Preisstatistik:Schwer zu fassen

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Jeder Kunde zahlt den gleichen Preis für das gleiche Produkt? Das war einmal. Für Statistiker wird das immer mehr zum Problem.

Von Catherine Hoffmann, München

Jeder Kunde zahlt den gleichen Preis für das gleiche Produkt? Das war einmal. Wer im Internet einkauft, hat sich längst daran gewöhnt, dass sich die Preise für viele Produkte ändern - und das oft sogar mehrmals am Tag. Hoteliers und Airlines bestimmen die Zimmer- und Ticketpreise in kurzen Abständen neu, je nach Auslastung ihrer Flugzeuge und Häuser. Wer öfter verreist und überdurchschnittlich viel für eine Übernachtung ausgibt, dem werden die billigen Zimmer bei der Suche vielleicht gar nicht mehr angezeigt.

Viele Online-Shops personalisieren inzwischen ihre Preise, je nach vermuteter Zahlungsbereitschaft der Kunden. Algorithmen helfen bei der dynamischen Preisgestaltung. Und das bedeutet in letzter Konsequenz: Es gibt nicht mehr ein- und denselben Preis für alle, sondern jeder Kunde bekommt seinen eigenen Preis angeboten.

Die traditionelle Preisermittlung durch Preiserheberinnen vor Ort stößt an Grenzen

Den Statistikern machen die dynamischen Preise schwer zu schaffen. Denn wie sollen sie die ständigen Preisbewegungen erfassen, ohne dass ein verzerrtes Bild von der Realität entsteht? Noch wird das Gros der Einkäufe nicht im Netz erledigt. Noch durchforsten Preisermittler des Statistischen Bundesamts jeden Monat die Geschäfte in Städten und Dörfern und notieren die Preise für Schokolade, Deo oder Klopapier. Aber der Online-Handel boomt, Internethändler wie Amazon haben das Einkaufsverhalten der Deutschen längst verändert. Je mehr der Online-Handel an Bedeutung gewinnt, desto ungenauer drohen die Statistiken aus Wiesbaden zu werden.

Häufigere Preisänderungen fordern in der Preisstatistik höhere Beobachtungszahlen, um auch in Zukunft Ergebnisse mit der gleichen Genauigkeit wie bisher zu erzielen. Es müssen also viel mehr Preise erfasst werden, als bisher. Die traditionelle Preisermittlung durch Preiserheber vor Ort in den Geschäften beziehungsweise durch manuelle Preiserhebung im Internet stößt hier an Grenzen.

Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung aber auch neue Wege, Preise abzugreifen. Um das Auf und Ab der Preise im stark wachsenden Versand- und Internethandel so gut wie möglich abzubilden, hat die Behörde ein eigenes Computerprogramm entwickelt. Mittels Web-Scraping werden die Preise im Internet automatisch erhoben. Die Statistiker hoffen, so die Qualität ihrer Preisdaten verbessern zu können.

Gleiches gilt für den Zugriff auf große Datenbanken, die zum Beispiel die Preisentwicklung von Flug- und Pauschalreisen speichern. Fortschritte verspricht auch die Nutzung von Scannerdaten, also von ohnehin elektronisch vorliegenden Verkaufsdaten über Mengen, Umsätze und Preise einzelner Produkte, die an den Kassen von Einzelhandelsgeschäften anfallen.

Die digitale Preiserfassung birgt aber auch Tücken, denen keine Computer oder Scanner gewachsen sind: Die Verbraucher erledigen heute viele Dienstleistungen selber, für die sie früher bezahlt haben - indem sie etwa eine Reise im Netz buchen, anstatt das Reisebüro zu beauftragen. Die Zeit aber, die Konsumenten dafür aufwenden, wird in den Verbraucherpreisen nicht berücksichtigt.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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