NS-Zeit:Reimann-Gründer waren Nazis

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Recherchen der Bild am Sonntag zeigen Verbrechen der reichen Unternehmerfamilie. Die Nachfahren wollen die unrühmliche Geschichte nun aufarbeiten.

Von Max Hägler, München

Jeder kennt Produkte der Reimanns: das Gesichtswasser Clearasil, das Desinfektionsmittel Sagrotan, die High-Heels von Jimmy Choo, den Kaffe von Jacobs, die Kosmetik von Wella, die Kondome von Durex. Es sind nur einige der Marken, die zum Imperium der Reimanns gehören - einer der verschwiegensten Familien Deutschlands und einer der reichsten. Die Milliardäre aus der Kurpfalz zählen zu den vermögendsten Menschen im Land.

Nun ist deutlich geworden, dass die Gründer tief in NS-Verbrechen verstrickt waren. Recherchen der Bild am Sonntag zeigen, dass Albert Reimann und sein Sohn Nazis und Judenhasser waren und von Misshandlungen von Zwangsarbeitern wussten. Auch im Privathaus der Familie ist es demnach zu Übergriffen gekommen; so sei eine russische Bedienstete wiederholt geschlagen worden.

Der Chemiker Albert Reimann hat das Firmenimperium 1896 durch die Übernahme der Firma Benckiser (Zitronensäure und Phosphate) begründet. 1921 holte er seinen Sohn Albert Junior in die Firma. Im Dritten Reich wurde das Unternehmen dann als "kriegsentscheidend" eingestuft. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es zwar bereits Vorwürfe der englischen Militärregierung bezüglich möglicher NS-Verbrechen, doch gelang es den Reimanns, den Fall ins Gebiet der US-Militärregierung zu verlegen - dort wurden sie nur als "Mitläufer" eingestuft. Dabei war die Verstrickung kaum zu übersehen, wie BamS-Recherchen zeigen. Bereits im Jahr 1931 spendete die Familie an die SS - und bekam einen Dankesbrief unterschrieben mit dem Hitler-Gruß. Im Juli 1937 schrieb Reimann junior direkt an SS-Leiter Heinrich Himmler: "Wir sind ein (...) rein arisches Familienunternehmen. (...) Der Name unserer Firma und insbesondere die Tatsache unserer Einstellung gegen das Judentum, sollte Ihnen aus einer früheren Korrespondenz bekannt sein." Bekannt geworden ist nun auch, dass Zwangsarbeiterinnen von Reimann-Managern damals sexuell belästigt wurden oder russische Arbeiter während Luftangriffen aus den Bunkern nach draußen geschickt wurden - in den Tod - und sich die Familie beim Ludwigshafener Oberbürgermeister über die "Faulenzerei" bei Zwangsarbeitern beschwerte.

Der heutige Unternehmenschef und Familienvertraute Peter Harf bestätigte die Erkenntnisse und erklärte der BamS: "Als wir davon erfahren haben, haben wir uns geschämt und waren weiß wie die Wand." Vater und Sohn seien "schuldig": "Sie gehörten eigentlich ins Gefängnis." Die heutige Generation habe in den 2000er-Jahren begonnen, in Dokumenten des Vaters zu stöbern. 2014 habe der Konzern - die sogenannte JAB-Holding - daraufhin einen Historiker beauftragt, "die Reimann-Geschichte vollständig und unabhängig" aufzuarbeiten. Abgesehen davon wolle man nun zehn Millionen Euro an eine passende Organisation spenden.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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