Patrick Adenauer::"Die Politik handelt nicht zum Wohle des Bürgers"

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Patrick Adenauer über Familienunternehmer und gierige Manager, den Einfluss von Lobbyisten und die Große Koalition.

Elisabeth Dostert

"Die Politik hat einen neuen Feind entdeckt: den Manager", sagt Patrick Adenauer, 47, Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer ASU. An der Großen Koalition hat der Enkel des ersten deutschen Bundeskanzlers, Konrad Adenauer, sehr viel auszusetzen. Sie schiele nur auf die Wiederwahl. Unternehmer ist Patrick Adenauer trotzdem noch gerne, sagt er.

ASU-Präsident Patrick Adenauer (Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Adenauer, Erbschaftsteuer, Unternehmensteuerreform, Mindestlohn - die jüngsten Reformen der Großen Koalition empfinden viele Familienunternehmer eher als eine Belastung denn als Entlastung. Wie konnte es so weit kommen? Haben Unternehmer und ihre Lobbyisten keinen Einfluss mehr in Berlin?

Adenauer: In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, dass der Aufschwung bei den Bürgern nicht ankommt. Das ist das Generalthema der Diskussion, die stark von den Linken und von der SPD befeuert wird. Und die Union fürchtet, dass sie als unsozial dastehen könnte. Aus Sorge, Wähler zu verlieren, macht sie bei der populistischen Debatte mit, statt die Erfolge der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre aktiv zu verkaufen. Dadurch macht sie die Linke erst stark, wie die Wahlergebnisse in Hessen und Niedersachsen gezeigt haben.

SZ: Kommt der Aufschwung denn wirklich bei den Bürgern an?

Adenauer: Natürlich, aber immer mit Zeitverzögerung. Die Unternehmen müssen doch erst einmal die Gewinne erwirtschaften, die dann in der Folge auch zu höheren Löhnen führen. Dass diese Zeitverzögerung systemtypisch ist, steht in jedem Lehrbuch. Aber es wird den Bürgern nicht erläutert.

SZ: Sie geben also zu, dass der Aufschwung noch nicht in der Bevölkerung angekommen ist?

Adenauer: Was heißt zugeben! Die Einkommen steigen, die Lohnzusatzkosten sinken, die Leute haben netto mehr in der Tasche. Der Aufschwung kommt an. Es arbeiten mehr Menschen, und die Sozialkassen erholen sich langsam. Aber wir lassen uns eine Diskussion aufdrängen, dass der Aufschwung nicht ankommt.

SZ: Und Sie fühlen sich als Buhmann?

Adenauer: Genau. Die Politik hat einen neuen Feind entdeckt: die Manager. Natürlich gibt es Fälle, die öffentlich genannt werden müssen. Dank der Gesamtentlohnung des ehemaligen DaimlerChrysler-Chefs Jürgen Schrempp und der jüngsten Verdächtigungen gegen Post-Chef Klaus Zumwinkel hat man jemanden, auf den man eindreschen kann. Das sind aber absolute Einzelfälle, allerdings sehr prominente. Dennoch: Die Mehrzahl der Manager arbeitet solide.

SZ: Familienunternehmer sind ja gar keine Manager, die Kritik kann Sie also kalt lassen.

Adenauer: Leider nicht. Das Problem ist, dass in der öffentlichen Diskussion das ganze System in Misskredit gerät. In diesem populistisch geprägten Umfeld müssen auch wir Familienunternehmer agieren. Es wird für uns immer schwerer, mit der Politik ins Gespräch zu kommen.

SZ: Weil die auf Volkes Stimme hört?

Adenauer: Im Vorfeld der Landtagswahlen trieb jede Partei die Sorge, unsozial zu sein. Vor zwei Jahren galt noch der Grundsatz: Sozial ist, was Arbeit schafft. Heute gilt: Der Staat muss die Bürger mehr alimentieren und verwöhnen, und das Geld dafür muss man den sogenannten "Reichen" wegnehmen.

SZ: Das heißt aber nichts anderes, als dass der Einfluss der Unternehmer und ihrer Verbände nicht mehr so groß ist?

Adenauer: Was heißt schon Einfluss? Wie sollen denn Verbände Einfluss nehmen?

SZ: Naja, die Lobbyisten drängen immer wieder die Politik, Reformen für ihre Klientel zu machen. Das gelingt mal mehr, mal weniger.

Adenauer: Der Verband der Familienunternehmer betreibt keine Klientel-Politik.

SZ: Sondern?

Adenauer: Wir setzen uns für eine soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards ein. Das ist eine Marktwirtschaft, die für alle Bürger gut ist, nicht nur für Unternehmer. Wer ist denn schon die Wirtschaft?

SZ: Ja, wer?

Adenauer: Na, die deutschen Familienunternehmer! In den Medien stehen immer nur Daimler und Bayer, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Peer Steinbrück machen da keine Unterschiede, wenn sie auf die Managergehälter schimpfen. Wir setzen uns doch nicht für die Partikular-Interessen der Unternehmen ein, um die Eigentümer noch reicher zu machen, sondern weil eine funktionierende Wirtschaft die Voraussetzung für ein funktionierendes Gemeinwesen ist. Das neue Gesetz zur Unternehmensbesteuerung und die geplante Reform der Erbschaftsteuer haben viele Mängel und behindern Unternehmertum. Damit behindern sie auch die Weiterentwicklung Deutschlands.

SZ: Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Adenauer: Die Unternehmensteuerreform sieht mehr als 200 neue Regeln vor und führt zu einer extremen Bürokratisierung. Da sind einzelne Regeln, die für wenige Konzerne ersonnen wurden, damit diesen die angeblicheVerschiebung von Gewinnen ins Ausland erschwert wird. Im Ergebnis kommen aber alle Unternehmer unter Generalverdacht. Überhaupt ist das Leitbild des Steuergesetzgebers der chronische, wesensmäßige Steuerhinterzieher und -missbraucher, gegen den man mit immer absonderlicheren Vorschriften glaubt vorgehen zu müssen.

Das zeigt, welches Unternehmerzerrbild in der Finanzbürokratie vorherrscht. Der ganz großen Mehrheit der Familienunternehmer in Deutschland tut man damit bitter Unrecht. Das gilt auch für die Erbschaftsteuerreform. Hier wurde aus einem Reformvorhaben für Familienunternehmer ein Gesetzentwurf gegen sie.

SZ: Sie sitzen doch, übrigens als einziger Verbandsvertreter, im Rat für Wachstum und Innovation der Kanzlerin. Warum haben Sie Ihre Ansichten der Kanzlerin nicht klarer machen können?

Adenauer: Weil die Politik auf Meinungsumfragen schielt. Sie hört nur auf den angeblichen Mann auf der Straße und macht Politik gegen besseres Wissen, nur um wiedergewählt zu werden. Die Stimme der Unternehmer wird gehört, vielleicht sogar verstanden, aber ignoriert, weil ein großer Teil der SPD-Fraktion unternehmerfeindlich aufgestellt ist.

SZ: Die SPD ist also an allem schuld?

Adenauer: Sie ist jedenfalls ein großer Bremsklotz. Natürlich gibt es auch in der SPD vernünftige Leute, aber die meisten sehen kein Heil darin, Unternehmertum in Deutschland zu stärken, sondern sind der Ansicht, dass der Staat alles regulieren muss und dass nur Geld, das durch die Staatskasse gelaufen ist, gutes Geld ist. Was dabei herauskommt, sieht man ja bei SachsenLB, IKB und WestLB.

SZ: Aber ist die Union wirklich so viel besser?

Adenauer: Die Union bekämpft solche Ansichten nicht, weil sie die Große Koalition nicht gefährden will und Frau Merkel Kanzlerin bleiben will. Das Phänomen ist nicht neu. Für seine Theorie über die kontratheoretischen und konstitutionellen Grundlagen der ökonomischen und politischen Beschlussfassung hat James McGill Buchanan 1986 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekommen. Die Große Koalition ist ein Paradebeispiel dafür. Die Politik handelt nicht, wie es eigentlich ihre Aufgabe ist, zum Wohle des Bürgers, sondern im Sinne der Partei und der Wiederwahl.

SZ: Haben Sie den Eindruck, dass sich dieses Verhalten in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt hat?

Adenauer: Dieses Verhalten ist immer dann ausgeprägter, wenn die Konjunktur gut läuft. Sobald die Wirtschaft funktioniert, gibt es einen Selbstzerfleischungsprozess, der immer sehr schnell eintritt. Jetzt ist auf einmal Geld da und das muss verteilt werden, anstatt mal einen Kurs durchzuhalten, von dem bis Mitte 2006 gar nicht sicher war, ob er wirklich zu einer Entspannung am Arbeitsmarkt führt. Nun weichen wir wieder vom Kurs ab, und es wird ein Bild erzeugt, als ob der Sozialstaat kurz vor dem Untergang stehe und die Manager zu viel Geld verdienen. Das ist eine Unverschämtheit.

SZ: Haben Sie jetzt noch Spaß daran, Unternehmer in Deutschland zu sein?

Adenauer: Doch. Aber ich spüre, dass wir auf einem verhängnisvollen Kurs sind. Die Politik erzeugt völlig überflüssigerweise eine Negativ-Stimmung, statt das System weiter zu verbessern.

© SZ vom 16.02.2008/ang - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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