Preisrekorde am Kunstmarkt:"Wer nur auf Wertsteigerungen schielt, wird scheitern"

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Launisch, ungestüm, wählerisch: Der Kunstmarkt ist vielen Anlegern fremd, zugleich übt er aber eine enorme Faszination aus. Einige Nachbetrachtungen zum Fall Klimt.

Hans von der Hagen

Vor wenigen Tagen hat der New Yorker Unternehmer Ronald Stephen Lauder, Spross der gleichnamigen Kosmetik-Dynastie, ein Gemälde von Gustav Klimt für 135 Millionen Dollar erstanden.

Zwei Gemälde, die die Grenze von 100 Millionen Dollar überschritten haben: Klimts "Porträt Adele Bloch-Bauer I" sowie Picassos "Junger Mann mit Pfeife". (Foto: Montage: Laura Breier)

Noch nie wurde ein derart hoher Betrag für ein Bild gezahlt. Doch auch in den achtziger Jahren gab es eine Phase, in der Kunstwerke enorme Summen erzielten.

Damals haussierte in Tokio die Börse. Als diese später kollabierte, brachen auch die Preise für Kunst ein.

Wolfgang Wilke, langjähriger Finanzexperte der Dresdner Bank, beobachtet seit vielen Jahren den Kunstmarkt und sagt, ob jetzt eine ähnliche Entwicklung bevorstehen könnte und ob Anleger mit Investitionen am Kunstmarkt generell gut beraten sind.

sueddeutsche.de: 135 Millionen Dollar hat jetzt ein Gemälde von Gustav Klimt erzielt, vor zwei Jahren wurden 104 Millionen Dollar für einen Picasso gezahlt. Ist der Kunstmarkt außer Rand und Band?

Wilke: Nein, denn solche Preise sind selten. Es sind Einzelfälle, die natürlich große Beachtung finden. Doch sie dürfen nicht stellvertretend für den gesamten Kunstmarkt gesehen werden - selbst wenn mit solchen Summen die Auktionshäuser gerne demonstrieren: Es geht aufwärts. Aber es gibt viele Segmente, in denen sich die Preise ganz anders entwickeln. Zumindest jedoch dürften Klimt-Werke jetzt teurer werden. Eine solche Chance zur Preiserhöhung lassen sich die Galerien nicht entgehen.

sueddeutsche.de: Zuletzt gab es in den achtziger Jahren eine ähnliche Serie spektakulärer Versteigerungen. Ist die Situation vergleichbar?

Wilke: Damals boomte in Japan die Börse und die reichlich vorhandene Liquidität wurde dann am Kunstmarkt investiert. Viel Eitelkeit war damals im Spiel. Kunst war Mode geworden und alle Bereiche liefen gut - anders als heute. Als die Tokioter Börse kollabierte, brachen freilich die Preise für Kunst ebenfalls ein.

Ich würde die aktuelle Lage eher mit der Situation in der Phase zwischen dem Ausgang des 19. Jahrhunderts und der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts vergleichen. Damals gab es eine Reihe amerikanischer Millionäre wie den Finanzier Jack Pierpont Morgan, die mit viel Geld, aber durchaus mit Sachverstand in den Markt gingen, was aber nicht vor Preisübertreibungen schützte.

Seinerzeit wurde im Verlauf von etwa 30 Jahren das höchste Preisniveau am Kunstmarkt erreicht: Es lag real gesehen sogar noch über dem heutigen Level. Auch hier fielen die Preise später deutlich zurück, nicht zuletzt als Folge der vorangegangenen Übersteigerungen. Heute stehen wir eher am Anfang dieser Vergleichsperiode.

sueddeutsche.de: Gibt es viele Bilder, die derzeit ähnliche Preise erzielen könnten wie das Klimt-Gemälde?

Wilke: Die Höhe des Preises überrascht Marktkenner nicht. Zweifellos werden andere Bilder noch zu höheren Summer versteigert werden. Es ist aber schwer zu sagen, welche das dann tatsächlich sein werden, denn der Kunstmarkt ist launisch: Der Geschmack wechselt, und man ist ständig auf der Suche nach Überraschungen. Das bedeutet auch: Ein Bild von Picasso wird es wohl nicht sein. Sein Label ist schon sehr lange marktrelevant und trotz seiner unangefochtenen kunsthistorischen Bedeutung kein ewiger Selbstläufer. Die gibt es am Kunstmarkt nicht.

sueddeutsche.de: Inwieweit unterscheiden sich die Bestimmungsfaktoren für die Preisentwicklung auf dem Finanz- und Kunstmarkt?

Wilke: Es gibt zwei Aspekte: Beide Märkte sind von der Konjunktur abhängig. Wenn die Wirtschaft gut läuft, ist auch genügend Kaufkraft vorhanden. Das lässt sich derzeit auch gut am Beispiel Ostasien erkennen. Weil in China und Indien derzeit viel Liquidität vorhanden ist, rückte die ostasiatische Kunst wieder in den Vordergrund. In Deutschland hatte sie ihre Blüte Anfang des 20. Jahrhunderte.

Anders aber als auf dem Finanzmarkt spielen in der Kunst auch soziologische Aspekte eine große Rolle: Geschmack und Stil können sich wandeln. Eine Stilrichtung muss sich zunächst am Markt etablieren, das nimmt viele Jahre in Anspruch. Wird sie akzeptiert, möchte sie jeder haben und die Preise steigen. Doch plötzlich kann das Interesse erlahmen - weil sich die Stilrichtung erneut ändert, der Geschmack wechselt oder ein Künstler stirbt.

sueddeutsche.de: Kann auch der hohe Preis für das Klimt-Gemälde als Signal für einen Umbruch verstanden werden?

Wilke: Möglicherweise. Vielleicht weniger als Folge eines Geschmackswandels, denn diese Kunst hat in den vergangenen Jahren immer Interessenten gehabt, doch möglicherweise rückt jetzt der Jugendstil stärker ins Blickfeld. Doch das muss sich zunächst durch den Verkauf von Gemälden anderer Künstler auf diesem hohen Niveau bestätigen.

sueddeutsche.de: Gibt es Segmente am Kunstmarkt, die besonders empfindlich auf Konjunkturschwankungen reagieren?

Wilke: Das ist immer die absolute Moderne. Das lässt sich auch gut erklären: Denken Sie an den Einbruch Ende der achtziger Jahre. Den schärfsten Preisrückgang gab es bei der zeitgenössischen Kunst. Alte Druckgrafiken hielt sich seinerzeit hingegen hervorragend, obwohl der Bereich Druckgrafik insgesamt zurückgeworfen wurde.

Konservative Kunst ist resistenter gegenüber konjunkturellen Schwankungen, weil es sich meistens um museale Werke handelt. Nur wenig Material zirkuliert am Markt, das Angebot ist entsprechend knapp. Zeitgenössische Arbeiten können andererseits in schwierigen Zeit von Geschmackswechseln profitieren. Darum hielten sich in der großen Depression in den dreißiger Jahren die Preise für Picasso sehr gut.

sueddeutsche.de: Wenn der Kunstmarkt mit derart vielen Unsicherheiten behaftet ist, dürfte es Anlegern nicht leicht fallen, gezielt im Hinblick auf Wertsteigerungen zu kaufen...

Wilke: So ist es. Selbst wenn man mit einer gewissen Leidenschaft den Markt beobachtet, fällt es schwer herauszukristallisieren, was sich am Markt genau abspielt. Er ist extrem differenziert. Am Finanzmarkt verschaffen die Indizes rasch einen Überblick. Das geht am Kunstmarkt nicht. Die Intransparenzen sind nicht vollständig auflösbar, allein schon, weil es so viele lokale Vorlieben gibt. Darum ist es schwierig, früh zu erkennen, welcher Künstler sich einmal durchsetzen wird.

Viele Magazine suggerieren mit ihren Kolumnen und Hitlisten, dass sich mit der Kunst leicht Geld verdienen lässt. Doch die etablierte Kunst ist für viele zu teuer, und andere Empfehlungen entpuppen sich meist als Strohfeuer. Nach fünf oder zehn Jahren redet keiner mehr darüber. Die großen Händler um 1900 in Frankreich und Deutschland hingegen hatten schon sehr früh ein Gefühl dafür, was die Käufer in den nächsten Jahren interessieren könnte. Und das ist ja das Spannende in der Kunst: zu entdecken, was jetzt gerade ein paar tausend Euro kostet und vielleicht in zehn, zwanzig Jahren sehr viel mehr Geld wert sein könnte.

sueddeutsche.de: Was macht denn das Gros der Akteure am Kunstmarkt aus? Die, die aus Leidenschaft sammeln, oder die, die auf Wertsteigerungen hoffen?

Wilke: Die erfolgreichen Sammler haben beides miteinander verknüpft. Diejenigen, die sich der Sache ausschließlich von der wirtschaftlichen Seite nähern und glauben, mit den klassischen Kapitalmarktinstrumenten schnell ein lukratives Portfolio aufbauen zu können, werden erfolglos bleiben. Denn anders als Aktien sind Kunstgegenstände keine austauschbaren Güter mit einem inneren Wert. Jedes Werk ist einzigartig.

sueddeutsche.de: Öffnet das Fehlen fester Bezugspunkte nicht der Willkür Tor und Tür?

Wilke: Nicht ganz. Über den aktuellen Wert von Bildern herrscht oft erstaunliche Einigkeit. Wenn sie zehn Gutachter bitten, ein Bild zu schätzen, weichen die Ergebnisse meist nur wenig voneinander ab.

sueddeutsche.de: Was könnte die nächste große Mode in der Kunst sein?

Wilke: Ich würde keiner bestimmten Richtung das Wort reden wollen. Doch gehe ich davon aus, dass die im klassischen Sinn eher konservative Kunst in den nächsten fünf bis zehn Jahren erfolgreicher sein dürfte. Auch das hängt wiederum mit der Gesellschaft zusammen, die sich zunehmend konservativer orientiert. Die erfolgreiche zeitgenössische Kunst ist überraschend figurativ: Realistische Gemälde sind der Renner. Zehn Jahre zuvor hat man sich nur um Abstraktes gekümmert, doch viele haben diese Kunst offenbar nicht mehr verstanden.

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