Porsche: VW-Übernahme:Im Stau

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Porsche-Chef Wiedeking war bisher für seine Ungeduld bekannt - nicht so bei der geplanten Übernahme von VW.

Karl-Heinz Büschemann und Michael Kuntz

Wenn Porsche-Chef Wendelin Wiedeking diskrete Verhandlungen führen muss, geht er ins Gasthaus. Schwierige Gespräche mit Zulieferern oder komplizierte Verhandlungen über Kredite führt der 53-jährige Firmenchef nicht in seinem Büro im Sportwagenwerk in Zuffenhausen, sondern im Gasthaus "Friedrich von Schiller" in Wiedekings Wohnort Bietigheim, nur ein paar Kilometer von der Porsche-Zentrale entfernt. Im Nebenzimmer des Landrestaurants gibt es außer der diskret bedienenden Wirtin keine unerlaubten Zuhörer. Die Gespräche verlaufen meist zur Zufriedenheit des Porsche-Chefs, weil im "Schiller" für die Gesprächspartner schwerer Rotwein und eine gut sortierte Auswahl erlesener Zigarren zur Verfügung stehen.

Noch keine freie Fahrt für Wendelin Wiedeking: die VW-Übernahme zieht sich hin. (Foto: Foto: AP)

Zehn-Millionen-Kredit im Gasthaus ausgehandelt

In diesem schlichten Nebenraum hat der Porsche-Mann auch mit Vertretern seiner Hausbanken den Zehn-Milliarden-Euro-Kredit ausgehandelt, mit dem der kleine Sportwagenbauer Porsche die Mehrheit an dem Wolfsburger VW-Konzern bezahlen will, des größten Autokonzerns in Europa. Diese Woche hat Wiedeking das Darlehen abgerufen. Doch er wird das Geld erst einmal zinsbringend anlegen. Wann er es für den Kauf der VW-Mehrheit einsetzt, ist unklar. "Wir haben keine Eile", heißt es bei Porsche.

Das sind neue Töne. Bislang galt als ausgemacht, dass der Sportwagenhersteller, der im Herbst 2005 bei VW eingestiegen war und 30 Prozent an dem Wolfsburger Unternehmen hält, schon bald über die 50-Prozent-Grenze gehen wird, um das Ruder ganz zu übernehmen. So hatte es der Porsche-Chef, der für seine Ungeduld und Entschiedenheit bekannt ist, angedeutet. Gleich nach dem Einstieg hat er in Wolfsburg zum Leidwesen des Unternehmenschefs Martin Winterkorn vom Aufsichtsrat aus wesentliche Zügel in die Hand genommen. Von diesem Drang ist nichts mehr zu spüren. Der Vormarsch von Porsche bei VW stockt.

Krieg in der Öffentlichkeit

VW-Betriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh attackiert den selbstbewussten Wiedeking. (Foto: Foto: ddp)

Es sah so einfach aus, obwohl es unwirklich erschien, dass der kleine Sportwagenbauer Porsche, der 100.000 Autos im Jahr baut, einen Konzern schlucken könnte, der mehr als fünf Millionen Autos im Jahr produziert. Aber Porsche verdient mit wenigen Sportwagen mehr Geld als der riesige VW-Konzern mit seinen Audis, Passats und Golfs. Wiedeking gründete eine Holding, die unter seiner Führung Porsche und VW steuern sollte.

Es kam manches anders, als Wiedeking dachte. Erst bekriegten sich die Betriebsräte von Porsche und VW auf dem offenen Markt. Sie stritten sogar vor Gericht, weil Wiedeking den Wolfsburger Betriebsräten im neuen Aufsichtsrat von Porsche und im neuen Betriebsrat nicht so viele Sitze geben wollte, wie die kraft der Größe von VW verlangten. Auch über die Strategie von VW gibt es Kämpfe zwischen dem VW-Management unter Martin Winterkorn und Wiedeking. Der vorläufige Tiefpunkt im automobilen Nord-Süd-Konflikt war die Entscheidung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vom Januar, das sogenannte VW-Gesetz in Teilen zu erneuern.

Der Europäische Gerichtshof hatte im Oktober die Beschränkung der Stimmrechte von VW-Aktionären aus den Angeln gehoben. Die Regelung, die dafür sorgte, dass kein Aktionär mehr Einfluss nehmen konnte als das Land Niedersachsen, das 20 Prozent der VW-Aktien hält, verstoße gegen EU-Recht.

Das hatte Wiedeking erwartet. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass die Bundesregierung Teile des Gesetzes retten will. Sie will auf Druck des VW-Betriebsrates, der IG Metall und des SPD-Chefs Kurt Beck erreichen, dass in Zukunft wichtige Entscheidungen bei VW wie eine Werksverlagerung nur mit einer Mehrheit von 80 Prozent der Aktionäre möglich sind. Für Porsche hätte sich damit bei VW nichts geändert. "Das hat uns überrascht", heißt es in Zuffenhausen.

Bei VW nicht schalten und walten zu können, wie er es bei Porsche gewohnt ist, scheint für Macher Wiedeking nicht denkbar zu sein. Nicht einmal der Zukauf weiterer Aktien könnte seine Position derzeit stärken. Wiedeking hofft daher, dass das VW-Gesetz doch noch ganz fällt. Aber inzwischen stellt sich die alte Koalition von VW-Management, dem mächtigen VW-Betriebsrat und der Landesregierung von Niedersachsen neu gegen Wiedeking auf. Sie stand für die besondere VW-Kultur, die für hohe Löhne, sichere Beschäftigung, aber auch für Fehlentwicklungen wie nicht ausgelastete Fabriken und vom Unternehmen bezahlte Lustreisen für Betriebsräte stand. Die Vertreter der Machtblöcke wissen aber, dass gegen sie auch ein noch so umtriebiger Wiedeking machtlos ist, solange das VW-Gesetz steht.

"Ein Unternehmen wird von seinen Arbeitnehmern und der gelebten Unternehmenskultur geprägt. Nicht vom Hauptaktionär", stichelt der Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh gegen die neuen Herren aus Zuffenhausen, die in Wolfsburg vieles umkrempeln und nach Porsche-Vorbild modernisieren wollen. Das aber wollen weder der VW-Chef Winterkorn noch sein Betriebsratschef Bernd Osterloh.

Gewachsene Kultur bei VW

Der mächtige Betriebsratschef erklärt auch, warum die Mitbestimmung bei VW schon immer eine größere Rolle spielte als anderswo: "Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Arbeitnehmer das Unternehmen ohne Eigentümer wieder aufgebaut, dem hat das Volkswagen-Gesetz Rechnung getragen."

Diese gewachsene, unverwechselbare Kultur habe sich im Laufe der Zeit angepasst. "Wir haben immer wieder bewiesen, dass wir in der Lage sind, uns an die Wettbewerbssituation anzupassen." Die Belegschaft hatte sich daran gewöhnt, mit Martin Winterkorn einen neuen Chef zu haben, der mit der Vorgabe "Toyota überholen" ein griffiges Ziel vorgab.

Wenig begeistert waren die 324.000 VW-Mitarbeiter über ein Interview von Wiedeking vom September 2007. Jeder VW-Mitarbeiter müsse sich ständig um Verbesserung bemühen, sagte Wiedeking darin. "Es darf keine heiligen Kühe geben, denn die gibt es auch bei Porsche nicht." In Wolfsburg wurde das als Angriff auf die IG Metall und die Betriebsräte bei VW verstanden. Das Verhältnis von Großaktionär und Belegschaft ist seitdem gestört.

Wiedeking versuchte in Zeitungsanzeigen, die Belegschaft für sich zu gewinnen. "Porsche steht für Arbeitsplatzsicherung, Standortsicherung und Gehaltssicherung", heißt es. Der VW-Konzern werde nicht zerschlagen. Porsche stehe für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Verantwortung, Mitbestimmung bleibe ein "entscheidender Erfolgsfaktor". Doch das glaubt Wiedeking in Wolfsburg niemand. Zur Betriebsversammlung am kommenden Dienstag ist Wiedeking jedenfalls wieder nicht eingeladen. Der übt sich in Geduld. "Wir werden es schaffen", sagt er intern trotzig. Um zum Ziel zu kommen, wird er aber im Bietigheimer Gasthaus "Friedrich von Schiller" noch Friedenszigarren mit so manchem Widersacher rauchen müssen.

© SZ vom 22.02.2008/ang - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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