Prisma Life:Das Liechtensteiner Abenteuer

Lesezeit: 4 min

Der Lebensversicherer Prisma Life spricht offiziell davon, dass seine eigene Existenz bedroht ist. Eigner ist ein ostdeutscher Finanzunternehmer. Inzwischen hat er Millionen nachgeschossen.

Von Herbert Fromme, Köln

Ruggell ist ein beschauliches Alpendorf im Fürstentum Liechtenstein. Kein Zweifel: Wer in Ruggell seinen Lebensabend verbringt, hat es gut erwischt. Wer aber dem dort ansässigen Lebensversicherer Prisma Life seine Ersparnisse für die Altersvorsorge anvertraut hat, muss mit schlechten Nachrichten rechnen.

Prisma Life musste im vor wenigen Monaten erstellten Geschäftsbericht für 2015 erhebliche finanzielle Probleme einräumen. In dem nicht leicht zugänglichen Dokument warnt das Unternehmen selbst vor einem "erheblichen Liquiditätsengpass", der 2017 auftreten könnte. Vorstand und Verwaltungsrat schlagen Alarm. Es werde "aktiv nach Investoren gesucht, die der Gesellschaft Eigenkapital und damit auch Liquidität zuführen sollen".

Wer die Hintergründe dieser Entwicklung sucht, stößt auf ein Geflecht politischer Verstrickungen ehemaliger SED-Kader und ihrer Familien, die einen zum Teil auf Druck und Abhängigkeiten aufgebauten Finanzvertrieb gegründet haben - und auf Geldströme in ein Land, das nicht gerade für Transparenz bekannt ist. Am Ende sind es vor allem deutsche Kunden, deren Altersvorsorge leiden könnte. Insider sprechen von angeblich 40 Millionen Euro, die der Versicherer an frischem Geld brauche. Für "viel zu hoch" hält Verwaltungsratspräsident Helmut Posch diese Zahlen. Einen genauen Wert nennt er nicht.

Prisma Life gehört Sören Patzig, dem Chef des Finanzvertriebs Afa in Cottbus. Von den Kunden der Prisma Life kommen 95,5 Prozent aus Deutschland, 4,5 Prozent aus Österreich.

Die Sorgen sind groß. "Sollten die verschiedenen Bemühungen und Verhandlungen nicht zum gewünschten Erfolg führen, könnte die Prisma Life AG spätestens im April 2017 in einen erheblichen Liquiditätsengpass geraten", warnt die Unternehmensführung im Geschäftsbericht. Das könnte "Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Unternehmensfortführung aufwerfen". Damit rechne der Verwaltungsrat allerdings nicht. Dennoch: Die offizielle Warnung, möglicherweise sei man 2017 pleite, ist höchst ungewöhnlich.

Verwaltungsratspräsident Posch gibt sich optimistisch. "Die Eigentümer haben die Liquidität bereits durch frisches Geld verbessert", sagt der Österreicher. Patzig habe die Eigenmittel des Unternehmens direkt mit zehn Millionen Euro gestärkt. Posch bestreitet nicht, dass die Prisma Life heftige Turbulenzen hinter sich hat. "Doch jetzt ist das Haus sauber", sagt er. "Es gibt keinen akuten Finanzbedarf." Im Januar 2017 werden Gespräche mit Investoren aufgenommen. Ob 100 Prozent oder die Mehrheit der Aktien verkauft werden, sei offen.

Der Chefkontrolleur gehörte einst zur obersten Führungsebene der SED

Ganz so rosig, wie Posch sie darstellt, ist die Lage jedoch nicht. Die finanzielle Gesundheit von Versicherern wird in der Solvabilitätsquote gemessen. Sie zeigt, wie hoch die Eigenmittel eines Unternehmens im Verhältnis zu den Kapitalanforderungen sind, die sich aus den Ansprüchen der Kunden ergeben. Mitte 2016 wies Prisma Life eine Solvabilitätsquote von 80 Prozent auf - nötig wären nach Ansicht der Aufsichtsbehörden 130 Prozent. Doch für das Jahresende rechnet Posch mit immerhin 120 Prozent bis 122 Prozent.

Am Berliner Kurfürstendamm 190-192 residiert in einem schicken Altbau Sören Patzig. Hier befindet sich das Vorstandsbüro der in Cottbus ansässigen, 1992 gegründeten Afa AG. 2006 übernahm Patzig Prisma Life, die einst zur Skandalbank Hypo Alpe Adria gehörte. Mehr als die Hälfte des Neugeschäfts der Liechtensteiner kommt heute von Patzigs Afa-Vertriebsleuten.

Er stammt aus einer prominenten Cottbuser Familie. Sein Vater Harry - heute Aufsichtsratschef der Afa und Verwaltungsrat bei Prisma Life - war einst Chef des Braunkohlebergbaus und Teil der obersten Führungsebene der SED. Sören war als Fußballspieler regional bekannt.

Seine Afa ist ein klassischer Strukturvertrieb, der mit freien Handelsvertretern arbeitet - die Rede ist von mehr als 5000. Dagegen hat die Afa nur rund 30 angestellte Mitarbeiter. Die Handelsvertreter arbeiten auf der Basis von Honorar oder Beratungsprovision. "Wir sind unabhängig von Banken und Versicherungen", heißt es im Werbevideo. Deshalb könne Afa Finanzprodukte zum optimalen Preis und mit optimaler Leistung anbieten. Optimal stimmt - vor allem für Afa und Prisma Life. Unabhängig stimmt nicht ganz. Denn die Vermittler sind angehalten, vor allem Prisma-Policen zu verkaufen.

Strukturvertriebe können die Kunden teuer kommen, weil sie hohe Provisionen oder Honorare brauchen. Nach SZ-Informationen betrugen die regulären Abschlusskosten - einschließlich der Vorfinanzierung von Honoraren - bei der Prisma Life rund sieben Prozent aller vom Kunden zu zahlenden Beiträge, dazu kamen 3,5 Prozent als volumenabhängige "Innenprovision". Kunden konnten also mit rund 10 Prozent zur Kasse gebeten werden, die der Versicherer an die Vermittler weitergab. Verwaltungsratschef Posch sagt dagegen, die Abschlusskosten hätten bis sechs Prozent betragen, die Innenprovision nur ein Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland dürfen Versicherer dem Kunden nur noch 2,5 Prozent Provisionsaufwand direkt berechnen, manche zahlen den Vermittlern dennoch vier oder fünf Prozent.

Das Unternehmen buchte künftige Einnahmen in die Bilanz. Das führt nun zu hohen Verlusten

In die Schieflage ist Prisma Life unter anderem wegen der Bilanzierungsmethoden geraten. Weil die Provisions- oder Honorarforderungen gegen die Kunden aus dem Abschluss der Policen Vermögen darstellten, buchte das Management sie auf der Aktivseite der Bilanz, bei den Vermögensgegenständen. Entsprechend stieg das Eigenkapital des Unternehmens. "Aktivierte Abschlusskosten" nennt man das in der Branche. Prisma Life war nicht der Einzige, der diese Praxis nutzte. Allerdings machte sie es besonders aggressiv und setzte noch einen drauf: Weil die Kunden dem Unternehmen ja auch die künftigen Verwaltungskosten schulden, aktivierte der Versicherer auch diese. Die Aufsicht billigte das.

Das Vermögen der Gesellschaft bestand also zu einem bedeutenden Anteil aus Forderungen gegen die eigenen Kunden. Damit konnte der langjährige Konzernchef Markus Brugger im Branchenvergleich traumhafte Eigenkapitalquoten erzielen, die sich in der Werbung von Afa und anderen Vertrieben sehr gut machten.

Das Gebaren Bruggers, ein anderes Geschäftsumfeld, die niedrigen Zinsen und neue Bilanzierungsregeln - das alles führte zur Krise. In Jahr 2014 musste die Firma ihre Bilanzen bereinigen und erlitt einen Verlust von 45 Millionen Euro - bei Prämieneinnahmen von 105 Millionen Euro.

2014 verließ Brugger das Unternehmen, inzwischen führt er den Rivalen Liechtenstein Life. Nach seinem Abgang suchte die Finanzaufsicht nach fähigem Personal für Management und Verwaltungsrat. Fündig wurde sie bei Arzu Tschütscher-Alanyurt, der Ehefrau von Klaus Tschütscher, bis 2013 Liechtensteins Regierungschef. Sie war vorher bei der Liechtenstein Life und ging 2014 in den Prisma-Verwaltungsrat. Heute ist sie Finanzchefin.

Die Liechtensteiner Finanzaufsicht FMA fürchtet, ein Zusammenbruch der Prisma Life könnte das lukrative Geschäft des Fürstentums mit Lebensversicherern stören. Deshalb drängt sie auf den Verkauf. Patzig hat genügend mögliche Investoren. "Wir haben 17 Interessenten auf der Longlist", sagt Verwaltungsratschef Posch. Ein Grund für das Interesse: Die Beschränkungen der Abschlusskosten, wie sie in Deutschland gelten, gibt es dort nicht.

Allerdings stellt sich die Frage, wie groß die zu stopfenden Finanzlöcher wirklich sind und ob der Käufer bereit ist, die nötigen Millionen zu investieren - und wieweit er darauf besteht, dass Eigner Patzig für künftige Risiken Garantien gibt. Für mehr als 100 000 Kunden bedeutet das Debakel der Prisma Life mit hoher Wahrscheinlichkeit höhere Belastungen, auch wenn die Finanzaufsicht mitteilt, die Einlagen seien gesichert. Es geht immerhin um 1,04 Milliarden Euro Kapitalanlagen, die den Kunden gehören.

Das Liechtensteiner Abenteuer wird auch für Patzig teuer. Der Selfmade-Unternehmer musste schon viele Millionen einschießen. Auch ein Verkauf könnte teuer werden.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: