Prozess gegen Mobilcom-Gründer:Antrag auf Befangenheit

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Im Untreue-Prozess gegen den Mobilcom-Gründer Gerhard Schmid fordert dessen Verteidiger jetzt die Ablösung des Staatsanwalts. Der Vorwurf: Befangenheit.

Hans Leyendecker

Befangenheitsanträge gegen Staatsanwälte sind ungewöhnlich. Doch einen solchen Antrag hat jetzt der Rechtswissenschaftler Erich Samson in der "Strafsache gegen Gerhard Franz Schmid" gestellt. Der hochangesehene Samson verlangt die Ablösung des Kieler Staatsanwalts Axel Goos wegen Besorgnisses der Befangenheit und Verdachts der Vorteilsannahme.

Der Mobilcom-Gründer Gerhard Schmid steht wegen Untreue vor Gericht. Sein Verteidiger fordert jetzt die Ablösung des Staatsanwalts. (Foto: Foto: dpa)

Goos vertritt die Anklage in einem Prozess gegen den Mobilcom-Gründer Schmid. Samson ist einer der Verteidiger von Schmid. Der Professor wirft dem Strafverfolger vor, dieser sei mit einem Anwalt der France Télécom, die in heftiger Fehde mit Schmid liegt, beruflich "engste Beziehungen" eingegangen und habe damit "die Grenzen zur Strafbarkeit" überschritten. Indirekt wirft er dem in Justizkreisen geschätzten Goos Korruption vor.

Der Fall ist ein bisschen kompliziert. Das liegt zum einen an Schmid und den diversen juristischen Händeln, in denen dieser sich befindet. Zum anderen hängt das mit den Schwierigkeiten der Strafverfolgung in Wirtschaftsstrafverfahren zusammen.

Alamierende Überlastung der Wirtschaftskammern

Im Dezember 2005 hatte der Bundesgerichtshof erklärt, dass bei "einer Vielzahl von großen Wirtschaftsstrafverfahren eine dem Unrechtsgehalt adäquate Bestrafung nicht erfolgen kann, weil keine ausreichenden justiziellen Ressourcen zur Verfügung stehen". Der Präsident des Kieler Landgerichts hat im Vorjahr die Überlastung seiner Wirtschaftskammer als "alarmierend" bezeichnet. Ähnlich ist die Lage der Staatsanwaltschaft in Wirtschaftsstrafsachen.

Das Auf und Ab des Lebens ist kaum einem früheren Unternehmer so vertraut wie Schmid. Der einstige Milliardär, der 1991 das Mobilfunkunternehmen Mobilcom gegründet hatte, war eine der ungewöhnlichsten Gestalten des Neuen Marktes. Er kaufte Firmen wie andere Leute Hosen, war erfindungsreich und verstand es, die Medien clever zu bedienen.

Nachdem im März 2000 der französische Telefon-Konzern France Télécom für 3,73 Milliarden Euro knapp 30 Prozent an Mobilcom erworben hatte, ging es mit Schmid bergab. Nach eigenen Angaben ist er seit Jahren pleite und sieht sich als Opfer seiner früheren Geschäftspartner, insbesondere von France Télécom.

Die Kieler Justiz arbeitete den Fall auf und reichte eine Anklage gegen Schmid wegen angeblicher Untreue in Höhe von 70 Millionen Euro ein. Für ein Aktienoptionsprogramm hatte er in Absprache mit Mitgliedern des Mobilcom-Vorstands rund 70,9 Millionen Euro an eine Firma überweisen lassen, die Mobilcom-Aktien kaufen sollte. Die Firma gehörte Schmids Gattin, was nicht allen Aufsichtsratsmitgliedern bekannt war.

Hatte der Staatsanwalt Verbindungen zu France Télécom?

Im November 2006 lehnte die zuständige Kammer des Kieler Landgerichts die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Die Staatsanwaltschaft legte sofortige Beschwerde ein, ohne Begründung zunächst. Samson stieß jetzt auf Unterlagen, aus denen sich laut Befangenheitsantrag ergibt, dass Goos zumindest danach "enge Beziehungen in Form von Telefonaten und umfangreichem Schriftverkehr" mit einem Münchner Anwalt pflegte, der France Télécom zivilrechtlich vertritt.

Der Insolvenzverwalter von Schmid hatte France Télécom auf einen Schadensersatz von mehr als sieben Milliarden Euro verklagt, weil der Konzern angeblich seine Kreditverpflichtungen gegenüber Mobilcom eingestellt hatte. In dem in Frankfurt anhängigen Verfahren geht es auch um die angeblich veruntreuten 70 Millionen.

In den Kieler Akten findet sich ein Schreiben des Anwalts an den Strafverfolger, das so beginnt: "Sie hatten uns um eine Stellungnahme zu der Entscheidung des Landgerichts Kiel gebeten. Wie telefonisch besprochen, haben wir die Entscheidung durchgesehen...und geprüft". Knapp vier Wochen später schickte die Kanzlei dem Staatsanwalt eine 25-seitige Stellungnahme, die den "Eindruck eines umfangreichen Gutachtens" (Samson) macht. Die mitgeschickten Anlagen sollen den Umfang von zwei Kartons haben. In der am 21. Juni 2007 von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beschwerdebegründung finden sich bis in die Wortwahl Übereinstimmung mit dem Anwaltspapier.

Aus Sicht von Samson hat der Staatsanwalt bei seiner Beschwerdebegründung Hilfe von außen angenommen und "mit der Übernahme des Schriftsatzes den Vorteil der Ersparnis einer eigenständigen Beschwerdebegründung" akzeptiert. Da ein solcher Schriftsatz gewöhnlich 100.000 Euro koste, handle es sich "mindestens um Vorteilsannahme".

Der Vorwurf spielt in einem weiteren Schmid-Verfahren in Kiel eine Rolle, bei dem kräftig im Hintergrund gedealt wird und Schmid auf Freispruch oder ein mildes Urteil hoffen darf. Auch in diesem Verfahren ist Goos der Ankläger. Die Staatsanwaltschaft Kiel mochte auf Anfrage zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben. "Aus Gründen der Fairness" hat Samson darauf hingewiesen, dass sein Befangenheitsantrag der amerikanischen Börsenaufsicht SEC zur Kenntnis gebracht worden sei. Auch in deutschen Gerichtssälen wird hart gekämpft.

© SZ vom 7.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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