Neuordnung in der Autoindustrie:Riskantes Spiel in Turin

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Ein neuer Autogigant? Von wegen! Der Italiener Marchionne wird mit seinem Zweckbündnis Fiat-Opel-Chrysler wohl scheitern - sein Plan ist einfach zu komplex.

Karl-Heinz Büschemann

Hätte er nur geschwiegen. Aber nein, der selbstbewusste Fiat-Chef Sergio Marchionne wählte ausgerechnet die großen Worte, die schon ein anderer vor elf Jahren für eine restlos fehlgeschlagene Fusion zweier Unternehmen benutzt hatte. Der von ihm geplante Zusammenschluss von Fiat, Chrysler und Opel sei "eine Hochzeit im Himmel". Dem Großmanager Jürgen Schrempp, der 1998 spektakulär Daimler und Chrysler verband und ebenso aufsehenerregend scheiterte, wird diese Worthülse noch heute um die Ohren gehauen.

Fiat buhlt um Opel, doch es gibt Widerstand. (Foto: Foto: ddp)

Aber in der Welt-Autoindustrie herrscht Umbruchstimmung. Die Branche liegt am Boden und sucht nach Auswegen aus der furchtbaren Krise, die gerade zur Insolvenz des US-Autoherstellers Chrysler führte. Die kollektive Sehnsucht nach der Lösung der Probleme verleitet offenbar zum Überschwang. Es ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, dass Marchionnes Idee etwas Faszinierendes und Kühnes hat: Fiat, Chrysler und der europäische Teil von General Motors verschmelzen zu einem neuen Autoriesen, der es, gemessen an Umsatz und Produktion, mit Volkswagen oder Toyota aufnehmen kann.

Aber Marchionne sollte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, sein Plan ist zu ambitioniert. Er wird kaum gelingen können. Dafür ist sein Vorhaben zu komplex. Der italienische Manager will drei mehr oder weniger kranke Unternehmen aus drei Ländern mit unterschiedlicher Kultur zusammenschweißen. Alle verfügen weder über ausreichendes Kapital noch über die nötige moderne Technologie und die notwendige Managementreserve. Nicht umsonst stecken alle drei in Schwierigkeiten. Die Opel-Belegschaft wehrt sich schon gegen den neuen Interessenten. Aber es geht nicht allein darum, ein neues Unternehmen zu schmieden. Die Aufgabe ist auch, die gewaltigen weltweiten Überkapazitäten dieser Industrie zu verringern.

Die Automobilbranche beschäftigt viel mehr Menschen, als sie benötigt, und da liegt das Problem. Die Industrie ist viel zu politisch, um allein nach wirtschaftlichen Kriterien zu funktionieren. Dazu ist sie zu groß. In den USA hat sich Präsident Barack Obama mit Rücksicht auf Millionen einheimische Arbeitsplätze praktisch zum obersten Automanager der Nation gemacht. In Deutschland sind Versprechungen der Regierung für die Autoindustrie zum festen Bestandteil im Bundestagswahlkampf geworden.

Die Regierung würde nicht zulassen, dass die mit so viel Steuergeld gestützten Jobs am Ende doch gestrichen werden. Dass Marchionne am Anfang seiner verwegenen Mission nach Berlin reist, um Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für seinen Plan zu gewinnen, belegt nur, dass in dieser Industrie nicht allein die Manager die Geschicke lenken. Der Berlin-Besuch nährt den Verdacht, dass Fiat an die Bürgschaften der Bundesregierung heranwill, die Berlin für den Fall versprochen hatte, dass sich ein privater Investor für Opel finde. Wer sich erst bei der Regierung die Genehmigung für wichtige Entscheidungen holen muss, kann nicht viel bewegen.

Dabei geht es nicht darum, diese Krisenindustrie mit staatlicher Begleitung abzuwickeln. Ein Teil des Problems dieser Branche ist, dass sie viele falsche Autos baut, die zu viel PS haben und auf die Dauer den Anforderungen des Klimaschutzes nicht gerecht werden. Diese Industrie hat noch keine Antwort auf die Frage nach dem Antrieb der Zukunft gegeben, der nicht mehr vom Erdöl abhängig sein darf. Die Europäer und Japaner haben wenigstens für effiziente Motoren gesorgt. In den USA aber haben die Konzerne General Motors, Ford und Chrysler selbst drei Jahrzehnte nach dem ersten Ölpreisschock noch nicht verstanden, dass sie ihre Spritsäufer ersetzen müssen.

Die Autoindustrie steht vor unsicheren Zeiten und mit ihr die 50 Millionen Menschen in der Welt, die vom Autobau leben. Noch ist nicht klar, wie die Fahrzeuge der Zukunft aussehen werden und wer sie bauen wird. Es ist keineswegs ausgemacht, dass die heutigen Fahrzeughersteller auch die Lieferanten von morgen sind. Die können ebenso gut in China oder Indien sitzen. Fest steht allerdings, dass noch Milliarden Menschen auf ihr erstes Auto warten. Und ebenso klar ist, dass die Entwicklung der Fahrzeuge der Zukunft sehr viel Kapital, Technologie und Zeit verschlingen wird.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Schwächen der Autoindustrie offengelegt. Wer die größten Fehler gemacht hat, wird am stärksten bestraft. Mit der Krise werden nun aber auch die Weichen gestellt. Der Plan von Fiat-Chef Marchionne sieht aber eher danach aus, als würden alte Strukturen bewahrt und viele Milliarden Steuergelder in Europa und Amerika darauf verwendet, den Wandel zu behindern oder zu verzögern. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich die Probleme von Fiat, Chrysler und Opel auch in einigen Jahren nicht geändert haben werden. Darauf deutet ein weiterer verräterischer Satz von Marchionne hin. Er sagte, der von ihm entworfene Fiat-Opel-Chrysler-Plan sei eine "unglaublich einfache Lösung für ein sehr dorniges Problem".

Unwahrscheinlich, dass er recht behält. In dieser Industrie sind die wenigsten Dinge einfach.

© SZ vom 05.05.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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