Patente:Schwere Summer

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Anders als bei Elektroautos sind deutsche Hersteller bei elektrischen Nutzfahrzeugen führend - dies zeigt eine Auswertung von Patenten für E-Lkw, die in den vergangenen Jahren eingereicht wurden. Den Anfang machen Transporter für die Innenstädte.

Von Thomas Fromm, München

Vielleicht wird es am Ende sogar Menschen geben, die den tiefen Motorenlärm der schweren Lastwagen vermissen. Aber irgendwann werden auch die größten und lautesten Brummer nicht mehr laut sein, sondern elektrisch summen. Zuerst nur die kleinen Transporter und Lastwagen in den Städten, die langsam von Diesel auf Batterie umgestellt werden, Fahrzeuge wie der MAN-Kastenwagen eTGE oder der elektrische Sprinter von Daimler, zu sehen in den nächsten Tagen bei der IAA Nutzfahrzeugmesse in Hannover. Später dann sollen aber auch die großen, schweren Langstrecken-Lkw umgestellt werden: Dieselmotor raus, Elektromotor rein. Die Überraschung: Anders als bei Elektroautos sehen Experten deutsche Lkw-Hersteller bei der Elektrifizierung ziemlich weit vorne, wie eine Studie der Münchner Patentkanzlei Grünecker zeigt. "Im Gegensatz zu E-Autos können die deutschen Hersteller bei E-Transportern und E-Lastwagen sehr gut mithalten", sagt Studienautor Jens Koch, Patentanwalt und Experte für die Automobilindustrie bei Grünecker. Man sei "selbst überrascht" gewesen, "wie intensiv sich die Hersteller auf die Zukunft mit elektrischen Lkw vorbereiten". Patente gelten als verlässlicher Indikator für das, was Unternehmen in den kommenden Jahren auf den Markt bringen wollen. Es gilt: Je mehr Patente, desto mehr technologisches Know-how. "In Summe stammen rund ein Drittel der veröffentlichten Patente für E-Nutzfahrzeuge der vergangenen zehn Jahre von deutschen Herstellern und deren Töchtern", so Koch.

Und so wie es zurzeit aussieht, haben die deutschen Hersteller hier erst einmal freie Bahn. "Chinesische Großproduzenten wie FAW, Dongfeng, CNHTC, Shaanxi und Foton und der indische Konzern Tata haben in den vergangenen zehn Jahren weltweit keine relevanten Patente für E-Lastwagen angemeldet", heißt es in der Grünecker-Studie. Allerdings würden Japaner und Amerikaner gerade aufholen - und seien inzwischen schon "deutlich dynamischer als Deutschland".

Vor allem bei Lkw, die keine Strecken von 500 Kilometer und mehr am Tag zurücklegen, soll sich der Batterieantrieb schon bald rentieren - dazu gehören Nutzfahrzeuge und kleinere Transporter, die Lieferdienste erledigen, den innerstädtischen Einzelhandel beliefern oder Müll transportieren. "Bei Lkw, die große Distanzen am Tag zurücklegen müssen, wird sich das zunächst nicht lohnen", sagt Anders Nielsen, bei der VW-Lkw- und Bussparte Traton verantwortlich für Forschung und Entwicklung. "Bei Verteiler-Lkw, die maximal 200 bis 300 Kilometer am Tag fahren, dagegen sehr." Schon ab 2025 herum könnte es billiger sein, diese Verteiler-Nutzfahrzeuge mit Batterie zu fahren als mit Diesel. Für die Elektrifizierung von Lkw und Bussen der Marken MAN, Scania und VW Nutzfahrzeuge haben man daher schon mehr als 800 Patente angemeldet, so Nielsen.

Dass die Deutschen versuchen, zumindest bei elektrischen Nutzfahrzeugen vorne zu sein, hat gute Gründe: Wie bei den Autos geht es auch hier um den Klimaschutz und die Frage, wie sich die Abgasbelastung in Großstädten und auf Autobahnen in den Griff kriegen lässt. Da ist die EU-Kommission, die nicht nur strenge Emissionsgrenzen für den Autoverkehr vorgibt, sondern auch bei Lkw eine Senkung des Ausstoßes des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) um 30 Prozent von 2019 bis 2030 in Europa auf die Tagesordnung gesetzt hat. Bis 2025 ist ein Abbau von 15 Prozent im Gespräch.

Dazu kommt: Die großen Speditionen, also die Kunden der Lkw-Bauer, müssen davon ausgehen, dass sie mit ihren Diesel-Lkw irgendwann einen großen Bogen um viele Städte machen müssen. Schon heute würden Dieselbusse daher durch Busse mit alternativen Antrieben ersetzt, sagt Koch. "Das werden wir bald auch verstärkt bei den Lkw auf den Fernstraßen sehen." Für die Hersteller hat das Rennen um die Zukunft des Schwerlastverkehrs begonnen. Ausgerechnet ein Unternehmen, das den Herstellern schon bei Elektroautos schwer zu schaffen macht, gibt auch hier wieder das Tempo vor: Der kalifornische Elektroautopionier Tesla arbeitet an einem elektrischen Lkw; Anfang 2018 ließ Tesla-Chef Elon Musk das Serienmodell eines Sattelzuges mit dem Namen "Semi" auffahren. Reichweite des extravagant gestalteten Trucks: 800 Kilometer, Geschwindigkeit: 104 km/h. Dass Tesla ihnen hier das Geschäft mit den Spediteuren wegnimmt - ein Albtraum für die Bauer.

"Die traditionellen Lkw-Hersteller haben heute viel Know-how bei großen Dieselmotoren, aber das nützt ihnen in Zukunft nicht mehr viel", sagt Patentanwalt Koch. "Sie wissen daher genau: Wenn sie das jetzt nicht machen, stehen sie bald im Regen." Ob sich ihre Investitionen von heute in einigen Jahren rentieren, hängt auch von den Spediteuren ab: Für die muss sich die Anschaffung der neuen E-Lkw rechnen - sowohl bei der Anschaffung wie auch bei den Energiekosten. Bis dies bei den größeren Lkw der Fall ist, dürfte es noch dauern.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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