Neue Technik aus Stuttgart:Aussteigen und fertig

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Bosch und Daimler tüfteln am Einparken ohne Fahrer: Kunden können vor dem Parkhaus das Auto verlassen, der Wagen macht den Rest. Die Genehmigung ist da, von 2020 an wollen sie ihr Produkt verkaufen.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Der Benz und der Bosch-Senor funken miteinander. Einen Menschen braucht’s in diesem Parkhaus nicht mehr. (Foto: OH)

Es klingt wie Science-Fiction, aber in Stuttgart-Untertürkheim funktioniert es bereits: Ein Autofahrer kann an der Parkhaus-Einfahrt aus seinem Fahrzeug aussteigen, einmal auf dem Handy klicken - dann sucht sich das Auto alleine einen Parkplatz. Und wenn der Besitzer wieder wegfahren will, drückt er noch einmal auf sein Handy und der Wagen kommt selbständig zur Ausfahrt herausgefahren.

Der Autohersteller Daimler und der Technologiekonzern Bosch experimentieren mit dieser Technik seit 2017 im Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums. Mit zwei Fahrzeugen, die dort mit fünf Kilometern pro Stunde herumkurven. Zwar gibt es noch keinen Serienwagen, der die Technik beherrscht, dennoch haben Daimler und Bosch am Dienstag stolz einen "Meilenstein" verkündet: Sie haben nun die Genehmigung der Behörden bekommen, ihr System ohne einen Menschen zu betreiben, der am Steuer oder in der Nähe sitzt, um im Notfall einzugreifen.

Diese Genehmigung ist laut Daimler und Bosch die weltweit erste dieser Art. Für die Entwickler ist das ein weiterer Schritt in Richtung vollautomatisiertes Autofahren, auch wenn die regulatorischen Voraussetzungen für Serienfahrzeuge noch nicht definiert sind.

Betreiber von Parkhäusern und Versicherungen seien sehr interessiert

Schon von 2020 an wollen die beiden Unternehmen ihre Technik an andere Betreiber von Parkhäusern verkaufen. Gespräche laufen bereits, das Interesse sei "sehr groß", beteuern die Tüftler der Unternehmen. Ihr Fernziel sei es, dass man zum Beispiel nach einer Flugreise sein Auto via Handy schon anfordern kann, während man noch auf sein Gepäck wartet. Der Wagen kommt dann aus dem Parkhaus vorgefahren, wenn man das Flughafen-Gebäude verlässt. Wann Technik und Gesetze diese Vision möglich machen, ist allerdings noch offen.

Dennoch seien Betreiber von Parkhäusern und auch Versicherungen sehr interessiert an diesem sogenannten Automated Valet Parking (AVP). In den Garagen spare es ein Fünftel des Platzes, weil die Autos viel enger nebeneinander abgestellt werden können. Denn mit der neuen Technik muss nach dem Einparken kein Fahrer mehr die Tür zum Aussteigen öffnen. Und die Versicherer rechnen mit viel weniger Schäden. "40 Prozent aller Kfz-Schadensfälle sind Parkunfälle", sagt Carsten Hämmerling von Daimler. Diese Schäden würden komplett wegfallen, wenn die Technik mit ihren Sensoren das Rangieren übernimmt. "Automatisiertes Einparken ist viel sicherer", sagt Hämmerling. In den zwei Jahren des Pilotprojekts in Stuttgart habe es keine einzige gefährliche Situation gegeben. Laut Genehmigung des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Landesverkehrsministeriums dürften die Autos zwar maximal zehn km/h fahren, doch die Firmen gaben sich bislang mit fünf km/h zufrieden. "Mit mehr Erfahrung wollen wir schneller werden", sagt Rolf Nicodemus von Bosch.

Die Techniker von Bosch und Daimler sprechen vom ersten vollautomatisierten und fahrerlosen Parksystem weltweit, die Technik sei vergleichbar mit dem sogenannten Level 4-Standard. Allerdings hat das AVP-Parkhaus-System einen komplett anderen Ansatz als jene Roboter-Autos, die Mercedes und andere Hersteller in diversen Metropolen im Stadtverkehr ausprobieren. Denn in der Stuttgarter Garage sitzen die Sensoren und das Gehirn des Systems nicht im Fahrzeug, sondern im Parkhaus. Die Sensoren und Stereokameras sind neben den Fahrstrecken und an der Decke installiert. Sie wurden von Bosch entwickelt und kommunizieren über Wlan mit der Technik im Auto, die Daimler ausgetüftelt hat. Das Fahrzeug rollt ganz alleine zum freien Parkplatz - auch an anderen, "normalen" Autos und Fußgängern vorbei.

Bislang funktioniert das allerdings nur mit zwei speziell ausgerüsteten Mercedes-Fahrzeugen. Gewöhnliche Besucher des Parkhauses müssen mit ihren Autos ganz altmodisch selbst einparken. Ziel von Bosch und Daimler ist es, so schnell wie möglich Serienmodelle zu entwickeln. Allerdings müssen sie dabei auf die Regulierungsbehörden warten, bis diese die rechtlichen Standards festgeschrieben haben. Zudem wollen die Unternehmen ihre Technik auch für andere Autohersteller anbieten. Hier würden bereits Gespräche mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA) geführt.

© SZ vom 24.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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