Österreich: Karl-Heinz Grasser:"In welchem Land leben wir?"

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Wenn Österreichs schillerndster Ex-Minister Karl-Heinz Grasser öffentlich auftritt, drängen sich die Schaulustigen. Nun gibt es wieder eine Affäre mit viel Auflauf - und sein Anwalt zieht schon mal flotte Vergleiche mit einem deutschen Wettermoderator.

Cathrin Kahlweit

Erst vergangene Woche hatte Karl-Heinz Grasser, Österreichs Ex-Finanzminister, die Polizei im Haus und die Presse vor der Tür: In drei seiner Anwesen fanden Hausdurchsuchungen statt, mehr als 30 Kartons mit Akten, PCs und Handys wurden schließlich mitgenommen. Was Grasser besonders ärgerte: Die Staatsanwaltschaft hatte, nicht ganz die feine Art, kurz nach Beginn der Durchsuchungen auch die Medien über ihren Schritt informiert. Allein vor der Tür von Grassers Penthouse im teuren 1. Bezirk von Wien standen daher Dutzende Kameraleute Spalier, um dabei zu sein, wenn Polizisten tabula rasa machen und dem Vorwurf nachgehen, dass Grasser mit Hilfe eines komplexen Stiftungsgeflechts Steuern hinterzogen hat.

Die Causa Grasser ist extrem komplex, und sie beschäftigt Österreich schon seit vielen Jahren. (Foto: REUTERS)

Aber vielleicht muss man besser sagen: wenn Polizisten einem von mehreren Vorwürfen nachgehen. Denn bereits am Freitag dieser Woche verbreitete das Magazin Format neueste Details aus einem Ermittlungsbericht in anderer Sache - dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs bei der Privatisierung staatlicher Wohnungen während Grassers Zeit als Finanzminister. In Format wird genüsslich aus einem Bericht der Sonderkommission Constantia zitiert, der Grasser belasten soll. Die Soko sollte unter anderem klären, ob bei der Privatisierung von Wohnungen aus dem Bestand der Buwog, einer bundeseigenen Wohnungsgesellschaft, dereinst die US-Investmentbank Lehman Brothers bevorzugt worden sei. Ergeben haben sich laut dem Politmagazin Belege für "eine Schädigung der Republik Österreich".

Der einstige Minister wiederum war - selbst nicht untätig - schon am Dienstag in die Offensive gegangen und hatte sich über das Vorgehen gegen seine Person beschwert; im Beisein seines Anwalts beklagte er sich im Konferenzsaal eines Wiener Hotels mit dem hübschen Namen Blazing White (die Ironie erschließt sich dem, der weiß, dass Grasser regelmäßig auf seine "weiße Weste" pocht) darüber, dass die Justiz eine "gezielte Vernichtung" seiner Existenz betreibe. Man wolle ihm um jeden Preis etwas anhängen, er werde sich aber gegen diese "Willkür- und Racheakte" zur Wehr setzen.

Auch hier drängten sich - wie immer, wenn Grasser öffentlich auftritt - viele Schaulustige, die sich von dem prominenten Ex-Politiker eine gute Show versprachen. Die wurde ihnen denn auch geboten. Anwalt Manfred Ainedter verglich seinen Mandanten flott mit dem deutschen Wettermoderator Jörg Kachelmann. Vergewaltigung sei eines der wenigen Delikte, die man Grasser noch nicht vorgeworfen habe, aber: "Da wird vielleicht auch noch etwas kommen."

Die Causa Grasser ist extrem komplex, und sie beschäftigt Österreich schon seit vielen Jahren. In seiner Zeit als Finanzminister der Republik Österreich machte Grasser bella figura, er sah gut aus, er heiratete Fiona Pacifico Griffini-Grasser, bekannt als Fiona Swarovski, er bediente Öffentlichkeit und Medien mit Homestorys und Charme - aber immer lauter wurde auch der Vorwurf, er bediene sich selbst. Da gab es enge Freunde, die sich selbst wegen Bestechung anzeigten, von der auch Grasser profitiert haben soll.

Da gab es eine höchst profitable Geldanlage bei der Investorengruppe von Finanzberater Tilo Berlin, welcher den Kauf und Verkauf der Hypo Alpe Adria Bank begleitete. Grasser sagt, er habe dort Geld für seine Schwiegermutter angelegt; allein die Geschichte, wie er die Scheine bar ins Land brachte, erst mal eine Weile aufbewahrte und dann scheibchenweise bei einer Bank einzahlte, nährt bei den Ermittlern den Verdacht der Steuerhinterziehung. Außerdem schwelen wilde Spekulationen rund um die intransparenten Stiftungen in Liechtenstein, Tortuga, Virgin Islands und Zypern, die Steuerfahnder nach Medienberichten als Konstrukt betrachten, um wiederum Steuern zu hinterziehen. Bis heute gibt es kein Urteil gegen Karl-Heinz Grasser, sondern viele Vorwürfe, zwei eingestellte Verfahren und einige laufende. Und bis heute gilt die Unschuldsvermutung.

Die jüngsten Berichte über Grassers Umtriebe bringen nun neuen Schwung in die Sache. In Sachen Buwog und Vergabe des Beratervertrags an Lehman Brothers kommt der Polizeibericht offenbar zu dem Schluss, dass eine Vergabekommission im Finanzministerium dem Konkurrenten von Lehman, der Creditanstalt Investmentbank CA-IB, den Vorzug habe geben wollen, deren Angebot sei niedriger gewesen.

Trotzdem bekam nach Rücksprache mit dem Minister Lehman den Zuschlag; ein Mitarbeiter Grassers hatte von einem "abgekarteten Spiel" gesprochen, wogegen Grasser klagte. Er beharrt bis heute strikt darauf, dass es keine illegale Einflussnahme auf das Verfahren gegeben habe. Die Vermutung der Ermittler: Grasser habe seinem Freund Karlheinz Muhr einen lukrativen Gefallen tun wollen, der für Lehman tätig war.

Auch in der Causa Stiftungen gibt es Neues. Grasser selbst verweist gern darauf, dass er seine Konstruktion der Finanzbehörde zur Kontrolle vorgelegt und diese keine Einwände erhoben habe. Allerdings wurde jetzt auch das Büro seines Steuerberaters durchsucht. Und der zuständigen Sachbearbeiterin im Finanzamt wird vorgeworfen, sie habe nicht alle nötigen Informationen zur Prüfung weitergeleitet, aus dem Fall Grasser einen "Prominentenakt" gemacht (eine Spezialität des österreichischen Rechts) und die Akte weggesperrt. Außerdem soll sie Grasser persönlich gekannt haben, was beide bestreiten.

Für Außenstehende ist das schwer nachvollziehbar - so, als habe sich da ein ganzer Trupp Beteiligter zugunsten von Grasser liebend gern instrumentalisieren lassen. Der reagiert denn auch in einer Mischung aus Zynismus und Wut: "Ich suche mir einen Steuerberater, wir gehen zur Finanz und melden, dass ich eine Stiftung in Liechtenstein habe. Und was kommt heraus? Die Finanzbeamtin bekommt ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs, der Steuerberater gilt als Beiträger. In welchem Land leben wir?"

© SZ vom 04.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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