Neue Vorwürfe bei Siemens:Cromme beklagt Vertuschung

Lesezeit: 2 min

Der neue Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme wirft den internen Prüfern des Konzerns vor, den Aufsichtsrat nicht ausreichend über mögliche Korruptionsfälle informiert zu haben.

Klaus Ott

Dem Prüfungsausschuss seien ,,wichtige Informationen nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden'', bemängelte Cromme.

Zudem wurde bekannt, dass der Zentralvorstand von Siemens im November vorigen Jahres einen hochrangigen Mitarbeiter, Albrecht Schäfer, mit der Aufarbeitung der Schmiergeld-Affäre beauftragt hatte, der zu diesem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wurde.

Schäfer ist führender Anti-Korruptionsbeauftragter des Konzerns und leitete zeitweise eine Sondereinheit (Task Force), mit der Siemens nach der ersten Razzia der Staatsanwaltschaft selbst gegen strafbare Geschäftspraktiken vorgehen wollte. Schäfer wurde nach eigenen Angaben vom Zentralvorstand berufen. Siemens wollte sich dazu am Donnerstag nicht äußern.

Hinweise auf fragwürdige Vorgänge

Ein halbes Jahr nach Beginn des Korruptionsskandals bei Siemens mehren sich damit Hinweise, dass in der Konzernzentrale offenbar versucht wurde, Hinweise auf fragwürdige Vorgänge herunterzuspielen oder zu vertuschen.

Dem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates sind nach den nun vorliegenden Informationen wesentliche Erkenntnisse vorenthalten worden, die bei den Kontrolleuren vermutlich frühzeitig großen Alarm ausgelöst hätten.

Die internen Untersuchungen der amerikanischen Kanzlei Debevoise & Plimpton hätten ergeben, dass dem Ausschuss ,,wichtige Informationen nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wurden'', sagte Cromme der Süddeutschen Zeitung. Darüber habe die US-Kanzlei den Aufsichtsrat vergangene Woche informiert. Siemens hatte Debevoise & Plimpton im Dezember 2006 eingeschaltet.

Der Prüfungsausschuss wird von Cromme geleitet und hat die Aufgabe, auf die Einhaltung der Gesetze hinzuwirken.

Auf Informationen der Zentrale angewiesen

Dabei ist der Ausschuss auf die Informationen angewiesen, die ihm aus der Konzernzentrale vorgelegt werden, sowohl von der Rechtsabteilung wie auch von der internen Revision und der Anti-Korruptionseinheit Compliance.

Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Aufsichtsräte gerät der Personalmanager und frühere Anti-Korruptionsbeauftragte Schäfer zunehmend in den Blickpunkt der internen Untersuchungen.

Gegen Schäfer hatte die Münchner Staatsanwaltschaft im Herbst vergangenen Jahres vorübergehend ermittelt, dann das Verfahren aber eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte Schäfer vom 17. November an als Beschuldigten geführt, nachdem ihn der langjährige Siemens-Manager Reinhard S. am Tag zuvor in einem Geständnis schwer belastet hatte.

S. ist eine Schlüsselfigur in dem Skandal, er hat schwarze Kassen für weltweite Schmiergeldzahlungen organisiert.

Verdacht der Anstiftung zur Strafvereitelung

S. hatte ausgesagt, der Anti-Korruptionsbeauftragte Schäfer habe ihm bei einem Gespräch Mitte 2006 nahegelegt, im Falle einer Vernehmung nicht alles auszuplaudern, was er wisse. Deshalb leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Schäfer wegen des Verdachts der Anstiftung zur Strafvereitelung ein.

Schäfer sagte der SZ, er habe am selben Tag von den Ermittlungen gegen ihn erfahren und mehrere Zentralvorstände darüber informiert. Trotzdem berief Siemens Schäfer kurz darauf zum Chef der Sondereinheit, die gegen Korruption vorgehen sollte. Siemens teilte dies am 23. November in einer Pressemitteilung mit. Konzernchef Klaus Kleinfeld versprach hierbei ,,schonungslose Aufklärung''.

Schäfer sagte dazu, Siemens habe bereits am 22. oder 23. November erfahren, dass das Verfahren gegen ihn beendet werde, weil die Vorwürfe falsch seien. Eingestellt wurde das Verfahren nach Angaben des bayerischen Justizministeriums aber erst am 8. Dezember 2006.

Nicht alle Erkenntnisse vorgelegt

Inzwischen lässt sich belegen, dass Schäfer während seiner Tätigkeit als Korruptions-Bekämpfer von Oktober 2004 bis Ende 2006 dem Prüfungsausschuss nicht alle Erkenntnisse vorgelegt hat, die ihm bekannt waren und den Ausschuss wahrscheinlich alarmiert hätten.

Im Februar 2005 hatte Siemens von einem Ermittlungsverfahren gegen Reinhard S. in Liechtenstein erfahren, später folgte ein Verfahren in der Schweiz.

Bereits im November 2003 hatte Schäfer bei Siemens einen internen Bericht über den Verdacht von Korruptionsdelikten in Nigeria erhalten, in dem S. als einer der Akteure genannt worden war.

"Völlig vergessen''

Über diesen Bericht hat Schäfer den Prüfungsausschuss später, als Siemens die Ermittlungsverfahren gegen S. bekannt wurden, nicht informiert. Das räumte Schäfer auf Anfrage ein. Er sagte, er habe 2003 weder mit S. noch mit anderen betroffenen Mitarbeitern über die damaligen Vorwürfe gesprochen. Insofern habe er den Vorgang ,,völlig vergessen''.

© SZ vom 04.05.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: