Neue Sitten:Trocken versichern

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Die weltberühmte Policenbörse Lloyd's of London verbietet den Konsum von Alkohol - wer betrunken wirkt, dem droht der Entzug des Hausausweises.

Von Björn Finke, London

Jetzt beginnt die neue Nüchternheit: In dieser Woche veröffentlicht Lloyd's of London, der traditionsreiche Versicherungsmarktplatz in der Hauptstadt, überarbeitete Verhaltensregeln. Und die drohen jedem, der betrunken wirkt, mit dem Entzug des Hausausweises. Alkohol im Gebäude ist verboten. Die Policenbörse, deren Wurzeln mehr als 330 Jahre zurückreichen, hatte bereits 2017 den eigenen Angestellten untersagt, Alkohol zu trinken. Die Reform der Regeln betrifft nun auch die Versicherungsbroker und die Vertreter der Assekuranzen, die jeden Tag in den Handelssälen ihren Geschäften nachgehen.

Dabei gehörten feucht-fröhliche Mittagessen mit Kollegen und Kunden in einem der vielen Pubs im Bankenviertel lange Zeit zum Berufsalltag. Doch das Management von Lloyd's will den verstaubten Betrieb in die Moderne führen. Zudem reagiert der Konzern auf hässliche Vorwürfe: Vergangenen Monat berichtete das Magazin Bloomberg Businessweek, dass sich Frauen bei der Policenbörse regelmäßig Belästigungen erwehren müssen. Der Alkoholbann soll dazu beitragen, diese Gefahr zu mindern.

Frauen klagen über häufige sexuelle Belästigung

Lloyd's ist ein Marktplatz für Spezialversicherungen; in den Handelssälen verkaufen Assekuranzen Schutz - auch gegen exotische und neuartige Gefahren. Konzerne können dort etwa Fabriken gegen Hackerattacken versichern oder ihre Landeschefs in Lateinamerika gegen Entführungen. Körperteile Prominenter werden ebenfalls bei Lloyd's versichert: Die Beine des früheren Fußballers David Beckham waren 100 Millionen Pfund wert.

Geschäfte werden oft noch auf recht altmodische Art abgeschlossen: In den Sälen sitzen die Underwriter, die Vertreter der Versicherungen, an Schreibtischen. Versicherungsbroker gehen mit Akten unter dem Arm von Tisch zu Tisch, um für Kunden Policen abzuschließen. Der eine Versicherer übernimmt dann zum Beispiel 40 Prozent des Risikos, dass wegen eines Putsches eine Goldmine die Förderung einstellt, andere decken den Rest der versicherten Schadenssumme ab. Die Underwriter besiegeln das Geschäft, indem sie die Dokumente abstempeln.

Unmengen an Papier werden herumgetragen, ausgedruckt, kopiert. Dabei führte Lloyd's bereits 2016 ein elektronisches Handelssystem ein. Allerdings verwenden es bisher nicht alle Underwriter. Im Dezember drohte das Management der Börse, es könnte in Zukunft Broker ausschließen, die sich weigern, auf papierlose Systeme umzusteigen. Dies soll dabei helfen, die hohen Kosten zu senken und den Marktplatz wettbewerbsfähig zu halten.

Von 2014 bis vergangenen Herbst leitete Inga Beale Lloyd's, als erste Chefin in der Firmengeschichte. Eines ihrer wichtigsten Anliegen, neben der Modernisierung der Abläufe, war es, die bislang sehr männliche, sehr weiße Börse offener für Frauen und Minderheiten zu machen. Die Klagen über sexuelle Belästigung zeigen, dass für Beales Nachfolger John Neal noch viel zu tun bleibt.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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