Netflix:Besser als Fernsehen

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Allein im dritten Quartal hat Netflix Berechnungen zufolge etwa 676 Stunden neues Filmmaterial auf seine Plattform gestellt. (Foto: Mike Blake/Reuters)

Vor wenigen Monaten stimmten Börsianer einen Abgesang auf Netflix an. Jetzt macht der Kurs einen Sprung.

Von Victor Gojdka, München

An diesem Abend konnte Netflix nicht nur die Zuschauer auf der Couch fesseln, sondern auch die Anleger. Knapp sieben Millionen neue Nutzer konnte der Streamingdienst zwischen Juli und September für seinen Dienst gewinnen, teilte das Unternehmen am Dienstagabend mit. Die Börse reagierte überrascht, erst vor wenigen Monaten hatte Netflix mit enttäuschenden Nutzerzahlen von sich Reden gemacht. Im nachbörslichen Handel an der an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq sprangen die Kurse nach den guten Nachrichten nun um 17 Prozent. Man könnte sagen, Netflix ist an der Börse das gelungen, was auch seine Serien bei vielen Nutzern so erfolgreich macht: ein echter plot twist, eine radikale Kehrtwende in der Erzählung.

Den Zuwachs bei den Nutzerzahlen schreibt das Unternehmen vor allem seinen Neuproduktionen zu: Allein im dritten Quartal hat Netflix Berechnungen der Investmentbank Cowen and Company zufolge etwa 676 Stunden neues Filmmaterial auf seine Plattform gestellt. "Netflix hat mit Kassenschlagern die Kunden erobert", sagt Tech-Experte Andreas Lipkow von der Direktbank Comdirect. Insgesamt acht Milliarden Dollar will das Unternehmen in diesem Jahr in neue Videoinhalte investieren. Dabei will der Streaming-Dienstleister künftig neben fiktionalen Serien auch stärker auf Dokumentationen und Realityshows setzen. Außerdem will Netflix Produktionen noch stärker auf bestimmte Zielländer zuschneiden, um sich genauer auf die Sehgewohnheiten vor Ort einzustellen.

Die Konkurrenz ist Netflix jedoch auf den Fersen: Amazon betreibt ebenfalls einen Dienst für Video-Streaming, Disney arbeitet an einem eigenen Portal und in vielen Ländern kommen regionale Konkurrenten wie etwa Maxdome in Deutschland dazu. Insbesondere Disney könnte für Netflix zum Problem werden, denn der Anbieter will Berichten zufolge mit einer günstigeren Plattform an den Markt gehen und eigene Videoinhalte, die bislang auf Netflix zu sehen waren, dorthin abziehen.

Um weiterhin bei den Kunden punkten zu können, braucht das Unternehmen künftig also noch mehr eigene Ideen. "Da müssen sie den richtigen Riecher haben", sagt Anlagestratege Lipkow. Doch Filmproduktionen sind teuer und müssen vorfinanziert werden, in den vergangenen drei Jahren hat Netflix daher Anleihen im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar begeben. Viele Analysten beobachten diese Schulden mit Sorgen. "Steigende Zinsen machen es für das Unternehmen teurer, seine Multimilliardeninvestments ins Programm zu finanzieren", sagt Paul Sweeney, Analyst bei Bloomberg Intelligence. Mancher Anleger wartet offensichtlich schon auf die nächste unerwartete Wendung in dieser Geschichte aus dem Silicon Valley.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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