Pakete:Geschichten vom Suchen und Nichtfinden

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Päckchen abholen früher und heute: Von blauen Benachrichtigungsscheinen, unfreundlichen Schalterbeamten und netten Nachbarn - SZ-Redakteure berichten.

Ins Stammbuch geschrieben

Die Technik macht es einfach: Pakete können heute rund um die Uhr abgeholt werden. (Foto: Foto: ddp)

Es war so, wie es in den besten Familien gelegentlich vorkommt: Der Postmann klingelte, um ein an mich adressiertes Päckchen vorbeizubringen, aber es war niemand zu Hause. Am nächsten Tag hatte nur mein Mann Zeit, das Päckchen beim Hauptpostamt abzuholen. Der Mann hinter dem Schalter ließ sich von meinem Mann den Personalausweis vorzeigen, um dann anzumerken:

"Sie heißen ja gar nicht so wie Ihre Frau!"

"Ja, das ist so, weil meine Frau bei der Heirat ihren Namen behalten hat", entgegnete mein Mann.

"Tut mir leid, aber dann kann ich Ihnen das Paket nicht aushändigen. Sie müssen nachweisen, dass Sie wirklich der Mann Ihrer Frau sind."

"Ich kann Ihnen versichern, ich bin es."

"Ich glaube es ja, aber ich brauche den amtlichen Nachweis."

"Und was würden Sie tun, wenn irgendjemand mit dem Namen meiner Frau ankäme, der gar nichts mit ihr zu tun hat, und das Päckchen abholen würde. Würden Sie es ihm aushändigen, einfach so?"

Daraufhin wusste der Schalterbeamte nichts mehr zu sagen. Mein Mann aber kam abends zerknirscht nach Hause und fragte: "Du, sag mal, wo ist eigentlich unser Stammbuch?" Am nächsten Tag fuhr er mit dem Stammbuch nochmal zur Post und bekam das Päckchen wirklich ausgehändigt. Am Abend packte er es aus und fand darin Reisekataloge, die ich nie bestellt hatte. Sie landeten sofort im Müll.

Sibylle Haas

Lesen Sie im zweiten Teil, wie man Freunde mit einer kleinen Bitte in den Wahnsinn treiben kann - und warum Packstationen praktischer sind, als man gemeinhin denkt.

Ein Freund, ein guter Freund

Freunde sind Gold wert, vor allem, wenn man drei Wochen in Urlaub fährt und ein Päckchen erwartet. "Kannst Du gelegentlich mal bei mir an der Haustür vorbeischauen, und wenn da ein orangener Benachrichtigungszettel hängt, das Päckchen von der Post abholen?", fragte ich ihn, und er wusste noch gar nicht, was auf ihn zukommen würde.

In der zweiten Urlaubswoche der Anruf aus der Heimat: "Du, ich war jetzt vorgestern auf dem Postamt, um Dein Päckchen abzuholen, aber es war es schon nach sechs, sie hatten zu. Deshalb bin ich gestern nochmal hingegangen, aber der Schalterbeamte hat gesagt, er kann es mir nicht geben, wenn ich keine Vollmacht des Empfängers habe." Ich solle ihm per Fax bestätigen, dass er berechtigt sei, mein Päckchen abzuholen. Kein Problem.

Am nächsten Tag hatte er keine Zeit, am übernächsten ließ ihn der Chef nicht früher von der Arbeit weg, am dritten Tag schaffte er es endlich, zum dritten Mal zur Post zu gehen. Doch da sagte ihm der Schalterbeamte: "Tut mir leid, das Päckchen ist nicht mehr da, die einwöchige Abholfrist ist abgelaufen, wir haben es zum Absender zurückgeschickt." Mein Freund war mit den Nerven am Ende, und ich musste ihm nach der Rückkehr aus dem Urlaub eine Flasche teuren italienischen Weines schenken. Lange Rede, kurzer Sinn: Diese neumodischen Packstationen find ich super.

Harald Freiberger

Lesen Sie im dritten Teil, wie eine Paket-Odyssee beim Getränkemarkt endete.

Wo lebt Fristo?

Schon wieder ein blaues Kärtchen im Briefkasten. "Wir haben Sie leider nicht angetroffen", schreibt der Postbote. Aber das Paket kann in der Nachbarschaft abgeholt werden. Bei "Fristo". Aha. Kurz mal nachdenken. Beim Steuerberater geben die Boten gerne Pakete ab. Büro im Erdgeschoss, also nur fünf Stufen. Und der ist immer da. Aber der heißt Schäfer. Vielleicht der griechische Arzt daneben? Aber da steht Zois an der Klingel. Und die Familie oben hat einen Doppelnamen. Wo lebt "Fristo"? Vielleicht im Nachbarhaus. Da gibt es Unterhuber, Obermaier, Mitterdorfer. Außerdem Çzellak, Abdülkadirc, Fedrizzi. Aber keinen "Fristo". Wo wohnt der denn?

Nachfrage bei der Post. Der Mann am Schalter überlegt kurz, fragt dann nach: "Wohnt bei Ihnen kein Fristo im Haus?" Neeeee, sonst würde ich ja nicht hier stehen. Aber die Kollegin weiß weiter. "Vielleicht der Fristo-Getränkemarkt?" Ach der, zwei Querstraßen weiter. Eine halbe Ewigkeit. "Ja, da geben unsere Zusteller häufiger ihre Sendungen ab." Wenn sie Durst haben. Ach, na dann. Ich geh mal schnell zu "Fristo".

Marco Völklein

Lesen Sie im vierten Teil, wie praktisch es ist, eine lebende Paketstation im Haus zu haben - und warum die sich nur mit Sarotti-Schokolade bezahlen lässt.

Die Frau Kögl

Frau Kögl wohnt im Fünften. Das weiß bei uns im Haus jeder. Nicht gerade selbstverständlich in einem Plattenbau mit 15 Etagen und zwei Aufzügen; denn immerhin wohnen hier 75 Parteien. Und die muss man erst einmal alle kennen. Frau Kögl kennt sie. Und spätestens wenn man einen blauen Zettel vom Postboten im Briefkasten hat, kennt man Frau Kögl. Denn es ist ihr Name und ihr Stockwerk (fünf), das auf der Benachrichtigung des Postboten steht.

Frau Kögl ist Mitte 70, sie wohnt seit 36 Jahren im Fünften und ist die Paketstation in unserem Haus. Bei ihr landen all die Bücher von Amazon, all die Weihnachtsgeschenke von Oma, all die ersteigerten Dinge von Ebay. Klingelt man abends, sagen wir nach der Tagesschau, bei "A. KÖGL" im Fünften, muss man erst mal warten. Man hört die langsam schlurfenden Schritte, den Schlüssel im Schloss, dann steht Frau Kögl im Türstock, lächelnd, 1 Meter 40 klein und sagt: "Wissen's, Sie sind heut' schon der Vierte." Frau Kögl nimmt den blauen Zettel in die Hand, liest: "Ah, Sie sind's. Letzte Woche waren S' auch schon da, gell?" Stimmt. Frau Kögl weiß das.

Von zehn Uhr vormittag ("Ich schlaf' gerne aus.") bis halb zehn Uhr abends ("Ich bleib' nicht mehr so lang auf.") ist Frau Kögl für die Hausbewohner mit dem blauen Zettel da. Trinkgeld nimmt sie keines. Lieber Schokolade. "Aber nur die vom Sarotti." Bei Sarotti in Berlin, da hat ihr Mann früher gearbeitet. Und weil München und Berlin fast 600 Kilometer auseinander sind, hat Frau Kögls Mann ihr immer Schokolade geschickt. In den Fünften. Mit der Post.

Alexander Mühlauer

Lesen Sie im fünften Teil alles über die romantische Komponente eines abendlichen Spaziergangs zur Packstation.

Der Ex-Post-SpaziergangAm Anfang war ich schon etwas befremdet, als die Post plötzlich der Meinung war, meine Pakete nicht mehr bei den Nachbarn abgeben zu wollen. Ich meine: Wofür zahlt der Absender das Porto, wenn nicht dafür, dass das Verschickte möglichst bei mir im Haus landet? Stattdessen sollte ich nun also zu dieser gelben Packstation laufen und meine CDs, Bücher, Kataloge dort abholen. Doch die Befremdung wich der reinen, puren Freude. Endlich - keine zähflüssigen Nachbargespräche mehr. Mal ehrlich: Die Packstation erspart mir Sätze wie: "Finden Sie nicht auch, dass Frau Müller aus dem dritten Stock in letzter Zeit die Treppe so schlecht putzt?"

Zudem muss ich wiederum nicht mehr die Pakete der Nachbarschaft bei mir horten. Es gab Zeiten, da war mein gesamter Flur mit Weinkisten blockiert, weil sich der Herr neben mir einen Weinkeller einrichtete - eben in jener Woche, in der ich entspannt Urlaub zu Hause machen wollte. Aus, vorbei! Nun lagert der edle Tropfen in der Packstation. Und die neu gewonnene Zeit wird investiert in romantische Abendspaziergänge mit dem Liebsten und nur einem Ziel: die gelbe Packstation.

Hannah Wilhelm

Lesen Sie im sechsten Teil, was passiert, wenn die Packstation mitten in der Nacht plötzlich klemmt.

Es klemmt

Eine Packstation ist schon was Feines. Man kann sein Päckchen auch um Mitternacht abholen. Vorausgesetzt, das Päckchen hat dort Platz. Hat man seinen Namen in den Packstationscomputer eingetippt, öffnet sich das Tor zum Päckchen. Da liegt es. Man greift hinein, will es herausziehen. Doch es klemmt. Die Packstation gibt es nicht her. Wie gut, dass an der Packstationshotline einer sitzt, der noch wach ist.

Alexander Hagelüken

© SZ vom 12.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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