Porsche-Prozess:"Wir waren Visionäre, aber keine Spieler"

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Wendelin Wiedeking als Angeklagter am Landgericht Stuttgart: Nicht so polternd wie früher als Manager, aber doch selbstbewusst. (Foto: Michael Dalder/Reuters)
  • Nach der missglückten Übernahme von Volkswagen müssen sich Wiedeking und Härter vor Gericht verantworten.
  • Wiedeking nutzt den ersten Prozesstag für eine Abrechnung mit Piëch.

Von Max Hägler, Stuttgart/München

Am Ende dieses ersten Prozesstages steht zumindest eines fest: Ferdinand Piëch ist eine rätselhafte Figur. "Intransparent" sei dieser Mann, sagt der Angeklagte Wendelin Wiedeking. Um den ehemaligen VW-Patriarchen, dessen besonders herrische Führungskultur vielleicht auch den Abgasskandal ermöglicht hat, dreht sich viel bei diesem Auftakt des Porsche-Prozesses in Stuttgart. Diesem Prozess, der klären soll, wie und wann Wendelin Wiedeking und Holger Härter viele Milliarden Euro umhergeschoben haben im Jahr 2008. Wiedeking war damals Chef von Porsche, Härter sein Finanzchef, und gemeinsam haben sie damals versucht, die Mehrheit beim Volkswagen-Konzern zu erlangen. Dass sie das wollten, das sagen Wiedeking und Härter ganz offen. Aber sie bestreiten die Dimension. Die Anklage lautet, sie hätten bereits im März 2008 über 75 Prozent der Anteile gehen wollen. Aber sie hätten die Börsen über das Ansinnen getäuscht, also "Marktmanipulation" betrieben mit dem Zweck, dass ihr Ziel, die VW-Stammaktien, nicht zu teuer würden.

Und 75 Prozent Anteile an einer Firma, das ist eine wichtige Marke, weil ab da ein Eigentümer beherrschend wird.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien schlicht "absurd"

Wiedeking scheiterte letztlich mit seiner Version des Planes, musste das Unternehmen verlassen, gut gepolstert mit 50 Millionen Euro Abfindung. Das hier vor Gericht ist nun der erste große Auftritt des robust daherkommenden Westfalen seit vielen Jahren. Und es ist ein selbstgewisser; schon vor dem Betreten des Saales sagt der 63-Jährige: "Ich bin unschuldig." Nachdem der Staatsanwalt die Anklage verlesen hat, setzt Wiedeking an zu einer über einstündigen Verteidigungsrede, vorgetragen mit fester Stimme und der Anmerkung, dass er den darbenden Autobauer Porsche zu einem der wichtigsten Steuerzahler in Stuttgart hochgepäppelt habe. Man habe das Aufstocken auf 75 Prozent und mehr schon durchgespielt, sagt Wiedeking. Das sei auch unternehmerische Pflicht gewesen: Ein Manager müsse alle Varianten im Blick haben. Doch es habe bis Oktober 2008 keine Beschlüsse gegeben - was vor allem an Piëch gelegen habe.

Das hier ist auch eine Abrechnungsrede.

"Intransparent" sei die Haltung des Porsche-Enkels stets gewesen, der damals auch VW-Aufsichtsratschef war. Mit der Verwandtschaft, vor allem der namensgebenden Porsche-Familie, sei der zerstritten gewesen: "Die misstrauten sich." Auch wenn beide Familien eigentlich angetan gewesen seien von der Idee, nicht nur Porsche zu beherrschen, sondern auch Volkswagen, die Firma also, die ebenfalls die Großväter der beiden Clans aufgebaut haben. Und auch das Verhältnis zwischen ihm und Piëch sei "immer schlechter" geworden. Schließlich habe Piëch ihn, der mit seinem eigenen Vermögen bei Porsche eingestiegen sei, öffentlich als Angestellten bezeichnet und gegenüber Journalisten seinen Rauswurf herbeigeredet.

Das wurmt Wiedeking, man spürt es im Saal. Und er spricht es auch aus: Die von der Staatsanwaltschaft unterstellte Nähe zu Piëch, also die unterstellte Geheimabrede zur VW-Übernahme, "schmerzt mich richtig". Piëch sei ja, sagt Wiedeking, "berüchtigt" dafür, dass er die eigenen Leute über die Presse attackiere. Insofern hätten er und Härter immer nur scheibchenweise VW-Anteile kaufen können - zumindest bis dann im Oktober 2008 Piëch - auch unter massivem Druck von Arbeitnehmervertretern und Verwandten - sein öffentliches Einverständnis zu einer beherrschenden VW-Übernahme gegeben habe. Insofern seien die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft "absurd". Das Wort verwenden Wiedeking und sein damaliger Kompagnon, Finanzchef Härter, oft: Wie hätten sie angesichts dieses Lavierens eines maßgeblichen Eigentümers eine Entscheidung treffen sollen, ein Übernahmedrehbuch schreiben können?

Absurd sei diese Vorstellung! Das Großspurige, das die beiden schon auch an sich haben, das verbergen sie an diesem Tag. Die Anekdote etwa, dass sie ihren Arbeitsort Stuttgart-Zuffenhausen in Entenhausen umbenennen wollten. "Wir waren Visionäre, aber keine Spieler", behauptet Wiedeking stattdessen. Er sei unschuldig, das betreffe auch den zweiten Vorwurf, am 26. Oktober 2008 die Kurse mittels einer unvollständigen Pressemitteilung in die Höhe gepeitscht zu haben, um Finanzmarktgeschäfte nicht zu gefährden. Und deshalb sei er freizusprechen. Als Verteidiger Walther Graf die Einlassung seines Mandanten noch einmal zusammenfasst, samt der Spitzen gegen die Strafverfolger, da will der Staatsanwalt widersprechen - doch der Vorsitzende Richter lässt ihn erst nicht. Als er später das Wort bekommt, stellt er nur noch lapidar fest: "Beide Anklagen sind zugelassen!" Das soll wohl so viel heißen wie: Die Sache ist nicht aus der Luft gegriffen, weil ja schon ein Gericht drübergeschaut hat! Wobei das unterschlägt, dass dieses Gericht, an dem der Fall verhandelt wird, die erste Hälfte des Falles gar nicht zulassen wollte - mangels Schuldwahrscheinlichkeit - und erst durch das Oberlandesgericht dazu gezwungen werden musste: Das OLG hält eine "verdeckte Beschlusslage" für möglich, die durch Zeugenvernehmungen "unter dem Menetekel drohender Vereidigung" bewiesen werden könne. Doch an den kommenden Verhandlungstagen, 16 sind bis Januar anberaumt, wird es wohl vor allem um Indizien gehen. Einen schlagenden Beweis, ein Dokument etwa, haben die Ankläger bislang nicht vorlegen können. Und einer, der Licht ins Dunkel bringen könnte, wird es wohl nicht tun, weil er sich vielleicht selbst belasten würde: Der rätselhafte Herr Piëch wird wohl die Aussage verweigern.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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