Pipers Welt:Der Fluch des Hugo Chávez

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Schlechte Nachrichten aus Venezuela. Das Land könnte zum Failed State werden.

Von Nikolaus Piper

Neue schlechte Nachrichten aus Venezuela. Der Parlamentspräsident des Landes, Diosdado Cabello, wird von den USA beschuldigt, zum Führungspersonal eines Drogenkartells zu gehören. Die Meldung passt zu vielen anderen aus den letzten Wochen. Venezuela ist dabei, ein failed state, eine gescheiterte Nation zu werden, die in Arbeitslosigkeit, Inflation, Korruption und einer Welle von Gewaltverbrechen versinkt.

Die Nachricht ist ein guter Anlass, sich eines wenig bekannten Ökonomen zu erinnern: Richard Auty, heute emeritierter Professor der Universität Lancaster, prägte vor über zwanzig Jahren den Begriff " Resource Curse" ("Fluch der Ressourcen"). Dahinter stand die Beobachtung, dass Reichtum an nicht erneuerbaren Ressourcen, besonders Öl, für viele Länder kein Segen, sondern ein Fluch sind. Sie sind ärmer, korrupter und meist undemokratischer, als sie es sonst wären. Jeffrey Sachs von der Columbia University und andere Ökonomen entwickelten daraus eine mittlerweile erprobte Theorie. Ressourcenreichtum ist danach eine Einladung zur Selbstbereicherung korrupter Eliten, ein ständiger Anreiz für andere, sich ihren Teil mit Gewalt anzueignen und eine Entmutigung für Innovatoren. Nur ein Land mit sehr stabilen und erprobten Institutionen, wie zum Beispiel Norwegen, kann sich dem entziehen.

Es gibt unzählige Beispiele: Nigeria, Angola, Kongo, Russland, Sierra Leone mit seinen "Blutdiamanten" und eben Venezuela. Dieses Land ist deshalb bemerkenswert, weil der Absturz hinter der Fassade eines "Sozialismus des 21. Jahrhundert" stattfand, der auch viele Linke im Westen begeisterte. Der populistische Führer der "bolivarischen Revolution" in Venezuela, Hugo Chávez, gilt manchen immer noch als Volksbefreier.

Venezuela verfügt über höhere Ölreserven als Saudi-Arabien. Ehe dieses Öl entdeckt wurde, war das Land eine leidlich stabile Republik, heute ist es ein verarmtes Land am Rande der Diktatur. Als der Ölpreis um 100 Dollar lag, ließ sich der Niedergang noch einigermaßen verbergen, jetzt, bei 60 Dollar, befindet sich das Land im freien Fall. Die Wirtschaft wird 2015 um sieben Prozent schrumpfen, die Inflation liegt bei 96 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei 12,8 Prozent.

(Foto: N/A)

Das Verhängnis kam mit fast unheimlicher Konsequenz. Chávez und sein Nachfolger Nicolás Maduro plünderten die nationale Ölgesellschaft PDVSA. Sie verteilten die Erlöse in angebliche Sozialprojekte für die eigene Klientel. Daneben scheinen sich viele Führer der "bolivarischen Revolution" selbst bereichert zu haben. Der Preismechanismus ist durch Subventionen und verordnete Preise außer Kraft gesetzt, niemand hat mehr einen Anreiz, etwas zu produzieren. Die Ölgesellschaft PDVSA ist ein Selbstbedienungsladen für Politiker geworden, das Unternehmen hat schon lange seine Substanz aufgezehrt. Die Institutionen der Republik werden immer mehr ausgehöhlt.

In einer Studie von 2006 nennt die Weltbank eine einfache Regel für alle, die dem Ressourcenfluch entkommen wollen: "Investiere die Rente aus der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen" (und konsumiere sie nicht). Wobei "Rente" alles ist, was über die Löhne und die normale Kapitalverzinsung hinausgeht. Die Regelung ist unbequem, besonders für lokale Politiker, aber auch für NGOs aus dem Westen, die die Interessen der Armen vertreten wollen. Sozialprogramme müssen aber aus Steuern und Sozialabgaben finanziert werden. Wenn ein Land erst einmal anfängt, seinen natürlichen Reichtum zu konsumieren, dann hat der Fluch zu wirken begonnen.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Nikolaus Piper und Thomas Fricke im Wechsel.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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