Privatisierungsgesetz abgelehnt:Glos bremst Bahn-Börsengang

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Das Verkehrsministerium legt einen Entwurf zum Börsengang der Bahn vor, doch vier andere Ministerien lehnen ab - sie sehen Probleme mit dem Wettbewerb und dem Grundgesetz. Die Privatisierung könnte damit kippen.

Michael Bauchmüller

Der Börsengang der Bahn gerät erneut ins Wanken. In seiner Stellungnahme zum Privatisierungsgesetz lehnt das Bundeswirtschaftsministerium den Entwurf aus dem Verkehrsressort in zentralen Punkten ab. Vorbehalte haben dem Vernehmen nach auch die Ressorts für Inneres, Justiz und Verbraucherschutz.

Die Pläne für die Bahn-Privatisierung gefährdeten einerseits den Wettbewerb, enthielten aber gleichzeitig unkalkulierbare verfassungsrechtliche Risiken, moniert das Haus von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in seiner Stellungnahme.

Das Gesetz "verändert die Situation im Eisenbahn- und Transportsektor grundlegend", der Einfluss des Bundes auf das Unternehmen werde "nachhaltig verringert", schreibt das Ministerium.

"Nach hiesiger Ansicht sind die Risiken aus dem Kontrollverlust nicht ausreichend begrenzt". Das Ministerium fordert nun einen veränderten Entwurf.

Damit könnte der Fahrplan der Bahn an den Kapitalmarkt kippen. Ursprünglich wollte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) noch vor der Sommerpause seinen Entwurf in das Kabinett einbringen. Das allerdings setzt voraus, dass sich alle Minister hinter seinem Privatisierungs-Gesetz versammeln.

Das wird zunehmend schwierig. Denn neben dem Wirtschaftsministerium haben offenbar auch das Innen-, das Justiz- und das Verbraucherschutzministerium Vorbehalte angemeldet; hier geht es im Wesentlichen um die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.

Hintergrund sind die schwierigen Vorgaben, die Union und SPD im vorigen Herbst für den Gesetzentwurf aufstellten. Nachdem sie monatelang darüber gestritten hatten, ob das Schienennetz samt Bahnhöfen und Stromleitungen nun dem Bund oder der Bahn gehören soll, einigten sie sich auf einen Kompromiss: Demnach soll der Bund zwar juristischer Eigentümer des Netzes bleiben, die Bahn soll es aber in ihrer Bilanz führen dürfen, als wäre es ihres.

Hier könnte der Gesetzentwurf nun in Konflikt mit dem Grundgesetz geraten. Dieses schreibt in Artikel 87e vor, dass Bau, Unterhaltung und Betreiben von Schienenwegen "im Eigentum des Bundes" stehen.

Möglicher Konflikt mit dem Grundgesetz

Das aber wird schwierig, so die Auffassung des Glos-Ministeriums, wenn das Netz bilanziell bei der Bahn bleiben soll. Einem Rechtsgutachten des Ministeriums zufolge "bestehen erhebliche Bedenken, dass die Bilanzierungsfähigkeit der Infrastruktur" mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreicht wird.

Setzt sich das Wirtschaftsministerium mit dieser Einschätzung durch, verlöre das Unternehmen auf einen Schlag an Attraktivität für Investoren - denn ohne das Schienennetz wäre der Konzern erheblich weniger wert.

Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte jüngst erklärt, das Unternehmen könne schon im kommenden Jahr teilprivatisiert werden. Nach den bisherigen Plänen könnten 49 Prozent an der Bahn in zwei Tranchen verkauft werden.

Die Preise hochtreiben

Auch die Kontrolle der Bahn soll nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums schärfer ausfallen als bislang vorgesehen. So befürchten die Beamten von Glos, dass die Bahn das Modell des Verkehrsministers nutzen könnte, die Preise für das Schienennetz hochzutreiben, die sie anderen Wettbewerbern in Rechnung stellt.

"Die DB AG kann durch hohe Infrastrukturpreise (...) die Kosten und damit die Gewinnsituation der konkurrierenden Eisenbahnverkehrsunternehmen verschlechtern", schreiben sie.

Die Bahn könnte die höheren Einnahmen nutzen, um andere, nicht so erfolgreiche Unternehmensbereiche zu subventionieren. "Eine solche Strategie dürfte insbesondere bei zunehmendem Wettbewerb rational sein", heißt es hierzu in dem Papier.

Bahn-Wettbewerber kämpfen mit diesem Argument seit Monaten gegen die Privatisierungspläne an. Sie fordern, das Netz klar von der Bahn abzuspalten und im Staatsbesitz zu belassen oder getrennt zu veräußern.

Opposition und Wettbewerber einig

Dies verlangen im Bundestag auch FDP und Grüne. Die Union hatte von der Forderung einer strikten Trennung zugunsten des Koalitions-Kompromisses Abstand genommen.

Nach Vorstellung des Verkehrsministeriums soll der Bund auf zweierlei Weise über die Bahn wachen. Einerseits soll die Bundesnetzagentur verhindern, dass Wettbewerber auf der Schiene vom Netzbetreiber DB diskriminiert werden. Andererseits sollen detaillierte Finanzierungs-Absprachen sicherstellen, dass die Bahn mit Mitteln des Bundes ihr Netz in Schuss hält.

Das Bundesverkehrsministerium will trotzdem an seinem Zeitplan festhalten. "Die Kabinettsbefassung vor der Sommerpause steht weiterhin im Raum", erklärte eine Sprecherin am Montag. Einwände der Ressorts gegen einen Gesetzentwurf seien "ein ganz normaler Vorgang"; sie würden nun intensiv beraten.

In bahnnahen Kreisen hieß es, man sehe Verfassungs-Vorbehalte gegen das Gesetz gelassen: Juristen aus der administrativen Fachebene teilten diese Kritik nicht.

© SZ vom 08.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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