ProSiebenSat.1:Ausgespielt

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Schluss, aus, vorbei: Nach vier Jahren auf dem Chefsessel tritt ProSiebenSat.1-Chef Guillaume de Posch ab. Ein echter Fernsehmann ist er in der Zeit nie geworden.

Caspar Busse

Noch vor zwei Wochen präsentierten sich die drei Herren in bestem Einvernehmen. Ein paar Tage vor der Hauptversammlung von Pro Sieben Sat 1 hatten Guillaume de Posch, Götz Mäuser und Andreas Bartl zu einem Frühstück geladen und sich gemeinsam meist kritischen Fragen gestellt. Doch der Vorstandsvorsitzende de Posch war damals schon auffällig zurückhaltend. Der Belgier, der sonst gerne das Geschehen an sich zieht, überließ diesmal das Feld weitgehend den "Gaststars", wie er sagte: Aufsichtsratschef Mäuser und Bartl, dem Deutschland-Chef der Sendergruppe. "2007 war ein Schlüsseljahr für die Firma", sagte de Posch und fügte mit Blick auf die Zukunft an: "Das Drehbuch steht."

Guillaume de Posch mag nicht mehr und räumt den Chefsessel bei ProSiebenSat.1. (Foto: Foto: Anja Freres)

Im Rückblick sieht das aus wie ein Vermächtnis. De Posch, der noch vergangene Woche auf der Hauptversammlung den Kurs des Konzerns verteidigte, gab an diesem Dienstag seinen Abschied bekannt. Er werde das Unternehmen zum 31. Dezember verlassen, hieß es, angeblich ohne Abfindung. Über den Abgang wurde oft und viel spekuliert, immer wieder gab es Dementis. Jetzt kommt der Zeitpunkt überraschend - offenbar auch für den Aufsichtsrat. Mäuser teilte mit, es werde "eine fokussierte Suche" nach einem Nachfolger eingeleitet. Gefahndet werde nach einem erstklassigen Medienmanager. Das Jahresgehalt von de Posch lag 2007 bei 2,15 Millionen Euro.

Aktienkurs auf Talfahrt

Vor de Posch waren schon Finanzvorstand Lothar Lanz und Marketingvorstand Peter Christmann ausgeschieden. Jetzt geht auch de Posch nach vier Jahren an der Konzernspitze. Er ist der letzte aus der alten Garde. Noch US-Investor Haim Saban hatte seinen langjährigen Vertrauten, mit dem er sich auf Französisch verständigte, engagiert und sich nach dem lukrativen Weiterverkauf des Konzerns vor eineinhalb Jahren auch mit einem ansehnlichen Bonus sehr erkenntlich bei de Posch gezeigt. Anfang 2007 übernahmen dann Permira und KKR die Mehrheit an ProSiebenSat.1 von Saban für drei Milliarden Euro. Nun sind die Finanzinvestoren allein.

"Wir haben Guillaumes Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis genommen", schrieb Mäuser am Dienstag. Alles sei einvernehmlich vonstatten gegangen und beruhe ausschließlich auf der persönlichen Entscheidung von de Posch, der sich nun mit 50 Jahren eine neue Aufgabe suchen wolle, heißt es im Konzern. Die Finanzinvestoren hätten de Posch nicht rausgeschmissen ohne einen Nachfolger zu haben, "so unprofessionell sind die nicht", heißt es in deren Umfeld.

Doch der Zeitpunkt des Abgangs könnte nicht schlechter gewählt sein. Der TV-Konzern befindet sich in argen Problemen. Das erste Quartal ist katastrophal ausgefallen. Der Aktienkurs ist auf rasanter Talfahrt, was insbesondere die Investoren langsam nervös machen dürfte und alles andere als ein Erfolgsausweis für de Posch ist. Das Papier notiert nur noch etwas über sieben Euro, so tief wie 2003 nach der Insolvenz von Leo Kirch nicht mehr. Am Dienstag ging die Aktie nach der Personalie um vier Prozent nach unten. Insbesondere für KKR kann das Probleme bringen. Im vergangenen Sommer verkauften KKR und Permira ihre Beteiligung, den europäischen Senderverbund SBS, an ProSiebenSat.1. Seitdem ist der Konzern mit 3,5 Milliarden Euro verschuldet, und die Investoren genehmigten sich eine hohe Ausschüttung. Der Fall steht exemplarisch für das Wirken von Finanzinvestoren bei Medienfirmen.

"Zeig mir die Zahlen"

Dazu kommt: Die Werbekunden haben sich massiv von den deutschen Konzernsendern Sat1, Pro Sieben, Kabel1 und N 24 abgewandt. Der zuständige Vorstand Christmann hatte ein neues Vermarktungsmodell eingeführt, scheiterte damit grandios und musste Ende April gehen. Die Zuständigkeit zog de Posch an sich. Er wollte eigentlich für neues Vertrauen bei den so wichtigen Werbekunden werben, doch jetzt wird er als "lame duck", als Chef auf Abruf, gelten.

Dabei passte de Posch eigentlich gut zu den Finanzinvestoren. Der Betriebswirt hatte früher als Unternehmensberater bei McKinsey gearbeitet. Er interessierte sich eigentlich nur für Zahlen und Renditen. "Zeig mir die Zahlen", soll einer seiner Lieblingssprüche sein. Er hat den Ruf des Kostendrückers. Viele aus dem Konzern berichten, selbst kleine Entscheidungen, etwa die Einstellung eines Praktikanten, hätten vom Vorstand abgenickt werden müssen. Für Saban hatte de Posch bereits viel versprochen und alles rausgeholt. Jetzt sollte er für KKR und Permira nochmal sparen.

De Posch ist nie ein echter Fernsehmann geworden. Seit dem Abgang von Ludwig Bauer gab es keinen Programmvorstand mehr, warum auch immer. Am Dienstag wurde Andreas Bartl, 45, der lange Pro-Sieben-Chef war, dazu berufen. "Um meine Ziele zu verfolgen, brauche ich nicht im Vorstand zu sein", sagte Bartl im Mai der SZ. Jetzt freut er sich über die Berufung.

© SZ vom 18.06.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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