Online-Reisebuchungen:"Die Kunden wollen keine Zeit verschwenden"

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Dana Dunne, Chef des Online-Reisehändlers E-Dreams-Odigeo, fordert von der EU-Kommission deutlich mehr Unterstützung für Internetfirmen in Europa gegen die US-Konkurrenz. Und er glaubt, dass die Tourismusbranche weiter wachsen wird.

Interview von Caspar Busse

Hinter ihm hängt ein riesiges Foto vom Central-Park in New York, doch Dana Dunne, 56, einst in Manhattan aufgewachsen, hat keinen Blick dafür: Er will lieber über das Geschäft und die Politik reden. Seit 2015 ist Dunne Chef von Edreams-Odigeo, Europas größtem Reiseanbieter im Internet, dazu gehören Marken wie Opodo, der Umsatz liegt bei mehr als einer halben Milliarde Euro. In der Zentrale in Barcelona arbeiten rund tausend Mitarbeiter aus 65 Ländern.

Dana Dunne hat die amerikanische und britische Staatsbürgerschaft. Seit 2012 ist er bei E-Dreams-Odigeo, davor hat er bei Easyjet gearbeitet. Er lebt mit Familie in Barcelona. (Foto: oh)

SZ: Herr Dunne, Thomas Cook, einer der weltweit größten Reiseveranstalter, ist pleite. Was heißt das für die Touristikindustrie und besonders für Sie?

Dana Dunne: Direkt trifft uns das nicht. Wir haben damals, vor rund 20 Jahren, ein neues Geschäftsmodell geschaffen und damit die Reiseindustrie revolutioniert. Heute sind wir Europas größter Flugvermittler im Netz. Und wir bieten keine Pauschalreisen in diesem Sinne an, sondern ermöglichen den Kunden durch unsere Technologie, dass sie sich jeden Flug mit jedem Hotel kombinieren können, und wir geben einen Rabatt darauf. Das alte Modell ...

... also das Modell zum Beispiel von Thomas Cook und anderen ...

Ja, das Modell der Pauschalreise erinnert mich an Henry Ford, der einmal gesagt hat: 'Man kann bei uns Autos in jeder Farbe kaufen, solange sie schwarz sind.' So ist das auch bei diesen Anbietern von Pauschalreisen: Der Kunde muss um 10.10 Uhr am Morgen genau diesen Flug nehmen, er muss zum Beispiel im Don-Juan-Hotel bleiben und genau eine Woche später, um 15 Uhr am Nachmittag, zurückkommen - Änderungen sind nicht möglich. Aber die Kunden wollen das nicht mehr. Wenn jemand bei uns bucht, gibt es keine Vorgaben.

Erwarten Sie weitere Pleiten in der Reiseindustrie?

Wir müssen an den Konsumenten denken, seine Bedürfnisse verstehen und ihm das Richtige anbieten, da spielt Technologie eine immer wichtigere Rolle. Für Anbieter, die das nicht tun, wird es negative Auswirkungen geben, klar. Das ist übrigens in allen Branchen so, das betrifft auch BMW, Mercedes, Bosch oder Siemens.

Sie sind ein reines Online-Unternehmen, werden sie irgendwann auch eigene Reisebüros eröffnen?

Nein, ich glaube, unsere Kunden wollen gar nicht rausgehen, ein Reisebüro suchen, sie wollen sich nicht in eine Schlange stellen, bevor sie dran sind, sie wollen keine Zeit verschwenden. Aber Dialog ist trotzdem wichtig, die Kunden wollen natürlich Beratung und Informationen. Das bieten wir auch an, per Skype, über Online-Chats, auch per Telefon - da gibt es viele Möglichkeiten. Bei uns steht zum Beispiel auf der Homepage immer oben eine Telefonnummer, die verstecken wir nicht, wie es viele andere Wettbewerber machen. Bei uns sind die Kunden willkommen.

Ab in den Süden: Immer mehr Kunden buchen ihre Flüge online. (Foto: Arnulf Hettrich/Imago)

Die meisten Kunden klicken bei Ihnen vor allem, um einen Flug zu kaufen ...

Der Kunde erwirbt normalerweise zunächst den Flug, bucht dann aber auch andere Dinge, das kommt uns natürlich entgegen. Der Verkauf von Flugtickets war lange der größte Treiber unserer Einnahmen, aber wir bieten nicht mehr nur Flüge, sondern diversifizieren und verkaufen weitere Dienstleistungen wie Hotels, Mietwagen, Transport vom und zum Flughafen und andere Sachen. Pro hundert Flugtickets verkaufen wir bereits 80 zusätzliche Dienstleistungen. Hier investieren wir und entwickeln gerade eine ganze Reihe von neuen Dingen.

Was denn?

(lacht) Darüber kann ich leider noch nicht sprechen, aber das kommt in den nächsten Monaten.

Viele Airlines, zum Beispiel Lufthansa, bieten den billigsten Preis auf ihrer eigenen Seite an. Wie wollen sie dagegen ankommen?

Der Kunde will doch von A nach B kommen, von München nach Barcelona oder von Hannover nach Shanghai. Und es gibt sehr viele Airlines, die das anbieten. Von Hannover nach Shanghai beispielsweise gibt es keinen Nonstop-Flug, Sie können über München, über Istanbul, über Dubai und über andere Städte fliegen, da gibt es heute ganz viele Möglichkeiten und Kombinationen. Lufthansa zum Beispiel zeigt ihnen nur ihre eigenen Verbindungen und ihre eigenen Preise an. Aber der Kunde von heute will nicht zwei oder fünf Prozent des Marktes sehen, sondern alles. Bei uns gibt es den gesamten Markt und den besten Preis von allen. Manchmal kann man da Hunderte Euro sparen.

Online-Reisebüros, auch Ihnen, wird immer wieder vorgeworfen, dass es am Ende, wenn der Kunde bucht, überraschende Preisaufschläge und versteckte Kosten gibt.

Nein, die Preise, die Sie bei uns am Anfang sehen, sind auch der Endpreis, das garantieren wir. Der Preis kann sich natürlich ändern, wenn Sie zusätzliches Gepäck, einen bestimmten Sitz oder andere Extras dazubuchen.

Trotzdem: Die Konkurrenz im Online-Reisegeschäft ist hart - Booking und Expedia beherrschen den Ma rkt, vielleicht steigt irgendwann auch mal Google groß ein. Haben Sie da überhaupt eine Chance?

Wir stehen mit diesen Unternehmen seit 15 Jahren im Wettbewerb, die sind doch nicht plötzlich aufgetaucht. Und wir gewinnen Marktanteile, sind in vielen Ländern Marktführer bei Flugbuchungen. Wir sind in einer starken Position und konzentrieren uns lieber auf den Kunden.

Ist es dabei ein Nachteil, dass Sie ein europäisches Unternehmen sind?

Ich erwarte von der EU-Kommission, dass sie sehr viel mehr tut für europäische Konsumenten und für die europäischen Internetfirmen. Sie muss die Konsumenten und die Unternehmen in Europa besser schützen. US-Unternehmen bevorzugen ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen. Das darf nicht erlaubt sein. Es gibt heute kein gerechtes Spielfeld.

Sie kommen selbst aus den USA.

Ja, ich bin in Manhattan aufgewachsen, aber ich habe mittlerweile einen amerikanischen und einen britischen Pass. Ich habe inzwischen mehr Zeit in Europa verbracht als in den USA, ich habe bisher in sieben Ländern gelebt, ich habe 41 Länder bereist, ich mag keine Grenzen, die Welt wird immer kleiner und verbundener und nicht abgeschlossener.

Was muss die EU-Kommission also tun?

Die europäischen Politiker müssen für uns aufstehen. Sie müssen für gleiche Bedingungen für alle sorgen, dafür werden sie doch vom europäischen Steuerzahler auch bezahlt.

Haben Sie Vorschläge?

Vor rund 20 Jahren hatte die Softwarefirma Microsoft auch eigene Dienstleistungen und Produkte bevorzugt, damals ist die EU-Kommission eingeschritten. Heute braucht die europäische Politik den gleichen Mut. Ich setzte auf die neue Kommission, die bald ihre Arbeit aufnehmen wird.

Ist die diskutierte Digitalsteuer eine Lösung?

Es gibt viel wichtigere Dinge als das. Ich frage mich, ob die EU-Kommission überhaupt verstanden hat, dass die Zukunft digital ist. Was tut Europa denn, um ein digitales Ökosystem zu schaffen - für die Konsumenten und für digitale Jobs? Derzeit geht das doch alles in die USA oder nach China.

Sie sind eine der größten Digitalfirmen Europas, und Sie sind hier.

Ich denke auch gar nicht an uns, sondern an alle. Es geht um unsere Zukunft, und vor allem um die Zukunft unserer Kinder.

Wie viel Zeit haben wir noch?

Wir haben keine Zeit mehr, es muss jetzt sofort etwas geschehen.

Befürworten Sie eine Zerschlagung der großen amerikanische Tech-Konzerne?

Wenn die Politik glaubt, das sei der richtige Weg, okay, wenn es andere Möglichkeiten gibt, auch gut. Aber: Nichts zu tun, ist keine Option.

Ihre Wettbewerber aus den USA können zum Beispiel die Daten ihrer Kunden teilweise sehr viel einfacher für ihr Geschäft nutzen. Befürworten Sie eine Angleichung der Vorschriften?

Ja. Wenn ich darauf als Europäer antworte, sage ich: Der Schutz unserer Daten ist richtig. Aber auch hier brauchen wir gleiche und faire Bedingungen für alle. Auch hier ist die EU-Kommission gefragt, auch hier hat sie bislang versagt.

Booking fungiert weltweit als Booking. Sie haben fünf verschiedene Marken, Opodo, unter anderem in Deutschland, außerdem Edreams, Go Voyages, Travellink und Liligo. Warum?

Jedes dieser Unternehmen ist vor rund 20 Jahren gestartet und ist bestens eingeführt, in seinen jeweiligen Märkten sehr gut bekannt. Und diese Marken haben eine hohe Kundentreue, deshalb behalten wir alle. Aber wir haben dahinter inzwischen eine gemeinsame Technik und ein gemeinsames Team (zeigt auf seinem Smartphone die verschiedenen Apps). Wir sind in 46 Ländern, auf 20 Sprachen und mit 30 Währungen - alles auf einer gemeinsamen Plattform. Die Technik verbessern wir laufend: Im Jahr bringen wir 6000 neue Funktionalitäten und Features raus.

Wie sieht die Zukunft des Tourismus aus, sind die Zeiten des rasanten Wachstums vorbei?

Nein, die Zahl der Reisenden wächst immer weiter. Das Wachstum des Tourismus ist größer als das allgemeine Wirtschaftswachstum. Die Menschen lieben das Reisen und wollen neue Erfahrungen machen. Reiseerlebnisse sind die besten Andenken, die bleiben immer im Gedächtnis. Reisen berührt unserer Seelen, das ist einzigartig. Da werden im wahrsten Sinne des Wortes Grenzen überschritten und Gemeinschaften gebildet.

Inzwischen nimmt der Tourismus immer neue Dimensionen an, es gibt das Wort des "Overtourism": Barcelona, Venedig, Amsterdam sind völlig überlaufen.

Das gibt es, und da muss etwas geschehen, keine Frage. Aber es gibt auch noch so viele Ziele, die diese Probleme gerne hätten. Es gibt so viele tolle Orte, nicht nur Barcelona, Venedig oder München.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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