscher.

Von Jan Schmidbauer, München

Die Auswüchse des Kapitalismus und die Ungerechtigkeiten, die damit einhergehen können, sind so etwas wie das Lebensthema von Elizabeth Warren, nicht erst, seit sie als - schlussendlich gegen Joe Biden unterlegene - Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten eine Vermögenssteuer zu einem ihrer zentralen Themen machte. Und so fand die 71-Jährige auch klare Worte zu den FinCEN-Files, den neuen Enthüllungen, die zeigen, wie Banken und Behörden im Kampf gegen Geldwäsche versagen und Kriminelle auf Kosten anderer Milliarden durch die Finanzsysteme schleusen.

"Große Banken und Unternehmen missbrauchen rechtliche Schlupflöcher und eine schwache Verfolgung durch die Regulierungsbehörden, um von illegalen und zwielichtigen Transaktionen für Kriminelle und Terroristen zu profitieren", sagte die Senatorin aus Massachusetts, nachdem die Recherchen am vergangenen Sonntagabend weltweit veröffentlicht wurden. "Wir müssen die Korruption an den Wurzeln bekämpfen, indem wir die Transparenz des Finanzsystems stärken und gegen das dunkle Geld vorgehen, das durch das globale Finanzsystem fließt."

Warren rechnete nicht nur mit den Banken ab. Sie sprach sich auch für eine neue Einheit im US-Finanzministerium zur Geldwäscheprävention aus. Die Unterlagen, auf denen die Enthüllungen basieren, stammen aus der bislang zuständigen Behörde Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN). Das Online-Medium Buzzfeed News ist an die Dokumente gelangt und hat sie mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und Journalisten aus aller Welt, darunter ein Team der SZ, geteilt und ausgewertet.

Reaktionen auf die Enthüllungen gab es auch von anderen prominenten Köpfen des linken politischen Lagers in den USA. "Geldwäsche, Bestechung. Hypothekenbetrug. Verdunkelung, Währungsmanipulation, Zinsmanipulation. Das sind nur einige der üblichen Geschäftspraktiken der Wall Street", schrieb der mehrmalige Präsidentschaftsbewerber für die Demokraten, Bernie Sanders. Das Geschäftsmodell sei "Betrug". Dies sei nicht die Ausnahme, sondern die Regel, sagte er. In einem Tweet, den er später absetzte, wurde Sanders noch deutlicher. "Hier ist eine radikale Idee", schrieb er. "Statt arme Amerikaner - vor allem Afroamerikaner und Latinos - wegen des Besitzes von Marihuana festzunehmen, lasst uns doch damit beginnen, die Verbrecher an der Wall Street zu belangen - wegen Geldwäsche für Drogenkartelle, mutmaßliche Terroristen und korrupte ausländische Beamte."

In Deutschland fielen die Reaktionen - zumindest rhetorisch - etwas zurückhaltender aus. Wenngleich auch hier klare Kritik geübt wurde. So sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock, es sei "allerhöchste Eisenbahn, dass es eine zentrale Ermittlungsbehörde auf der europäischen Ebene gibt". Auch der für Geldwäscheprävention zuständige Direktor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Thorsten Pötzsch, sprach sich für eine stärkere Kooperation mit anderen Staaten aus. "Geldwäsche ist international, wir brauchen daher auch eine grenzüberschreitende Aufsicht", sagte er der SZ.

Erste Folgen hatten die Enthüllungen auch in Großbritannien, wo mit der HSBC und Standard Chartered zwei Großbanken im Zentrum des Leaks stehen. Der Vorsitzende des Finanzausschusses des Parlaments, Mel Stride, wandte sich an die Regierung und die Finanzaufsichtsbehörden und fragte, welche Maßnahmen man aus den Enthüllungen ableite und ob die Berichte, wonach etwa die USA das Vereinigte Königreich als "risikoreich" in puncto Geldwäsche sehen, Anlass zu Sorge seien. "Einige der Informationen aus den FinCEN-Files sind zutiefst beunruhigend", sagte Stride. Sein Ausschuss wolle wissen, ob die zuständigen Minister und Behörden, was die Vorwürfe angeht, "am Ball sind".

Nichtregierungsorganisationen reagierten mit Optimismus auf die Enthüllungen. Das Tax Justice Network hoffe, dass die FinCEN-Files "der Katalysator sein können, den es braucht, um die eklatanten Mängel bei der Regulierung der korrupten Finanzwelt" anzugehen, sagte der Chef der Organisation, Alex Cobham. Daniel Eriksson, Interimschef von Transparency International, sagte, die FinCEN-Files sollten ein "Weckruf für Regierungen sein", die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

© SZ vom 25.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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