Pipers Welt:Angst um Frankreich

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Bei den Wahlen an diesem Sonntag entscheidet sich, wie viel Einfluss die rechtsextreme Partei Front National in Zukunft haben wird. Ihr Programm ist erschreckend.

Von Nikolaus Piper

Zwei Niederländer haben es jüngst auf Youtube zu einigem Ruhm gebracht: Sie lasen Passanten grausame Passagen aus der Bibel vor, behaupteten erst, diese seien aus dem Koran und belehrten die Leute danach über ihre Vorurteile. In diesem Sinne sei hier folgendes Experiment vorgeschlagen: Man nehme das Wirtschaftsprogramm des rechtsextremen Front National aus Frankreich, verschweige die Herkunft und entkleide es der xenophoben Rhetorik. Dann lese man es Passanten in europäischen Städten vor und frage nach deren Meinung. Wahrscheinlich würde eine Mehrheit dem Programm zustimmen.

Bei den Wahlen an diesem Sonntag entscheidet sich, wie viel Einfluss der Front National von Marine Le Pen in Zukunft in Frankreichs Regionen haben wird. Kritiker befassten sich bisher vor allem mit der Fremden- und Europafeindlichkeit Le Pens, nicht jedoch mit ihrem Wirtschaftsprogramm. Es ist höchste Zeit, dies nachzuholen, denn das Programm zeigt erst richtig, wie gefährlich diese Partei ist. Über weite Strecken liest sich das Programm, verfasst von dem 34 alten Ena-Absolventen Florian Phillipot, klar links. Es nimmt die Angst vor der Globalisierung und die antiliberale Grundstimmung auf und verbindet beides mit aggressiver Fremdenfeindlichkeit zu einer für viele verführerischen Mischung.

(Foto: N/A)

Einige Positionen könnten den Programmen linker Parteien entnommen sein. Zum Beispiel die "Befreiung von den Finanzmärkten". Künftig soll die Bank von Frankreich zinslose Kredite an den Staat vergeben, der sich dann nicht mehr teuer verschulden müsste. Der linke britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn fordert etwas Ähnliches. Tatsächlich würde Le Pen einfach die Notenpresse anwerfen, die Banque de France entmachten und die Inflation anheizen.

Die EU sei das "trojanische Pferd der Ultra-Globalisierung", heißt es im Programm. Le Pen möchte den Franc wieder einführen, um 20 Prozent abwerten und den Euro zu einer Art Parallelwährung machen. Nebenbei will sie die Banken "teilweise verstaatlichen". Auf alle Importe soll eine Steuer von drei Prozent erhoben werden. Mit dem Erlös aus diesem Einfuhrzoll sollen niedrige Löhne um 200 Euro im Monat aufgestockt werden. Die Strom- und Gastarife sollen um drei Prozent gesenkt, die Rente mit 60 festgeschrieben werden.

Globalisierungs-Kritik, Bankenkritik, Protektionismus, Schutz der kleinen Bauern, soziale Wohltaten (natürlich nur für Franzosen) und eine "strategische Partnerschaft" mit Russland - die Mischung ist deshalb so toxisch, weil Teile davon weit über das rechtsextreme Lager hinaus mehrheitsfähig sind, nicht nur in Frankreich.

Es gibt viele Argumente gegen das Programm: Die Importsteuer wäre gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO, Frankreichs Handelspartner würden mit Vergeltungszöllen reagieren. Ein weicher Franc würde die Wirtschaft ruinieren; das Rentensystem würde in den Bankrott getrieben. Und die Forderung nach einem Bündnis mit Russland bekommt eine besondere Note, wenn man weiß, dass der Front National derzeit von Krediten russischer Banken abhängt.

Aber Ressentiments sind häufig stärker als ökonomische Vernunft. Die französische Geschichte kennt viele Beispiele von krassem Staatsdirigismus, alle sind letztlich gescheitert. Und jetzt versucht es auch noch eine rechtsextreme, fremdenfeindliche Partei damit. Man muss Angst um Frankreich haben.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Nikolaus Piper und Thomas Fricke im Wechsel.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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