Wer bei Freunden zu Hause zum Bücherregal geht und das langweiligste Buch herauszieht, dem fallen manchmal ein paar Geldscheine entgegen. Aber auch in Unterwäscheschubladen, Keksdosen und unter Matratzen lagern Menschen ihr Bargeld, wenn sie es nicht zur Bank bringen wollen. Manche glauben, dass dieser Trend künftig zunimmt.
Denn die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank führt dazu, dass es für klassische Sparprodukte praktisch keine Zinsen mehr gibt. Manche Großanleger müssen sogar schon Negativzinsen zahlen. Verrückte Welt: Man leiht jemandem Geld - und der kassiert dafür auch noch. Banken zahlen auf Einlagen bei der Europäischen Zentralbank 0,4 Prozent Zinsen. EinigeBanken geben diesen Strafzins weiter - bisher nur an große Firmen. Der Munich-Re-Chef hat gerade erst verkündet, dass sein Konzern einen zweistelligen Millionenbetrag in Form von Gold und Bargeld hortet, um den Strafzinsen der EZB zu entgehen.
Ein Modell für Sparer? Nicht unbedingt: Denn noch zahlen Menschen in Deutschland nirgendwo Zinsen auf ihre Einlagen. Außerdem ist das Geld zu Hause bei Weitem nicht so sicher wie in den Hochsicherheitstresoren großer Banken und Finanzdienstleister. Haben sich Einbrecher erst einmal Zugang zur Wohnung verschafft, suchen sie hinter jedem Eck nach Wertgegenständen. "Sie sollten nicht mehr Bargeld als notwendig zu Hause aufbewahren", sagt Kriminaloberrat Harald Schmidt: "Als Obergrenze kann man sich an der jeweiligen über die Hausratversicherung versicherten Summe orientieren." Wenn Einbrecher genügend Zeit haben, finden sie alles.
"Wertsachen sind am besten bei einem Geldinstitut aufgehoben"
Je besser das Bargeld versteckt ist, desto stärker verwüsten Einbrecher die Wohnung. Hausratsversicherungen haften mit maximal 1500 Euro für gestohlenes Bargeld. Teurer Schmuck, Gold und Briefmarken sind üblicherweise bis zu 25 000 Euro gedeckt. Alles darüber hinaus ist weg. Außer die Versicherungssumme wird erhöht, das muss aber eigens mit der Versicherung vereinbart werden - und es kostet. Also lieber einen Tresor kaufen. Oder am besten mit dem Geld in ein Bankschließfach. "Hohe Bargeldbeträge, wertvoller Schmuck und andere Wertsachen sind am besten bei einem Geldinstitut aufgehoben", sagt Schmidt.
Das sehen viele Sparer genauso, wie die gestiegene Nachfrage nach Schließfächern zeigt, die der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) beobachtet. Was die Bankkunden dort einschließen, unterliegt dem Bankgeheimnis. Aber vieles deutet darauf hin, dass Private immer mehr fürchten, dass ihre Bankeinlagen nicht mehr sicher vor Negativzinsen sind. Sie horten Bargeld. Oder zumindest sorgen sie für den Ernstfall vor.
Denn so beliebt Schließfächer auch gerade sind, Bargeldabhebungen haben zuletzt nicht merkbar zugenommen. Und selbst wenn, könnte das mit der Million Flüchtlinge im Land zu tun haben, die zu großen Teilen noch keine Bankkonten besitzen, vermuten Experten. Dem Sparerkompass zufolge haben im vergangenen Jahr sogar um ein Prozent weniger Menschen Bargeld zu Hause gehortet als noch 2014, insgesamt nur 35 Prozent der befragten.
Strafzins:Die EZB führt uns auf direktem Weg ins Mittelalter
Die Sparkassen melden einen Run auf Schließfächer, große Versicherungen bunkern wegen des Strafzinses immer mehr Bargeld. Und das ist womöglich nur der Anfang.
Das könnte sich schlagartig ändern, wenn Negativzinsen auf Sparkonten durchschlagen sollten. Für diesen Fall erwartet man bei der genossenschaftlichen WGZ Bank eine Sonderkonjunktur für Schließfächer. Die Menschen ziehen ihr Geld zwar noch nicht von den Banken ab. Doch viele denken bereits laut über Goldkauf und private Aufbewahrungsmöglichkeiten nach.
"Generell stellen wir in der anhaltenden Niedrigzinsphase einen erhöhten Beratungsbedarf in Sachen Geldanlage fest, um entsprechend dem persönlichen Risikoempfinden der Kunden die Möglichkeiten des Kapitalmarktes zu nutzen", sagt Jakob Trefz, Vermögensberater bei MLP. Es lasse sich nicht ausschließen, dass in Zukunft flächendeckend Negativzinsen auf Bankeinlagen anfallen. Bank-Kundenberater wurden zuletzt auch öfter mal auf Negativzinsen angesprochen.
Derzeit seien bei der Sparkassen-Finanzgruppe nur wenige Konten von Negativzinsen betroffen, maximal 70 Konten von sehr großen Anlegern und Firmen schätzt der DSGV: "Dies betrifft in erster Linie Firmen, die selbst keine Kunden bei der Sparkasse sind, aber einen sehr hohen Geldbetrag dort parken möchten." Fallweise müssen auch bei der WGZ Bank Anleger aus der Industrie oder dem großen Mittelstand Zinsen zahlen, wenn sie eine große Summe anlegen, sagt WGZ-Chef Hans-Bernd Wolberg.
Nicht alle Sparer glauben den Banken
Wenn sich die Situation nicht ändere, müssten auch Sparkassen irgendwann mit dem Markt gehen und auch für weniger große Einlagen Strafzinsen erheben. Die Sparkasse Oberhausen hat zuletzt laut darüber nachgedacht, für private Einlagen im siebenstelligen Bereich negative Zinsen zu erheben. Dass Negativzinsen in näherer Zukunft an kleinere Sparer weitergegeben werden könnten, schließen die meisten Banken aber aus.
Nicht alle Sparer glauben ihnen. Viele machen sich Sorgen, dass ihr Erspartes bald weniger Wert ist. Aber mangels Alternativen lassen viele ihr Geld auf der Bank. Denn dort gibt es derzeit noch mickrige Zinsen - mehr als auf Bargeld im Schließfach, für das man auch noch Gebühren zahlen muss.
Es gibt aber auch Menschen, die den Banken gar nicht mehr trauen. Seit Ausbruch der Bankenkrise steigt die Nachfrage bei der Firma Hamburger Stahltresor stetig. Der Absatz sei zuletzt derart stark gestiegen, dass Händler mit dem Verkauf der Tresore gar nicht mehr hinterherkämen. Auch das Haushaltswarenkaufhaus Kustermann in München verkauft seit einigen Monaten immer mehr kleine Einbautresore.
Wer einmal viele Tausend Euro zu Hause gebunkert hat, sollte niemals die Kontoauszüge verlieren, die eine Abhebung belegen. Denn wer das Geld später wieder auf ein Konto einzahlen möchte, gerät schnell unter Geldwäscheverdacht, wenn die Herkunft der Summe unklar ist.