OffshoreLeaks-Serie:Der Oligarch und das Geld

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Die kasachische Hauptstadt Astana (im Hintergrund der vom britischen Architekten Sir Norman Foster entworfene Bajterek-Turm, das Wahrzeichen der Stadt. Hier nahm die Bankenaffäre um den Oligarchen Muchtar Abljasow ihren Anfang. (Foto: REUTERS)

Jahrelang hat eine kasachische Bank Kredite an Briefkastenfirmen vergeben. Die gehörten dem Schwager des Chefs. Inzwischen ist das Institut verstaatlicht und der Boss auf der Flucht. Eine Spur führt nach Österreich.

Von Christoph Giesen

Eine Spezialeinheit hatte die italienische Polizei vor knapp zwei Wochen in einen Vorort Roms geschickt, schwer bewaffnet, 50 Mann. Die Beamten hatten den Auftrag, den kasachischen Oligarchen Muchtar Abljasow, 50, festzunehmen, doch sie trafen nur die Ehefrau des Gesuchten und die sechsjährige Tochter an. In einem Privatjet wurden die Familienmitglieder nach Kasachstan ausgeliefert. Wo sich Abljasow derzeit aufhält, ist offen. Per Facebook meldete sich der Milliardär zu Wort: Die kasachische Regierung setze offenbar auf terroristische Methoden und nehme Geiseln, empörte er sich.

Die Abschiebung der Familie Abljasow ist eine weitere Episode in einer der bizarrsten Bankenaffären der vergangenen Jahre. Britische Institute mussten bereits Milliarden abschreiben, auch der High Court in London war mit dem Fall beschäftigt - die Causa Abljasow gibt einen Einblick, wie sich im post-sowjetischen Kasachstan Milliardenbeträge ergaunern lassen.

Im Zentrum des Zwists steht der ehemalige kasachische Energieminister Muchtar Abljasow. Ende der Neunzigerjahre schied er aus der Regierung im autokratisch geprägten Kasachstan aus und schloss sich der Opposition an. Nach einem Gefängnisaufenthalt ging Abljasow nach Moskau. 2005 kehrte er schließlich nach Kasachstan zurück und wurde Chef der BTA-Bank. Kaum hatte Abljasow die Führung übernommen, stiegen auch schon die Kreditsummen des Instituts rasant an. Hatte die Bank 2005 noch Kredite in Höhe von etwa 680 Milliarden Tenge (damals etwa 4,2 Milliarden Euro) ausstehen, waren es zwei Jahre später schon fast 2,4 Billionen Tenge (seinerzeit etwa 14,4 Milliarden Euro).

Mal gingen Millionen auf die Seychellen, mal auf die Britischen Jungferninseln

Einen Großteil des neuen Geldes lieh sich Abljasow bei britischen Großbanken wie der Royal Bank of Scotland oder der HSBC. Dann kam die Finanzkrise, und die BTA-Bank hatte Schwierigkeiten, sich am Markt zu refinanzieren. Die kasachische Finanzaufsicht nahm sich deshalb die Bilanzen der BTA-Bank genauer vor. Dabei fielen den Beamten zahlreiche Überweisungen an Firmen in Steueroasen auf. Mal gingen Millionen auf die Seychellen, mal auf die Britischen Jungerferninseln.

Wie Recherchen der Süddeutschen Zeitung und der österreichischen Zeitschrift News nun belegen, hat die BTA-Bank damals im großen Stil Kredite an Offshore-Firmen vergeben, die Abljasows Schwager Syrym Schalabajew gehörten. Im Offshore-Leaks-Datensatz finden sich zahlreiche Zahlungsanweisungen an Unternehmen mit Namen wie Develcan Ventures oder Everholt Marketing - beides Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln. Und beide Unternehmen wurden auf dem Papier von angeheuerten Scheindirektoren gemanagt. Diese unterzeichneten Verträge in russischer Sprache, obwohl sie der Sprache nicht mächtig waren. In den Daten finden sich auch E-Mails mit dem Klarnamen des Firmenchefs. So etwa heißt es in einer Mail in etwas holprigem Englisch: "Eigentümer in allen diesen Firmen nur Schalabajew Syrym." Der Schwager.

Auch nach Österreich führt eine Spur. 2005 wurde in Wien die Firma SEVW Holding GmbH von einer kasachischen Popsängerin gegründet. Sie ist die Witwe des vorherigen Besitzers der Bank, er kam 2004 bei einem Jagdunfall ums Leben. Die Wiener Holding besaß zunächst sämtliche Anteile an einer Firma auf den Britischen Jungferninseln. Später wechselte der Besitzer: wieder der Schwager Syrym Schalabajew. Der Verdacht liegt nahe, dass die Witwe ihre geerbten Firmenanteile an Abljasow über ein Offshore-Konstrukt übertragen hat. Abljasow konnte so lange Zeit behaupten, die Bank nicht zu kontrollieren. "Unsere Mandantin gibt keinen Kommentar in der Angelegenheit ab", sagte ein Anwalt der Sängerin.

Höchst ein Prozent der Kredite "performe nicht", so der ominöse Schwager

Als die kasachischen Finanzaufseher Anfang 2008 schließlich ihren Prüfbericht verfassten, notierten sie, dass acht Prozent der Kredite der BTA-Bank ausfallgefährdet seien. Die Beamten gaben der Bank den klaren Auftrag, die Geschäfte mit Steueroasen einzudämmen. Abljasow widersprach damals, die Kredite seien alle solide. Höchstens ein Prozent "performe nicht", alles kein Grund zur Sorge.

Anfang 2009 untersuchten die Behörden die Bank erneut. Die faulen Kredite waren inzwischen auf fast 20 Prozent angestiegen, Abljasow sprach damals von allenfalls 1,82 Prozent. Die Finanzaufseher forderten eine Aufstockung des Eigenkapitals um mehr als 2,5 Milliarden Euro. Als die Bank erklärte, dass dies nicht möglich sei, ging alles sehr schnell. Binnen weniger Tage war das Institut verstaatlicht.

Eine internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft übernahm. Und Abljasow floh nach London ins Exil. Dort beantragte er Asyl und kaufte jede Menge Immobilien. Im Sommer 2009 verklagte ihn schließlich die Bank, die nun in Staatsbesitz ist, vor dem Londoner High Court. Nach mehr als drei Jahren endete der Prozess im März dieses Jahres - Abljasow muss Milliarden zurückzahlen. Das Urteil fiel in seiner Abwesenheit. Er hatte zuvor im Verfahren behauptet, dass seine Immobilien in Großbritannien, die größtenteils mithilfe von Briefkastenfirmen gekauft worden waren, nicht ihm gehörten - eine Falschaussage unter Eid. Das Gericht verurteilte ihn dafür zu 22 Monaten. Doch anstatt ins Gefängnis zu gehen, setzte sich Abljasow im Februar 2012 ab. An der Victoria Station bestieg er einen Reisebus und gelangte wohl mit einem gefälschten Pass nach Frankreich. Dann verliert sich seine Spur.

© SZ vom 13.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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