Niedrigzinsen:Warum Deutsche plötzlich wieder Tresore kaufen

Bankschließfächer sind gerade sehr beliebt: Negativzinsen treffen Sparer zwar noch nicht. Aber sie sorgen für spürbare Verunsicherung.

Von Elena Adam und Aloysius Widmann

Wer bei Freunden zu Hause zum Bücherregal geht und das langweiligste Buch herauszieht, dem fallen manchmal ein paar Geldscheine entgegen. Aber auch in Unterwäscheschubladen, Keksdosen und unter Matratzen lagern Menschen ihr Bargeld, wenn sie es nicht zur Bank bringen wollen. Manche glauben, dass dieser Trend künftig zunimmt.

Denn die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank führt dazu, dass es für klassische Sparprodukte praktisch keine Zinsen mehr gibt. Manche Großanleger müssen sogar schon Negativzinsen zahlen. Verrückte Welt: Man leiht jemandem Geld - und der kassiert dafür auch noch. Banken zahlen auf Einlagen bei der Europäischen Zentralbank 0,4 Prozent Zinsen. EinigeBanken geben diesen Strafzins weiter - bisher nur an große Firmen. Der Munich-Re-Chef hat gerade erst verkündet, dass sein Konzern einen zweistelligen Millionenbetrag in Form von Gold und Bargeld hortet, um den Strafzinsen der EZB zu entgehen.

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Luxustresore gibt es auch mit Barometer und Luftfeuchtigkeitsmessung. Beliebter sind zur Zeit aber schlichte Bankschließfächer.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Ein Modell für Sparer? Nicht unbedingt: Denn noch zahlen Menschen in Deutschland nirgendwo Zinsen auf ihre Einlagen. Außerdem ist das Geld zu Hause bei Weitem nicht so sicher wie in den Hochsicherheitstresoren großer Banken und Finanzdienstleister. Haben sich Einbrecher erst einmal Zugang zur Wohnung verschafft, suchen sie hinter jedem Eck nach Wertgegenständen. "Sie sollten nicht mehr Bargeld als notwendig zu Hause aufbewahren", sagt Kriminaloberrat Harald Schmidt: "Als Obergrenze kann man sich an der jeweiligen über die Hausratversicherung versicherten Summe orientieren." Wenn Einbrecher genügend Zeit haben, finden sie alles.

"Wertsachen sind am besten bei einem Geldinstitut aufgehoben"

Je besser das Bargeld versteckt ist, desto stärker verwüsten Einbrecher die Wohnung. Hausratsversicherungen haften mit maximal 1500 Euro für gestohlenes Bargeld. Teurer Schmuck, Gold und Briefmarken sind üblicherweise bis zu 25 000 Euro gedeckt. Alles darüber hinaus ist weg. Außer die Versicherungssumme wird erhöht, das muss aber eigens mit der Versicherung vereinbart werden - und es kostet. Also lieber einen Tresor kaufen. Oder am besten mit dem Geld in ein Bankschließfach. "Hohe Bargeldbeträge, wertvoller Schmuck und andere Wertsachen sind am besten bei einem Geldinstitut aufgehoben", sagt Schmidt.

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Maximal so viele Sparkassen-Konten seien derzeit von Negativzinsen betroffen. Diese gehören hauptsächlich großen Firmenkunden. Bald könnten aber auch auf große Bankeinlagen von Privaten Strafzinsen anfallen.

Das sehen viele Sparer genauso, wie die gestiegene Nachfrage nach Schließfächern zeigt, die der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) beobachtet. Was die Bankkunden dort einschließen, unterliegt dem Bankgeheimnis. Aber vieles deutet darauf hin, dass Private immer mehr fürchten, dass ihre Bankeinlagen nicht mehr sicher vor Negativzinsen sind. Sie horten Bargeld. Oder zumindest sorgen sie für den Ernstfall vor.

Denn so beliebt Schließfächer auch gerade sind, Bargeldabhebungen haben zuletzt nicht merkbar zugenommen. Und selbst wenn, könnte das mit der Million Flüchtlinge im Land zu tun haben, die zu großen Teilen noch keine Bankkonten besitzen, vermuten Experten. Dem Sparerkompass zufolge haben im vergangenen Jahr sogar um ein Prozent weniger Menschen Bargeld zu Hause gehortet als noch 2014, insgesamt nur 35 Prozent der befragten.

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