New York Times:Kampf um die Seele

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Die New York Times gilt als Paradebeispiel für unabhängige und seriöse Berichterstattung. Nun wehrt sie sich gegen mehr Mitbestimmung bestimmter Aktionäre.

Nikolaus Piper

Wenn eine Unternehmerfamilie ihren Vermögensverwalter wechselt, ist das normalerweise keine Nachricht. Wenn aber die Familie von Arthur O. Sulzberger, dem Präsidenten des Verwaltungsrats der New York Times, ihr Geld bei der renommierten Investmentbank Morgan Stanley abzieht und sich einen neuen Treuhänder sucht, dann steckt dahinter eine spannende Geschichte.

Der Herausgeber der New York Times, Arthur Ochs Sulzberger Jr., kämpft gegen mehr Einfluss des Kapitals auf seine Zeitung. (Foto: Foto: AP)

Zwar hat die Sprecherin der Times, Catherine Mathis, nur die Tatsache des Bankwechsels als solche bestätigt. Niemand in New Yorks Finanz- und Medienszene bezweifelt aber, dass mit dem Schritt eine neue Runde im Kampf um die Seele der besten Zeitung der Welt eingeläutet wird.

Eigentümerfamilie mit langer Tradition

Auf der einen Seite in dieser Auseinandersetzung steht die Familie Sulzberger-Ochs, die Nachfahren des Reporters Adolph Ochs, der sich 1896 in die New York Times eingekauft und sie zur unbestrittenen Nummer eins unter Amerikas Zeitungen gemacht hatte.

Auf der anderen Seite findet sich zwar nicht die Bank Morgan Stanley selbst, wohl aber Hassan Elmasry, ein erfolgreicher Fondsmanager bei Morgan. Und der möchte, als Vertreter einiger einflussreicher Aktionäre der Times, höhere Gewinne und einen höheren Aktienkurs sehen.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die tiefe Verunsicherung, in die das Internet die Zeitungs- und Fernsehmanager in den USA gestürzt hat. Niemand scheint genau zu wissen, wie das Geschäftsmodell einer Tageszeitung oder eines Fernsehsenders in Zukunft aussehen soll. Die Aktie der New York Times hat seit Juni 2002 die Hälfte ihres Wertes verloren. Nun will Elmasry Kostensenkungen erzwingen. Bei der Hauptversammlung der Times im April 2006 verweigerte er mit einer Minderheit von Aktionären dem Management die Entlastung.

Klare Trennung von Kapital und Stimmrecht

Viel mehr an Aktionärsaufstand war aber seinerzeit nicht möglich, denn bei Times Company, der Muttergesellschaft der New York Times, gibt es zwei Arten von Aktien: A-Aktien mit begrenztem Stimmrecht, die ungefähr mit deutschen Vorzugsaktien vergleichbar sind, und B-Aktien mit vollem Stimmrecht (wie deutsche Stammaktien).

Von den A-Aktien halten die Ochs-Sulzbergers nur 4,4 Prozent, von den B-Aktien dagegen 88 Prozent. Durch diese Struktur kann die Familiengesellschaft die Zeitung beherrschen, auch wenn ihr nicht die Mehrheit des Kapitals gehört. Der Gesamtwert ihres Engagements bei der Zeitung wird in New York auf 675 Millionen Dollar taxiert.

"Weit entfernt von optimaler Unternehmensführung"

Elmasry, der angeblich 7,15 Prozent der Times-Aktien kontrolliert, will vor allem diese Aktienstruktur ändern. "Wir glauben, dass diese Art der Unternehmenskontrolle weit von dem entfernt ist, was heute von Experten der Unternehmensführung als optimal angesehen wird", schrieb er der Times-Geschäftsführung 2006. Die Familie Ochs-Sulzberger dagegen ist entschlossen, gegenzuhalten.

Die Vorstandsvorsitzende von Times Co., Janet L. Robinson, sagte bereits im vergangenen Dezember, um was es geht: "Die Familie, der annähernd zwanzig Prozent des Kapitals unseres Unternehmens gehören und die damit der größte Einzelaktionär ist, hat keinerlei Absichten, unsere Türen für jene Art von Aktionen zu öffnen, die das Herz einiger großer journalistischer Institutionen in unserem Land zerreißen."

Kein Journalismus ohne Journalisten

Im übrigen habe es die Zwei-Klassen-Struktur bei den Aktien schon vor dem Börsengang der Times 1969 gegeben. Deren Funktion sei es, "die journalistische Unabhängigkeit und Integrität der New York Times zu wahren". Chefredakteur Bill Keller, meinte sarkastisch, die New York Times scheine "eine der letzten Medienorganisationen auf diesem Planeten zu sein, in der man noch begreift, dass man Journalismus - in der Zeitung und im Internet - nicht ohne Journalisten machen kann".

Das Management der Times weiß natürlich, dass die Zeitung (1200 Redakteure und Reporter) kämpfen muss, um ihre Zukunft zu sichern. Deshalb wird in neue Produkte und neue Vertriebswege investiert. Die Bestrafung von Morgan Stanley als Vermögensverwalter der Familie Ochs-Sulzberger ist da nur ein symbolischer Akt.

Aber Symbole können viel bedeuten, wenn es um die Seele einer Zeitung geht. Am 31. Januar teilte die New York Times mit, dass sie einen neuen Chef ihres Korrespondentenbüros in Washington einstellt: Dean Baquet. Der Journalist war im November als Chefredakteur der Los Angeles Times gefeuert worden, weil er sich Kostensenkungsmaßnahmen widersetzt hatte.

© SZ vom 07.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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