Ölpreis:"Das allerschlimmste Erwachen kommt erst"

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Sprit bleibt teuer. Für eine Entspannung sehen weder Energieexperten noch Mineralölkonzerne Anhaltspunkte. Stattdessen droht eine weitere Verschärfung.

Michael Bauchmüller

Deutschlands Autofahrer werden nach Auffassung von Energieexperten auf absehbare Zeit nicht billiger tanken können. "Der Benzinpreis wird sich auf diesem Niveau einpendeln", sagte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung der Süddeutschen Zeitung.

Die Spritpreise steigen weiter. (Foto: Foto: AP)

Dies werde auch unabhängig von sinkenden Ölpreisen der Fall sein.

Nach seinem Rekordhoch am vergangenen Dienstag war der Ölpreis nach der Freigabe von strategischen Ölreserven Ende der Woche zwar gefallen - auch wegen der Ankündigung der Internationalen Energieagentur (IEA), 60 Millionen Barrel Öl aus strategischen Reserven auf den Markt zu werfen.

Erholung geht an Tankstellen vorbei

An den Tankstellen ging diese Erholung jedoch weitgehend vorbei. Noch nie in der Geschichte des motorisierten Verkehrs waren die Kraftstoffpreise in kurzer Zeit derartig gestiegen.

IEA-Chef Claude Mandil warnte vor diesem Hintergrund vor einer weltweiten Energiekrise. Sollten amerikanische Raffinerien durch den Hurrikan Katrina ernsthaft beschädigt sein, werde sich die Kraftstoff-Knappheit zu einer "globalen Krise ausweiten", sagte Mandil der Tageszeitung Welt. Das Ausmaß der Schäden stand am Wochenende nicht fest.

Ein Sprecher der Deutschen BP sagte, es gebe derzeit keine Hinweise auf eine Erholung der Kraftstoffpreise. Vielmehr drohe mit dem Herbst ein starker Anstieg des Dieselpreises. Weil Diesel ein Konkurrenzprodukt zum Heizöl sei, werde die wachsende Heizöl-Nachfrage weiteren Druck ausüben. "Wenn wir einen kalten Winter erleben, ist es theoretisch nicht ausgeschlossen, dass der Dieselpreis sogar über den Preis für Otto-Kraftstoff steigt", sagte der BP-Sprecher.

Trittin droht Autindustrie

In einem Brief an den Verband der Automobilindustrie (VDA) forderte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) unterdessen eine Selbstverpflichtungserklärung der Hersteller. Die europäische Automobilbranche solle sich verpflichten, den Verbrauch ihrer Pkw-Flotte auf durchschnittlich fünf Liter je 100 Kilometer zu senken.

Gebe die Industrie eine solche Erklärung ab, könne sie "weitergehende staatliche Maßnahmen verhindern". So könne die Politik der Industrie im Gegenzug zusagen, auf deren Einbeziehung in den Handel mit Kohlendioxid-Emissionsrechten zu verzichten, schrieb Trittin an VDA-Präsident Bernd Gottschalk.

Dagegen setzt die Union auf eine Entlastung der Kraftstoffpreise über die Ökosteuer. Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel sagte beim CSU-Parteitag in Nürnberg, sie werde nach einem Wahlsieg eine Senkung um drei Cent "prüfen". Ähnliches verlangt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber: Jener Teil der Ökosteuer, der nicht in die Rentenkasse fließt, solle wieder an die Bürger zurückgehen.

"Finanzpolitisch unseriös"

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle plädierte dafür, "Spielräume zur Senkung der Ökosteuer" kurzfristig zu nutzen. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wies die Vorstöße als "finanzpolitisch unseriös" ab.

Die Forderungen sind selbst beim potenziellen Koalitionspartner nicht unumstritten. "Sie nehmen zwar etwas Druck aus dem Kessel, werden aber nicht den Energiepreis senken", sagte die energiepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gudrun Kopp, der SZ. Statt "Schnellschüsse" zu produzieren müsse eine neue Regierung daran gehen, auf breiter Front staatliche Belastungen der Energiepreise zu senken. Allein beim Kraftstoff liege der Steueranteil bei 70 Prozent. "Davon müssen wir runter." Kopp warnte vor einem "Konjunkturkiller" bei den Heizölpreisen. "Die große Rechnung kommt im Oktober, wenn die Leute ihre Tanks befüllen", sagte sie.

Ähnliches fürchtet die grüne Energieexpertin Michaele Hustedt: "Das allerschlimmste Erwachen wird bei den Heizkosten kommen." Die Deutschen müssten ihre Wohnungen nun winterfest machen. "Es ist noch nicht zu spät, eine solarthermische Anlage oder eine Holzpellets-Heizung einzubauen."

Kartell "endlich einmal durchleuchten"

Auch die Kritik an den Mineralölkonzernen reißt nicht ab. Der SPD-Umweltpolitiker Herman Scheer forderte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, "der dieses Kartell endlich einmal durchleuchten muss". Die Begründung der Unternehmen, die Hurrikan-Katastrophe lasse die Kraftstoffpreise steigen, sei "fadenscheinig", so Scheer.

Allerdings könnte der hohe Ölpreis auch Chancen bergen. Vor allem in Deutschland habe er den Strukturwandel beschleunigt, heißt es in einer Studie der Ratingagentur Standard& Poor's, die an diesem Montag vorgelegt wird. Dadurch stehe nun mehr Kapital zur Verfügung. Auch beeinträchtigten Energiepreise immer weniger die Entwicklung der Wirtschaft.

© SZ vom 05.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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