Neuordnung der Währungsreform:"Absurde Hypothesen"

Lesezeit: 2 min

Sollen reformunwillige Länder künftig aus der Währungsunion ausgeschlossen werden? Genau das will Berlin durchsetzen - und löst damit einen heftigen Streit aus.

Cerstin Gammelin

Die Bundesregierung stößt mit ihrem Plan, die europäische Währungsunion komplett zu reformieren, europaweit auf enormen Widerstand. Vor allem der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, reformunwillige Krisenstaaten aus der Eurozone ausschließen zu können, wird vehement widersprochen.

"Das ist nicht der richtige Ansatz", sagte Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. Das Problem bestehe vielmehr darin, "dass Sanktionsinstrumente erst aufgeweicht wurden und jetzt nicht richtig angewendet werden".

Jean-Claude Trichet, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) erklärte, es gebe derzeit überhaupt keinen Grund, sich an solchen Überlegungen zu beteiligen, ob und wie im Zweifelsfall ein Euroland mit zu hohem Defizit aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden könnte.

"Keine Option"

Er werde solche "absurden Hypothesen" nicht kommentieren, sagte Trichet. Auch EU-Mitgliedsländer sind dagegen. Ein Ausschluss sei "keine Option", hieß es in belgischen Regierungskreisen. "Es gibt keinen einzigen Grund, weshalb wir zustimmen sollten", sagte ein hoher spanischer EU-Diplomat.

Die Bundesregierung sei mitverantwortlich dafür, dass die ursprünglich scharfen Sanktionsinstrumente, mit denen Euro-Schuldner zum regelkonformen Haushalten gezwungen werden sollten, im Jahr 2003 deutlich entschärft wurden, und zwar ausgerechnet auf Druck von Deutschland und Frankreich.

Beide Länder forderten damals, die gegen sie laufenden Defizitverfahren auszusetzen. Sie stürzten die Eurozone in eine schwere Krise. Nach langem Streit, der bis vor den Europäischen Gerichtshof ging, wurden die Instrumente des Paktes deutlich entschärft.

Es sei wenig glaubwürdig, dass Berlin nun das Gegenteil fordere, sagte der Spanier. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker wollte den Vorschlag nicht kommentieren. "Es gab noch keine Diskussion über einzelne neue Instrumente", sagte der Sprecher des Vorsitzenden der Euroländer.

Merkel hatte am Mittwoch im Bundestag gesagt, als Konsequenz aus der Griechenland-Krise und aus Sorge um die Stabilität des Euro sollten die Europäer daran arbeiten, "dass wir für die Zukunft ein Vertragswerk bekommen, in dem es in der Ultima Ratio sogar möglich ist, ein Land aus dem Euroraum auszuschließen, wenn es die Bedingungen langfristig immer und immer wieder nicht erfüllt."

Um den Euro zu schützen, will die Bundesregierung die Währungsunion langfristig komplett umbauen. Die Sanktionen gegen säumige Sünder sollen früher greifen sowie verschärft und automatisiert werden. Auch der Ausschluss aus der Eurozone soll möglich sein. Neu ist auch, dass die Wirtschaftspolitik enger abgestimmt und streng überwacht werden soll.

Funktionsmechanismen verbessern

Um die Änderungen durchzusetzen, muss der Lissabon-Vertrag wieder geändert werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte die Diskussion darüber mit dem Vorschlag angestoßen, langfristig einen europäischen Währungsfonds zu schaffen.

Die französische Finanzministerin Christine Lagarde lehnte es am Donnerstag in Brüssel ab, die EU-Verträge zu ändern. Frankreich wolle im Rahmen des Vertrages von Lissabon arbeiten und "die Funktionsmechanismen zwischen den Mitgliedsstaaten verbessern", sagte Lagarde. Damit bleibt sie auf Konfrontationskurs mit Berlin.

Anfang der Woche hatte sie die deutsche Wirtschaftspolitik als egoistisch kritisiert. Die EU-Kommission räume Vertragsänderungen "nicht die erste Priorität" ein, sagte ein Sprecher in Brüssel. Dem Vernehmen nach stehen nur Luxemburg, Österreich, Finnland und die Niederlande dem Plan grundsätzlich positiv gegenüber.

Griechenlands Premier Giorgos Papandreou lehnte die Ausschluss-Option am Donnerstag in Brüssel ebenfalls ab. Das sei "ein Zeichen für das Scheitern der Union", erklärte er. Die EU-Staatschefs sollten auf dem Gipfel kommende Woche über europäische Nothilfe entscheiden. "Das ist eine Gelegenheit, die wir nicht verpassen sollten", sagte er.

Berlin hat wiederholt erklärt, dass das nicht geplant ist. Papandreou hofft, dass der Plan die Märkte davon abbringt, mit griechischen Papieren zu spekulieren. Dadurch könnten die Zinsen sinken. Derzeit zahlt Griechenland etwa den doppelten Aufschlag für Staatsanleihen im Vergleich zu Deutschland.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sei die letzte Option, sagte der Premier. Aufgrund von Gerüchten über möglicherweise bald bevorstehende IWF-Hilfen waren die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen am Donnerstag erneut gestiegen.

© SZ vom 19.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: