Nutzungsrechte:Weniger ist mehr

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Die Bürger könnten von einem flächendeckenden Netzausbau zum Beispiel mehr profitieren als von einem maximalen Auktionsergebnis. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Der Erlös der 5G-Versteigerung soll in bessere Netze und in die Ausstattung von Schulen fließen. Doch nicht immer ist es für Staaten sinnvoll, Funkfrequenzen möglichst teuer zu versteigern.

Von Valentin Dornis, München

Wer etwas versteigert, hat meist zwei Dinge im Sinn: Erstens möchte er etwas loswerden, und zweitens möglichst viel Geld dafür bekommen. Die alte Spielekonsole geht auf Ebay vielleicht noch für ein paar Euro weg, das ist besser, als sie zum Schrott zu geben. Und das seltene Kunstwerk bringt dem Besitzer im Londoner Auktionshaus vielleicht sogar noch mehr ein, als er einst spekuliert hatte.

Wenn jedoch Funkfrequenzen versteigert werden, hat das meist wenig mit solchen klassischen Auktionen zu tun. Das fängt schon bei den Zielen an. Der Staat, der die Nutzungsrechte an den Frequenzen vergibt, will eigentlich gar nichts loswerden. Er will vor allem, dass die Frequenzen im Land möglichst gut genutzt werden. Er hofft also, zumindest meistens, nicht nur auf den maximalen Gewinn.

Die Versteigerung der 5 G-Frequenzen im vergangenen Frühjahr wurde häufig mit der Vergabe der 3 G-Frequenzen im Sommer 2000 verglichen. Damals erlöste der Bund etwa 50 Milliarden Euro, ein Rekord. Bei der 5 G-Versteigerung waren es dann nur noch 6,6 Milliarden Euro - doch Bundesfinanzminister Olaf Scholz war trotzdem zufrieden.

Das klingt vielleicht paradox. Doch zufrieden ist, wer seine Ziele erreicht. Und die können bei einer Frequenzversteigerung ganz schön komplex sein. Nicht immer ist der größte Gewinn auch das optimale Ergebnis. Es kann viel sinnvoller sein, zum Beispiel für möglichst alle Frequenzblöcke einen Bieter zu finden, damit keiner ungenutzt bleibt. Oder Bedingungen zu stellen und die Teilnehmer zum Beispiel zu verpflichten, in einen flächendeckenden Netzausbau zu investieren. Dann verdient der Staat zwar weniger Geld, weil es für die Firmen deutlich aufwendiger wird. Aber im Idealfall profitieren die Bürger auf andere Weise sogar mehr davon.

Weil diese Versteigerungen so komplex sind, müssen Spezialisten ran. Sie entwerfen ein "Auktionsdesign". Das klingt nach bildlicher Gestaltung, hat aber eher mit sehr viel Mathematik zu tun. Denn um eine Auktion so zu entwerfen, dass am Ende möglichst alle Ziele erreicht werden, ist viel theoretische Vorarbeit nötig. Auktionstheorie heißt dieses ökonomische Fachgebiet und ist ein Teil der Spieltheorie. Im Idealfall werden die Teilnehmer, also die Mobilfunkunternehmen, früh in die Entwicklung des Auktionsdesigns mit einbezogen. Sie melden dann Bedenken an, und der Staat kann überlegen, ob es sinnvoll ist, diese zu berücksichtigen, um ein besseres Ergebnis zu erreichen. Steht das Auktionsdesign, kann es natürlich trotzdem sein, dass sich die Firmen über die Vorgaben beschweren - bei den 5 G-Frequenzen versuchten sie erfolglos, kurzfristig noch Änderungen vor Gericht durchzusetzen.

Die Versteigerung selbst kann dann ziemlich langwierig werden. Im März 2019 kamen die Bevollmächtigten der deutschen Mobilfunk-Unternehmen zum ersten Mal unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in der ehemaligen Kaserne in Mainz-Gonsenheim zusammen, und es dauerte mehr als zwölf Wochen und knapp 500 Runden, bis die 5 G-Frequenzen an die Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica (O2) und den Neuling Drillisch vergeben waren. Obwohl sie im Vergleich zur 3 G-Versteigerung im Jahr 2000 nur einen Bruchteil des Geldes ausgaben, äußerten sich einige Mobilfunkmanager hinterher kritisch über das Ergebnis. Vodafone Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter sprach von "riesigen Schäden für Digital-Deutschland", und Dirk Wössner, Noch-Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom, sagte: "Das Geld fehlt den Netzbetreibern jetzt für den Netzausbau."

Das könnte noch ein weiteres Argument dafür sein, Funkfrequenzen nicht nur möglichst teuer zu versteigern. Zu beobachten war ein solches Vorgehen in den vergangenen Jahren aber ohnehin eher in weniger entwickelten Staaten, weil dort ganz andere Zwänge herrschen: Wo eine leistungsstarke Industrie und entsprechende Steuereinnahmen fehlen, kann ein möglichst hoher Auktionserlös ein Segen für den klammen Staatshaushalt sein.

In Deutschland versprach die Bundesregierung, das so eingenommene Geld nicht zu nutzen, um damit Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Finanzminister Olaf Scholz kündigte an, man werde mit etwa 70 Prozent der 6,6 Milliarden Euro den Festnetz-Breitbandausbau in Deutschland fördern. Ziel ist es, auch dünn besiedelte Regionen besser zu versorgen. Die restlichen 30 Prozent sollen in schnelleres Internet und neue Technik an Schulen investiert werden.

© SZ vom 19.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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