Nokia:Auf der Suche nach Geld

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Nokia macht seine Produktion von Mobiltelefonen in Deutschland dicht. Die Aufträge sollen an den günstigeren Standorten Rumänien und Ungarn erledigt werden. Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Thoben macht dem Handyhersteller schwere Vorwürfe.

Caspar Dohmen und Dirk Graalmann

Betroffen sind davon 2300 Festangestellte im Bochumer Werk. Hinzu kommen der IG Metall zufolge noch bis zu 1000 Leiharbeiter sowie Beschäftigte bei Zulieferern. Im Ruhrgebiet produziert der Weltmarktführer von Mobilfunktelefonen bislang die meisten Geräte für den deutschen Markt. Damit soll Mitte des Jahres Schluss sein. Dies sei aus Kostengründen notwendig, sagte Nokia-Vorstand Veli Sundbäck in Düsseldorf. Der Beschluss sei bereits vor Weihnachten in der Konzernzentrale in Helsinki gefallen.

Ein Mitarbeiterin fertigt bei Nokia Mobilltelefone: Der Handyhersteller will die Produktion mobiler Endgeräte in Deutschland einstellen und den Standort Bochum bis Mitte 2008 schließen. (Foto: Foto: dpa)

Trotz aller Bemühungen halte das Werk im Kostenvergleich nicht mit. Nokia produziert auch in China, Mexiko, Brasilien, Südkorea und Finnland. Die Aufträge des Bochumer Werk sollen künftig in Ungarn und Rumänien erledigt werden. In Rumänien betrügen die Lohnkosten nur etwa ein Zehntel des deutschen Lohnniveaus, heißt es. "Wir sind der letzte Hersteller, der Deutschland als Produktionsstandort verlässt", sagte Sundbäck. Die Handyfabriken von BenQ Mobile in Kamp Lintfort und Motorola in Flensburg wurden bereits aufgegeben. Mit der Schließung des Bochumer Werkes sei die Handyproduktion in Deutschland so gut wie tot, bedauerte August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbands Bitkom.

Manager nennen keine Zahlen

Nokia-Personalvorstand Juha Äkräs verwies auf den drastischen Preisverfall bei Handys - binnen fünf Jahren hätten sich die Preise halbiert. Dadurch sei der Druck gestiegen. Zudem begründete das Unternehmen die Schließung mit Schwierigkeiten bei der Ansiedlung eigener Zulieferer am Standort Bochum. Trotz Nachfragen blieben die Manager bei der wirtschaftlichen Begründung der Schließung vage und nannten keine Zahlen.

Der Gewerkschaft IG Metall zufolge schreibt das Werk schwarze Zahlen. Der IG-Metall-Bezirksleiter für Nordrhein-Westfalen, Oliver Burkhard, kritisierte das Management hart: "Das Werk soll nicht geschlossen werden, weil es defizitär ist, sondern, weil es der Gewinnsucht des Nokia-Managements nicht genügt: das ist eine bodenlose Sauerei".

Nokia hat sich für die kommenden zwei Jahre eine operative Gewinnmarge von 16 bis 17 Prozent vorgenommen. Die Arbeitnehmervertreter waren am Dienstag vor der Aufsichtsratssitzung von der schlechten Nachricht überrascht worden. Bislang sei der Beschluss noch nicht vom Aufsichtsrat von Nokia-Deutschland gebilligt worden, so ein IG-Metall-Sprecher. Bis Ende März soll Sundbäck zufolge die Produktion in einem neuen Werk im rumänischen Cluj aufgenommen werden. Ein weiterer Teil der bisherigen Massenfertigung in Bochum soll auf das Werk Komárom in Ungarn verlagert werden.

Kritik von NRW-Wirtschaftsministerin Thoben

"Angesichts erheblicher öffentlicher Gelder, die in die Weiterentwicklung des Nokia-Standorts in Bochum geflossen sind, stellt sich für die Landesregierung unter anderem die Frage, ob die Entscheidung wirklich unumstößlich ist", sagte die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Nokia erhielt vor allem in den neunziger Jahren 88 Millionen Euro aus öffentlichen Töpfen für Bau und Forschung in dem Bochumer Werk. Dies dürfte etwa einem Sechstel der Investitionskosten entsprechen.

"Es fällt schon auf, dass die Bindungsfrist für die Mittel im September 2006 ausgelaufen ist und ein halbes Jahr später bei Nokia die Entscheidung für den Bau eines Werkes in Rumänien fällt", sagt ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums. Thoben kritisierte, dass Nokia offenbar versuche, mit Hilfe weiterer öffentlicher Mittel von der EU einen neuen Standort in Rumänien aufzubauen. Sundbäck wies diese Vorwürfe zurück, in den rumänischen Standort würden keine "direkten Subventionen der Regierung oder der EU" fließen.

Etwa 280 der Bochumer Nokia-Mitarbeiter können noch hoffen, weil ihre Einheiten verkauft werden sollen. Dabei geht es um das Line Fit Automotive Business, welches integrierte Handylösungen für die Fahrzeugindustrie herstellt, sowie die Forschungs- und Entwicklungsabteilung Adaptation Software. Interesse hat hier das indische Unternehmen Sasken Technologies. Nokia ist hinter Opel der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Bochum. Eine Werksschließung konnte vor sieben Jahren abgewendet werden, es wurde aber jede zehnte Stelle gestrichen. Nokia zählt zusammen mit dem Telekomausrüster Networks etwa 112000 Beschäftigte. In Deutschland sind bei Nokia künftig noch etwa 1000 Mitarbeiter tätig, vor allem im Düsseldorfer Vertrieb und in der Forschung Ulm.

© SZ vom 16.01.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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